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Sommersaison

Hitzestress: Kuh und Kalb brauchen Schutz

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Dr. Ingrid Lorenz, Dr. Stephanie Geischeder, Tiergesundheitsdienst Bayern
am Dienstag, 29.03.2022 - 16:20

Die Wahl zum Titelbild des Jahres gewann ein Foto zum Hitzestress im Stall. Wer gegen zu hohe Temperaturen im Stall vorsorgen will, sollte jetzt bereits loslegen.

Kälberiglus-Beschattung_MR

Dass Milchkühe stark unter Hitzestress leiden, ist in den letzten, von heißen Sommern geprägten Jahren sicher den meisten Milchviehhaltern klar geworden. Für Kühe beginnt Hitzestress bereits bei ca. 20 °C und 70 % Luftfeuchtigkeit. In der Folge zeigt sich eine Abnahme der Milchinhaltstoffe, gefolgt von einem Rückgang der Milchleistung und einer einhergehenden Erhöhung der Zellzahl. Auch die Fruchtbarkeit der Tiere macht bei hohen Temperaturen Probleme, und weil die Kühe bei Hitze mehr stehen, um besser Wärme abgeben zu können, kommt es mit ein paar Wochen Verzögerung oft auch noch zu vermehrten Klauenproblemen im Bestand.

Bei den laktierenden Kühen gibt es also leicht und rasch erkennbare wirtschaftliche Einbußen, die einen großen Anreiz bieten, Maßnahmen gegen den Hitzestress im Kuhstall zu ergreifen. Etwas weniger eindeutig ist die Situation im Bereich der Trockensteher und der Kälber. Aber auch wenn man es nicht gleich immer so deutlich sieht, sind die Auswirkungen bei diesen Tieren, die keine direkte Leistung erbringen, nicht weniger gravierend.

Kuh-Kalb-Geburt_MR

Wie auch bei den laktierenden Kühen, sinkt bei den Trockenstehern unter Hitzeeinwirkung die Futteraufnahme. Das kann schlimmstenfalls bereits in der Trächtigkeit zu Stoffwechselstörungen führen, hat aber auch einen Einfluss auf das ungeborenen Kalb. So ist die Funktion der Gebärmutter und damit die Nährstoffversorgung des Kalbes eingeschränkt. Kälber von hitzegestressten Müttern werden daher früher und mit geringerem Gewicht geboren. Auch die Ausbildung des Immunsystems des Kalbes wird beeinträchtigt und die Aufnahme der Immunglobuline aus dem Kolostrum ist schlechter als bei Kälbern von Kühen, die keinem Hitzestress ausgesetzt waren.

Fatale Folgen für das ungeborene Kalb

Die zuvor geschilderten Auswirkungen führen schließlich dazu, dass Kälber von Kühen, die Hitzestress ausgesetzt waren, ein höheres Krankheitsrisiko aufweisen und die Tiere den Bestand häufiger bereits vor der ersten Kalbung verlassen. Kommen sie schon selbst zum Abkalben, so geben sie mindestens in den ersten beiden Laktationen in der Regel weniger Milch.

Aber auch bei den Trockenstehern selbst führt die Hitze zu einer geringeren Anbildung des Euters und dadurch zum einen zu einer schlechteren Biestmilchqualität, zum anderen zu einer verringerten Milchleistung in der folgenden Laktation. Es gibt also viele gute Gründe, den Trockenstehern in der Sommerhitze Erleichterung zu verschaffen. Auch wenn diese Maßnahmen nicht unmittelbar im Milchtank zu sehen sind.

Nach der Geburt suchen Kälber ab einer Temperatur von etwa 20 °C einen schattigen Platz auf, wenn sie die Wahl haben. Steigen die Temperaturen weiter, verbrauchen sie mehr und mehr zusätzliche Energie, um eine Überhitzung zu vermeiden. Durch Schwitzen und beschleunigte Atmung bis zum regelrechten Hecheln geht außerdem zusätzlich Flüssigkeit verloren, was zur Austrocknung führen kann.

