Viele Pferdebesitzerinnen und -besitzer sind geschockt, wenn sie zum ersten Mal nach in Krafttreten der neuen Gebührenordnung für Tierärzte (GOT) am 22. November 2022 eine Abrechnung vom Tierarzt ihres Vertrauens öffnen. Für eine Impfung, z.B. gegen Influenza und Herpes, werden jetzt schnell mal 170 € oder mehr fällig. Werden Pferde außerhalb der Sprechzeiten krank, wird es richtig teuer. Der zweifache Satz wird dann mindestens fällig, auch die Notdienstgebühr von 50 € (netto) wird dann noch aufgeschlagen. Je nach Anfahrtstrecke können da mit Mehrwertsteuer schnell mal an die 200 Euro oder mehr alleine für Anfahrt, Wegegeld und Notgebühr fällig werden. Es war klar, dass es nach der Überarbeitung der GOT nach fast 25 Jahren für alle Tierhalter nicht günstiger wird. Den meisten Pferdebesitzern ist bewusst, dass eine gute tierärztliche Leistung auch entsprechend Geld kostet.
Hausbesuchspauschale sorgt für Unmut
Aber besonders an einem Punkt erregen sich derzeit die Gemüter. Es handelt sich um die Einstufung von Pferden als Haustiere und den dadurch fälligen Posten „Hausbesuch, außer bei landwirtschaftlichen Nutztieren (GOT 40). Netto 34,50 € werden da fällig plus 19 % Mehrwertsteuer. Wenn der Tierarzt an einem Stall an einem Termin mehrere Pferde von unterschiedlichen Besitzern behandelt, wird von jedem Pferdebesitzer dieser Posten berechnet und nicht ¬– wie beim Wegegeld üblich (das es natürlich auch noch gibt und mit Minimum 13 € oder 3,50 € pro Doppelkilometer abgerechnet wird) – unter ihnen aufgeteilt.
Viele Pferdebesitzer fühlen sich deshalb abgezockt, in den Reiterstübchen ist das Thema ein Dauerbrenner. Auch manche Tierärzte sehen diese Pauschale kritisch oder würden sie zumindest im Falle eines Sammelbesuches lieber aufteilen, wie ein Klinikleiter auf Anfrage erzählt. Sie müssen ihn aber ansetzen und eine Aufteilung sei nicht vorgesehen, denn bei der GOT handelt es sich um eine bundesweit gültige Rechtsvorschrift an die Tierärzte gebunden sind, wie die Bundestierärztekammer (BTK) mitteilt.
Auch die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) beschäftigt sich mit der neuen GOT. In einem Interview mit FN-aktuell, bezieht der Generalsekretär der FN Soenke Lauterbach Stellung. Auch er hält es zunächst für legitim den einfachen Abrechnungssatz so zu gestalten, dass er die Kosten deckt und eine zukunftsfähige Aufstellung der Praxen auch im Notdienst und an den Wochenenden ermöglicht.
Doch er übt auch Kritik. Die FN lehne die Pauschale und die ihrer Meinung nach falsche Einordnung des Pferdes als „nicht landwirtschaftlich genutztes Tier“ vehement ab. Das widerspreche der klaren Einordnung des Pferdes als landwirtschaftliches Nutztier, beispielsweise im EU-Recht, heißt es in der Veröffentlichung. Lauterbach erklärt: „Die Kosten für eine Behandlung von Nutztieren sind niedriger als die Kosten für Haustiere. Bereits in der bisherigen GOT war es für die Behandlung von Pferden möglich, auch den zwei- oder dreifachen Gebührensatz abzurechnen. In Abhängigkeit von dem Zeitaufwand der Behandlung, dem Wert des Tieres sowie weiteren Faktoren, ist eine Unterscheidung des Pferdes von anderen Nutztieren (z.B. Schweinen oder Rindern) und der damit einhergehende größere Spielraum des Tierarztes bei der Rechnungsstellung durchaus legitim.“
Zur Erhebung der Hausbesuchsgebühr führt er an, dass die Pferdepraxis üblicherweise als Fahrpraxis ausgelegt ist und ein Einbestellen der Pferde in der Praxis in der Regel nicht möglich oder vorgesehen ist. Die nach Lauterbachs fehlerhafte Auslegung der BTK führe unter anderem dazu, dass eine tierärztliche Behandlung auf einem Pferdebetrieb mit dem im Normalfall nicht vorgesehenen Hausbesuch eines Kleintierpraktikers gleichgesetzt wird und so für eine weitere Erhöhung der Tierarztkosten sorgen.
Unterdessen hat sich die BTK zu einer Klarstellung zu dem Thema Hausbesuch bei Pferden gezwungen gefühlt. Eine bekannte Reiterzeitschrift veröffentlichte, dass in der aktuellen Version mit dem Punkt GOT 40, dem Hausbesuch, ein Fehler passiert sei und vergessen wurde, Pferde bei den landwirtschaftlichen Nutztieren einzuschießen und dass dieser Punkt nachgebessert werden würde. Als Quelle die BTK.
