
Das Wochenblatt sprach mit Tierarzt Ralf Bischoff, der zur Gabe eines Entzündungshemmers rät, auch um Antibiotika einzusparen.
Wochenblatt: Herr Bischoff, was macht die Mastitis-Metritis-Agalaktie (MMA) so bedeutsam?
Bischoff: Bei einer akuten MMA ist das Gesäuge hart, die Milchleistung geht zurück, die Sau hat über 40 °C Fieber und frisst nicht. Dieser Zustand ist lebensbedrohlich für die Ferkel, da die Sau deutlich weniger Milch gibt und die Ferkel aufgrund des schmerzhaften Gesäuges nicht mehr trinken lässt.
Wochenblatt: Wie häufig sehen Sie MMA in ihren Betrieben?
Bischoff: Ich schätze, dass etwa 75 bis 80 % der Betriebe mit MMA zu tun haben. Sie versuchen das Problem über die Fütterung in den Griff zu bekommen, machen viel gegen die Darmträgheit. Heute sind 70 % der MMA-Fälle subklinisch und 30 % klinisch, das war früher mal anders. Ich beobachte jetzt bei der Gruppenhaltung, dass die Sauen viel Bewegung während der Trächtigkeit haben, dann aber eine Woche vor der Abferkelung in den Kastenstand gebracht werden. Dort fehlt es an Bewegung und der Darm wird träge. Das fördert MMA.
Wochenblatt: Warum setzen Sie Entzündungshemmer, sogenannte NSAIDs, bei den Sauen rund um die Geburt ein?
Bischoff: Wir nutzen den Entzündungshemmer Meloxicam eigentlich seit es die Injektionsware gibt. Er wirkt gut und hat eine gute Depotwirkung: Eine Injektion reicht für 48 Stunden. Die Gabe eines Entzündungshemmers in Kombination mit einem Antibiotikum ist bei der akuten MMA die Therapie der Wahl.
Wochenblatt: Nur wenige Sauen zeigen die klassischen klinischen Symptome einer MMA. Was machen Sie bei einer subklinischen Verlaufsform?
Bischoff: Wenn wir die subklinische MMA früh erkennen und gleich mit einem Entzündungshemmer behandeln, dann ist das Antibiotikum in den meisten Fällen gar nicht mehr nötig. Die Ferkel leiden nicht, die Sau fühlt sich besser. Bei den heutigen Hybridsauen zeigt sich die subklinische MMA häufig gar nicht. Sie fressen weiter, als ob nichts wäre. Deshalb haben wir uns angewöhnt, zwölf Stunden nach der Geburt oder bei den ersten beiden Mahlzeiten die Körpertemperatur zu messen und das Gesäuge auf Hitze und Verhärtungen zu prüfen. Würden wir nichts tun, dann würde spätestens ab dem dritten Tag die Milch weggehen und das Gesäuge hart werden. Die Ferkel bekämen Durchfall. In der Folge müssten wir Sau und Ferkeln Antibiotika geben. Deshalb geben wir hier lieber im Vorfeld den Entzündungshemmer.
Wochenblatt: Woran machen Sie die positive Wirkung von NSAIDs bei den Sauen fest?
Bischoff: Sauen mit akuter MMA sind schnell wieder fit und die Ferkel bekommen keinen Durchfall. Das funktioniert auch ohne Antibiotikum. Die Milchleistung bleibt erhalten. Bei der subklinischen MMA verschlimmert sich der Zustand mit der Gabe eines Entzündungshemmers nicht weiter.
Wochenblatt: Können Sie aus Betrieben praktische Beispiele nennen zur Wirkung von NSAIDs?
Bischoff: Ich betreue einen Betrieb, bei dem ferkeln wöchentlich knapp 120 Sauen ab. Da nutzen wir eine Mutterschutzimpfung gegen Saugferkeldurchfall. Wenn dort die Sauen eine subklinische MMA entwickeln und die Ferkel schon zu wenig Kolostrum bekommen, dann kann auch die Mutterschutzimpfung nicht wirken, denn diese hat ja zum Ziel, das Kolostrum mit Antikörpern anzureichern. Mit einem NSAID nehmen die Ferkel mehr Kolostrum auf und die Mutterschutzimpfung kann richtig wirken. Wir sehen den Effekt an den Absetzgewichten: Diese waren mit 5,4 kg immer zu wenig, doch seitdem wir den Entzündungshemmer einsetzen, liegen die Gewichte bei knapp 6 kg.
Wochenblatt: Ergeben sich aus dem Einsatz auch bessere Produktionsleistungen?
Bischoff: Ja, die Absetzgewichte sind höher, wir haben weniger Saugferkelverluste und der Start in die Ferkelaufzucht durch einen stabileren Darm ist besser.
Wochenblatt: Worin sehen Sie oder die Landwirte die Vorteile von oralen NSAID-Gaben gegenüber der Injektion?
Bischoff: Die orale Verabreichung bringt Ruhe in den Sauenstall. Wir haben einen besseren Umgang mit den Tieren, müssen nicht schon wieder mit einer Spritze kommen. Das bedeutet mehr Hygiene und weniger Stress für die Sauen und damit mehr Tierwohl. Außerdem schmeckt es den Sauen. Bei der subklinischen MMA reicht die orale Gabe auch völlig aus.
Wochenblatt: Was ist für Sie das wesentliche Argument, einen oralen Entzündungshemmer einzusetzen?
Bischoff: Alle Betriebe wollen gut mit ihren Tieren umgehen. Da ist alles positiv, was den Sauen gut tut und sie nicht stresst. Ein fitter Organismus kann sich ein Stück weit auch selber helfen, dann sind nicht immer gleich Antibiotika nötig. Oder wir können die „alten“ Antibiotika nutzen, die ohne Entzündungshemmer nicht mehr wirken würden. Damit haben wir schon viel gewonnen.