Bei Hitzestress sinkt Futteraufnahme

Ventilator-Alternative_MR

Im Gegensatz zum erhöhten Energiebedarf bei Kälte kann dieser bei Hitze nicht über die Fütterung ausgeglichen werden, da auch hitzegestresste Kälber, genau wie Kühe, weniger Nahrung aufnehmen. Es kommt daher durch Energiemangel zu einer Beeinträchtigung des Immunsystems mit höherer Krankheitsanfälligkeit, zu verzögertem Wachstum und dadurch zu einem höheren Erstkalbealter.

Werden Kälber in Iglus gehalten, ist die wichtigste Maßnahme, dafür zu sorgen, dass diese vor allem mittags und nachmittags vor direkter Sonneneinstrahlung geschützt sind. Ist dies nicht durch natürlichen Schatten möglich, hilft eine temporäre (Sonnensegel) oder permanente Überdachung. Es sollte aber auch die Luftzirkulation um die Iglus ungestört möglich sein, sodass die Platzierung der Iglus im Schatten von Gebäuden nicht unbedingt eine optimale Lösung ist.

Frisches Futter und Wasser besonders wichtig

Wenn Iglus zusätzliche Öffnungen haben, müssen diese natürlich geöffnet werden. Zudem kann man die Luftzirkulation durch „Aufbocken“, zum Beispiel auf Backsteinen, verbessern. Sind die Kälber im Stall untergebracht, sollten Maßnahmen analog zu denen im Kuhstall ergriffen werden, ohne dass die Kälber einem direkten Zug ausgesetzt werden. Natürlich ist es bei hohen Temperaturen noch wichtiger als sonst, dass den Kälbern von Geburt an immer sauberes und qualitativ einwandfreies Trinkwasser zur freien Aufnahme zur Verfügung steht.

Möglichkeiten zur Minderung von Hitzestress bei den Kühen können in verschiedenen Bereichen ansetzen:

  • dem Management,
  • der Züchtung,
  • beim Stallbau und
  • dem Einsatz technischer Kühlmöglichkeiten.
Wasser-Tränke-Milchvieh_MR

Auf Seiten des Managements spielt vor allem die Fütterung eine zentrale Rolle. Dabei sollte an warmen Tagen die Grundfuttervorlage mindestens zweimal täglich oder abends in frisch gemischtem Zustand erfolgen. Es empfiehlt sich der Einsatz einer hochqualitativen, schmackhaften Rohfaserquelle um einer einseitigen Kraftfutteraufnahme entgegenzuwirken. Zudem kann ein Einsatz pansengeschützter Fette oder von Lebendhefen hilfreich sein. Außerdem sollte der erhöhte Mineralstoffbedarf berücksichtigt werden.

Neben der Fütterung ist vor allem die Versorgung mit sauberem Trinkwasser in ausreichender Menge entscheidend, da die Tiere an heißen Tagen bis zu 150 l Wasser aufnehmen müssen. Hier kann es hilfreich sein, zusätzliche Tränken zu schaffen.

Saisonale Besamungs- und Abkalbezeiten

Eine weitere Möglichkeit des Herdenmanagements wäre die Einhaltung einer gezielten Abkalbe- und Besamungspause während der heißen Jahreszeit von Mai bis August, was sich aufgrund der kontinuierlichen Milchlieferung an die Molkereien jedoch nicht oder nur in Einzelfällen realisieren lässt.
Hinsichtlich der Tierzüchtung ist eine Selektion auf Hitzestresstoleranz anzustreben. Jedoch geht diese einher mit einer geringeren Produktivität und ist daher ebenfalls nur begrenzt praxistauglich.
Um das Entstehen einer Hitzestresssituation zu vermeiden oder hinauszuzögern, sollten aus stallbaulicher Sicht, am besten bereits vor Bewirtschaftung eines Stalles, alle baulichen Maßnahmen veranlasst werden, die den natürlichen Luftwechsel steigern und den Wärmeeintrag in den Stall vermindern (siehe Seite 26). Neben einer optimalen, natürlichen Querlüftung, bei der der Stall ungehindert von anderen Bauwerken oder temporären Barrieren, wie Siloschläuchen, angeströmt werden kann, sollte auf lichtdurchlässige Platten im Dachbereich verzichtet werden, um ein zusätzliches Aufheizen des Stallbereiches zu vermeiden. Ebenso sollten die Liegeflächen nicht direkt von der Sonne bestrahlt werden. Des Weiteren sind ein breiter Dachüberstand zur Beschattung der Außenwände sowie eine schattenspende Bepflanzung auf der Stallsüdseite empfehlenswert.

