
Wochenblatt: Herr Bechteler, mit welchem Alter werden derzeit die meisten Kälber bei Ihnen an den Vermarktungsstandorten verkauft?
Bechteler: Das durchschnittliche Alter der Kälber beläuft sich momentan auf 36 Tage. 21 Prozent der Kälber werden unter 28 Tagen vermarktet.
Wochenblatt: Um welche Rassen handelt es sich und wo gehen dieses hin?
Bechteler: Wir vermarkten hauptsächlich die Rassen Braunvieh, Weißblaue Belgier x Braunvieh, Fleckvieh, Holstein und noch einige weitere Gebrauchskreuzungen. Unsere Hauptkunden sind die Mäster im Norden Deutschlands. Dorthin gehen etwa 80 Prozent der Mastkälber aus dem Allgäu.
Wochenblatt: Was kommt jetzt mit der Änderung des Tierschutz ab 2023 konkret auf Sie zu?
Bechteler: Die Vermarktungsgewichte der angebotenen Tiere werden deutlich ansteigen. Wir erwarten derzeit, dass sich die Preise dazu linear anpassen.
Wochenblatt: Vor welche Herausforderungen stellt das Vermarktungsorganisationen, wie die Ihre?
Bechteler: Wir haben mit unserem neuen Vermarktungszentrum in Unterthingau bereits eine schlagkräftige Infrastruktur geschaffen und gehen aktuell davon aus, dass wir die schwereren Kälber im standardisierten Ablauf mit vermarkten können. Logistisch sehe ich bislang kein größeres Problem auf uns zukommen, da wir die Weichen eigentlich schon gestellt haben.
Wochenblatt: Wie beurteilen Sie die neue verschärfte Vorschrift aus Sicht des Tierwohls beziehungsweise der Tiergesundheit?
Bechteler: Das Alter der Kälber sagt nichts über ihren Gesundheitsstatus aus. Entscheidend ist, dass die Tiere vital sind. Dies gilt auch vor der Änderung durch das Tierschutzgesetz und wurde zum Großteil abgedeckt. Kranke Tiere dürfen schlichtweg nicht transportiert werden.
Wochenblatt: Welche Probleme sehen Sie auf die Bauern zukommen, wenn sie diese Tiere länger am Betrieb halten müssen?
Bechteler: Größere Betriebe stellt dies wiederum vor neue Herausforderungen. Es muss zusätzliche Infrastruktur und Arbeitskraft aufgebracht werden. Die Kosten der Gesetzesänderung werden weitgehend den Landwirten aufgebürdet.
Wochenblatt: Welchen Einfluss hat das auf die Wertschöpfung und den Marktstandort Bayern – auch im internationalen Vergleich?
Bechteler: Langfristige Vermarktungstrends sind im europäischen Kontext schwer berechenbar. Das sehen wir aktuell im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg. Es ist allerdings absehbar, dass den bayerischen Landwirten durch den Gewichtsanstieg bei den Kälbern ebenfalls die Erlöse auf niedrigem Niveau zugerechnet werden können. Die Margen sind und bleiben wohl äußerst gering.
Wochenblatt: Machen Sie sich Gedanken über das „Produkt“ Braunvieh- bzw. Holsteinkalb und wie sehen Sie dessen Zukunft?
Bechteler: Die Kostenbelastung auf dem Kalb macht die Situation für die landwirtschaftlichen Betriebe nicht einfacher. Inwieweit bestehende Strukturen der Mastbetriebe mittelfristig angepasst werden, ist derzeit nicht zu erkennen. Gerade das Braunviehkalb ist eine Aufgabe für Spezialisten.
Bei Holstein bleibt voraussichtlich der niedrige Kopfpreis für die Tiere bestehen. Eine Umstellung auf Kilogramm-Preise zeigt die Marktentwicklung nicht. Mäster, die ihre Fütterung und die Umwelt der Mastbullen im Griff haben, schreiben laut betriebswirtschaftlicher Auswertung der Landwirtschaftskammer Niedersachsen höhere Deckungsbeiträge als bei der Mast mit teureren fleischbetonten Rassen.
Für alle Rassen gilt auch in Zukunft, dass schlecht aufgezogene oder schlecht entwickelte Kälber mit groben Fehlern gar nicht, bestenfalls nur mit deutlichen Abschlägen zu vermarkten sind. Das ist aber heute schon Realität.