Kein Fehler in der Gebührenordnung für Tierärzte
Dem Widerspricht die BTK und schreibt: Die Preise beruhen auf einer wissenschaftlichen Studie, die das BMEL in Auftrag gegeben hat, um die tierärztlichen Leistungen zu bewerten. Änderungen der GOT kann nur der Gesetzgeber vornehmen. Nach Auskunft des Federführenden Ministeriums (BMEL) sind derzeit keine Änderungen geplant. Bei Ziff. 40 handelt es sich zudem nicht um einen Fehler, sondern um eine Position, die seit dem Entwurf der Studie enthalten war, und die alle Stakeholder zuvor zur Stellungnahme erhalten hätten.
Die FN gehörte anscheinend nicht zu diesen Stakeholdern. Lauterbach gibt an, dass die FN in die Abstimmung der Entwürfe nicht involviert und keine Möglichkeit zur Einflussnahme hatte. Allerdings habe die FN inzwischen Gespräche mit der BTK geführt, und um Klarstellung bzw. Anpassung der GOT in den fraglichen Punkten gebeten. Auch mit dem BMEL würden Gespräche geführt.
In der Stellungnahme informiert die BTK auch über drei Ausnahmefälle, in denen die Hausbesuchsgebühr nicht berechnet werden muss:
- Stutenhaltung zur Milchgewinnung
- Pferdehaltung zur Fleischgewinnung, was aber nicht identisch sei mit der Eintragung als Lebensmittellieferndes-Tier im Equidenpass, sowie
- Zuchtstuten im landwirtschaftlichen Betrieb. Zu diesen Zuchtstuten gehört, wenn sie als Nutztier einzustufen sind, auch ihre Nachzucht für die Dauer des Verbleibes in der Landwirtschaft.
Das wirft weitere Fragen auf. Was ist mit dem Zuchthengst? Was ist mit der Zuchtstute, die nach dem Absetzen des Fohlens schnell mal den Leonhardi-Umzug mitgeht? Wer will das kontrollieren? Warum ist ausgerechnet der Wallach, der vom Landwirt ausschließlich zum Holzrücken eingesetzt wird, kein landwirtschaftliches Nutztier?
Basiswissen zur Pferdegesundheit aneignen
Bis es zu eventuell einer Klärung durch das BMEL oder eventuell auch vor Gerichten kommt, bleibt es den Pferdebesitzern vor allem dem Rat der FN zu folgen und nach Möglichkeit den Tierarzt innerhalb der Praxiszeiten zu kontaktieren. Die Aneignung eines guten Basiswissen zur Pferdegesundheit erachtet die FN als generell sinnvoll. Es würde im Ernstfall dabei helfen Bagatellverletzungen von dringenden Notfällen abzugrenzen. Auch die BTK hat noch einen Tipp parat, wie man die Hausbesuchspauschale bei Sammelterminen für jeden Einzelnen umgehen kann und schreibt: Eine Ausnahme wäre dann denkbar, wenn der Stallbesitzer einen Tierarzt beauftragt, alle Pferde in seinem Stall zu impfen und er auch die Gesamtrechnung begleicht.
Nutz- oder Haustier
Würde man eine Umfrage unter Pferdebesitzer machen und fragen, ob sie ihre Lieblinge als landwirtschaftliche Nutztiere sehen, würden die meisten wohl verneinen. Genauso würde aber die Antwort auf die Frage ausfallen, ob es Haustiere sind. Was sind sie dann? Weder noch.
Denn, egal wie verhätschelt und umsorgt sie von ihren Besitzern werden, Pferde leben nun mal nicht im Haus wie Fiffi, Lumpi, Hansi und Co. Sie werden in Ställen gehalten. Der Pauschale für den Hausbesuch im Reitstall haftet dadurch ein komischer Beigeschmack an, zumal sie bei Sammelterminen von jedem Pferdehalter erhoben werden muss. Da schalten Leute ihr Hirn ein, organisieren sich, damit der Tierarzt nicht fünfmal extra fahren muss und werden dafür mit jeweils über 40 Euro (brutto) bestraft. Wer dann – bevorzugt in den sozialen Medien – rausschnautz, „die Gäule dann halt aufzuladen und zum Tierarzt zu fahren, wenn man als reicher Pferdebesitzer schon so geizig ist“, sollte nochmal in Ruhe über das Gesagte nachdenken.
Deshalb gleiches Recht für alle. Für Großtiere wie Pferde, die ähnlich wie Rinder in Ställen gehalten werden, sollte keine Hausbesuchsgebühr anfallen. Will man an einer Pauschale unbedingt festhalten, sollte sie tunlichts umbenannt werden, und dann bitte mit Aufteilungsmöglichkeit bei Sammelterminen. Ansonsten wird es vor allem als eines verstanden – als Abzocke.