Luftfeuchtigkeit und Wasserversorgung

Jedoch zeigt sich in der Praxis, dass gerade bei heißem Wetter die natürlichen Kühlmethoden oft nicht ausreichend sind, um die gewünschten Bedingungen im Stall zu erreichen. Daher sind weitere technische Kühlmöglichkeiten erforderlich, um die Hitzestressbelastung von Rindern zu reduzieren.
Zusätzlich ist zu beachten, dass die Kühe an warmen Tagen bis zu 35 Liter Flüssigkeit pro Tier und Tag an die Umgebung abgeben, die aus dem Stall befördert werden müssen, um die Hitzestresssituation aufgrund hoher Temperaturen nicht zusätzlich durch hohe Luftfeuchteraten zu verschärfen.
Durch eine Erhöhung der Luftgeschwindigkeit mithilfe von Ventilatoren, kann ein Kühleffekt für die Tiere, sowie eine Reduzierung der Luftfeuchte und der Schadstoffbelastung erzielt werden. Es empfiehlt sich dabei eine Luftgeschwindigkeit von 2,5 m/s um eine hohe Kühlwirkung für die Tiere zu erreichen.

Verschiedene technische Kühlmöglichkeiten

Generell kann dabei gesagt werden, dass Rinder gegenüber hohen Luftgeschwindigkeiten weniger empfindlich sind als andere Nutztiere oder der Mensch und sie bei hohen Lufttemperaturen Luftgeschwindigkeiten von bis zu 5 m/s gut vertragen und auch benötigen, um Hitzestress entgegenzuwirken. Wichtig beim Einsatz einer Zusatzlüftung ist, dass die natürlichen Strömungsfelder im Stall bekannt sind, um gezielt Bereiche mit unzureichender Belüftung zu unterstützen.
Eine weitere technische Kühlmöglichkeit ist der Einsatz von Sprinkler- oder Vernebelungsanlagen. Sie basieren auf der Verdunstungskühlung von mechanisch zugeführtem Wasser. Die beiden Systeme können durch einen zusätzlichen Einsatz von Ventilatoren in ihrer Effizienz gesteigert werden. Der Nachteil beim Einsatz von Wasser zur Verdunstungskühlung liegt in der Erhöhung der relativen Luftfeuchte der Umgebung, sodass die Gefahr einer Verschärfung der Hitzestresssituation eintreten kann. Daneben steigen bei einer zu hohen Luftfeuchtigkeit im Stall die Emissionen und es kann zu Schimmelpilz- und Keimbildung kommen, wodurch die Gesundheit von Mensch und Tier beeinträchtigt wird und Schäden an der Bausubstanz des Stalles hervorgerufen werden können.

Auch kühl liegen, hilft den Kühen

Auch die Gestaltung der Liegefläche spielt eine große Rolle im Zusammenhang mit Hitzestress, da die Tiere hier über direkten Kontakt mit dem Untergrund Wärme abgeben können und somit die Liegezeiten erhöht werden können. Daher sollte bei der Gestaltung der Liegefläche sichergestellt werden, dass im Sommer eine ausreichende Wärmeableitung gegeben ist, um den Tieren ausreichende Liegezeiten von mindestens zwölf Stunden pro Tag zu ermöglichen.