
Der Landesverband Bayerischer Rinderzüchter (LBR) konnte nach längerer Corona-Pause wieder einer Mitgliederversammlung zumindest in Teilpräsenz abhalten. Zahlreiche Verbandsvertreter kamen im Haus der Bayerischen Landwirtschaft in Herrsching zusammen. Dabei legte der Geschäftsführer Hans Ertl seinen Bericht vor. Unter anderem ein Rechtsstreit im Falle der Kälbertransporte nach Spanien habe deutlich zu Buche geschlagen. Auch wenn das Verfahren nicht erfolgreich war, so möchte man sich doch weiter dafür einsetzen, dass Kälbertransporte im Rahmen des geltenden Rechts durchgeführt werden können, wie Ertl klarmachte.
Neue Rechtslage verschärft die Situation
Zum 1. 1. 2023 dürfen Kälber im Alter von weniger als 28 Tagen nicht mehr befördert werden. Besonders die Milchviehrassen sind von dieser neuen Rechtslage betroffen. Auf politischer Ebene drängte man zwar zuletzt auf einen generellen Verzicht dieser Kälbertransporte, doch die Folgen für die Praxis sind bislang nicht abzuschätzen. „Aus süddeutscher Perspektive ist uns natürlich vor allem der Transport von Kälbern nach Norddeutschland wichtig. Dieser muss auch weiterhin sichergestellt sein“, fordert Ertl.
Mit dem bayerischen Landwirtschaftsministerium und den politischen Vertretern habe man intensive Gespräche über den Ausstieg aus dem Export von Zuchtrindern in bestimmte Drittländer geführt, konnte aber letztlich bei einer generellen Verzichtserklärung nicht mitgehen“, wie Ertl erklärte.
Suche nach Lösung bei Zuchtviehtransporten
„Wir wollen die Gespräche jedoch weiterführen, aber nicht unter dem Motto Verzicht auf Transporte, sondern mit der Zielsetzung Alternativen zu schaffen und zu fördern. Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung ist das nun von höchster Brisanz“, so der LBR-Geschäftsführer. Denn die Wege nach Osten seien aufgrund des Ukrainekriegs vollkommen abgebrochen. „Der Plan B wird immer wichtiger“, betonte Ertl.
Dabei habe es schon zuletzt Verschiebungen bei den Transporten bzw. ihren Zielen gegeben. „2021 war ein knapp durchschnittliches Jahr bei den Zuchtviehexporten. Aber diese fanden ohnehin fast nur noch innerhalb der EU statt. Die Exporte in Drittstaaten haben aufgrund der aktuellen Diskussionen und behördlichen Auflagen ohnehin eine eher marginale Marke erreicht.“
Tierschutzsituation neutral beurteilen
Von bayerischer Seite wolle man die Exportsituation wissenschaftlich begleiten, dokumentieren und von „unabhängigen Fachleuten in Sachen Tierschutz bewerten“, wie Ertl in Aussicht stellt. Doch der Ukrainekrieg sei auch hier dazwischengekommen, wahrscheinlich auf längere Sicht, und so müsse man nun erst prüfen, ob eine „Richtungsänderung nach Süden“ Sinn mache, d. h. beispielsweise ein bis zwei Exporte nach Nordafrika genauer in den Fokus genommen werden, so der Geschäftsführer zu den Vorhaben.
Der Bundesverband Rind und Schwein (BRS) beschäftigt sich indes mit der technischen Umsetzung der Transportdokumentation, wobei er auf eine Selbstverpflichtung der Verbände gegenüber dem BRS baut, wie Norbert Wirtz, beim BRS mit dem Thema Transporte betraut, in seinen Ausführungen schilderte. Dabei ging er auch auf die politische Lobbyarbeit ein und machte deutlich: „Was wir wollen, ist eine Branchenlösung und kein Flickenteppich, um das Tierwohl langfristig sicherzustellen.“
Regionale Wertschöpfung für Kalbfleisch aufbauen
Zudem sieht Ertl auch für „ein Anschieben bei den regionalen Wertschöpfungsketten“ einen guten Zeitpunkt gekommen. Die Kälbermast müsse in Bayern wieder installiert werden. Bislang fehle diese Nische hierzulande nahezu komplett. „Wir denken, die Zeit ist reif dafür, einen Markt für bayerisches Kalbfleisch aufzubauen“, betonte er. Gemeinsam mit dem BBV und weiteren Partnern sowie mit Unterstützung des bayerischen Landwirtschaftsministeriums wolle man Vorschläge und Konzepte entwickeln und suche auch Projektbetriebe, mit denen man ein bis zwei Durchgänge in der Kalbfleischproduktion testen könne.
Auch Referatsleiter Dr. Georg Beck vom StMELF griff in seinen Ausführungen zunächst das besorgniserregende Geschehen in Osteuropa auf. „Der Krieg in der Ukraine beschäftigt uns stark“, betonte er. Abgesehen von dem Leid für die betroffenen Menschen, das zweifelsfrei im Vordergrund stehe, habe dieser blutige Konflikt auch immense Auswirkungen auf die Landwirtschaft. Die Abhängigkeit auf dem Energiesektor sei für alle Bereiche erdrückend. Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber hätte nicht zuletzt deshalb nochmals deutlich ihre Forderungen nach Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln in Deutschland und der EU bekräftigt. Hier müsse man die heimische Produktion noch mehr in den Fokus rücken und die Anhängigkeit von anderen Ländern deutlich reduzieren.
Die Kombihaltung ist eine Lösung, kein Übergang
Große Sorge mache der Ministerin, dass bislang im Koalitionsvertrag der neuen Regierung in Sachen Rinderhaltung nicht zwischen ganzjähriger Anbindung und der für Bayern so wichtigen Kombinationshaltung unterschieden werde, fuhr Beck fort. Man setze von bayerischer Seite weiterhin auf eine klare Positionierung zur Kombihaltung. „Unsere Ministerin sieht die Kombihaltung als Lösung für die Betriebe, bekennt sich ganz klar dazu und setzt sich nachdrücklich für diese Art der Haltung ein“, so Beck. Er präsentierte die aktuellen Zahlen, nach denen es derzeit noch gut 13 000 Anbindehaltungsbetriebe in Bayern gibt. „Wir gehen davon aus, dass 3000 Kombihaltung haben, die Restlichen ganzjährige Anbindehaltung. Der Druck auf sie ist enorm. Aber wir wollen keinen Strukturbruch. Wir müssen die Kirche im Dorf lassen, denn es trifft eh wieder die kleineren Betriebe“, mahnte Beck. Das könne nicht im Interesse des Freistaats sein.
Beck verwies zudem auf die Tierschutz-Nutztierhaltungs-VO, die mit einer Übergangsfrist bis Februar 2024 für die Kälberhaltung einen „weichen oder elastisch verformbaren Liegebereich“ vorschreibt. Und als „Kälber“ werden alle Hausrinder im Alter bis zu sechs Monaten eingestuft. Das sei vielen nicht bewusst. „Die Zeit läuft und es besteht bereits jetzt Handlungsbedarf auf den Betrieben. Wenn alle erst im Dezember 2023 kommen und Verbesserungen auf ihren Betrieben durchführen wollen, wird's eng“, mahnt Beck, der darauf hinwies, dass derzeit auch eine Leitlinie für Rindermast/Mutterkuhaltung erarbeitet werde.