In einem Stroh-System mit drei getrennten Funktionsbereichen (Liegen, Fressen, Koten) werden alle Tiere am Betrieb der Schweizer Familie Ruckli gehalten. Bis auf den Abferkelbereich stehen allen Tieren zudem nicht überdachte Ausläufe zur Verfügung. Die trächtigen Sauen werden in einer Großgruppe (70 bis 80 Tiere) gehalten. Zur Abferkelung kommen sie in den Abferkelstall mit freien Abferkelbuchten von sieben Quadratmeter Größe und einem beheizten Ferkelnest.
Gruppensäugen mit zwei bis vier Sauen
Dafür, dass auf dem Betrieb immer wieder neue Erkenntnisse aus der Wissenschaft in die Praxis umgesetzt werden, stehen die Geschwister Antonia und Gabriel Ruckli.
Antonia Ruckli, die derzeit an der Universität für Bodenkultur in Wien zu einem Projekt über nachhaltige Schweinehaltung promoviert, hatte sich im Rahmen ihrer Masterarbeit intensiv mit dem Thema „Gruppensäugen mit Laktationsrausche“ befasst. Gabriel Ruckli, der an der HAFL Zollikofen Agronomie studierte, hatte sich intensiv mit der Fütterung einer Total-Misch-Ration (TMR) an trächtige Zuchtsauen auseinandergesetzt.
„Unser Ziel war ein Gruppensäugesystem, das die Laktationsrausche indiziert“, berichtet Antonia Ruckli. Um herauszufinden, ob es auch in der Praxis funktioniert, startete man 2017 erste Versuche in einer einfachen Bucht, mit einem großen Liegebereich und Ferkelnest. „Wir starteten nach der vierten Woche Säugezeit, Sauen und Ferkel sieben Tage lang täglich zehn bis zwölf Stunden zu lösen.“ Diese Testphase habe gezeigt, dass es mit der Laktationsrausche klappt und es wenig Schwierigkeiten bereitet, Sauen und Ferkel am Morgen zu trennen. Was weniger gut funktionierte war die Tatsache, dass die Buchten zu klein waren, um die Funktionsbereiche optimal zu trennen und der Auslauf fehlte.
2018 folgte der zweite Versuch mit größeren Buchten (65 qm), um die Funktionsbereiche besser trennen zu können, größeren Ferkelnestern und einem eigenen Auslauf (10 qm). Ergebnis dieses Versuchs: Es funktioniert auch in größerem Stil. „Allerdings“, resümiert Ruckli, „haben wir gelernt, dass diese Buchten und auch die Gruppen von sechs bis acht Sauen mit Ferkeln zu groß waren.“
Im Oktober 2019 stieg man dann in die intensiven Planungen für die optimale Lösung ein und bereits im Frühjahr 2020 konnte das neue Gruppensäugesystem in Betrieb genommen werden. Es besteht aus sechs einheitlichen Buchten mit je drei bis vier Muttersauen und ihren Würfen. Jede Bucht besteht aus einer Innenfläche (24,7 qm), einem Ferkelnest (3,6 qm) und einem nicht überdachten Auslauf (8,3 qm. Gefüttert wird ad libitum durch zwei Futterautomaten, einen für die Sauen und einen für die Ferkel.
Morgens geht’s direkt von den Ferkeln zum Eber
Zwei bis vier laktierende Sauen teilen sich eine Bucht, wobei darauf geachtet wird, dass die Ferkel in etwa gleich groß sind. Besonders starke Ferkel werden vorzeitig abgesetzt. Da die Sauen aneinander gewöhnt sind, treten beim Wechsel vom Gruppensäugestall in den Galtsauenstall kaum Konflikte auf. Auch weil es genügend Platz und Ausweichmöglichkeiten gibt, zu denen die angrenzende Weide gehört, auf der die Sauen toben, grasen und suhlen können.
Vom Ergebnis ist die Junglandwirtin begeistert: „Es funktioniert hervorragend.“ Die Sauen werden wie gewohnt eine Woche vor dem Abferkeln in den Abferkelstall eingestallt. Nach drei Wochen Säugezeit in den Einzelbuchten erfolgt die Umstallung von drei bis vier Muttersauen mit ihren Würfen in den neuen Gruppensäugestall. Wenn die Ferkel vier Wochen alt sind, beginnt das „Intermittent Suckling“. Das bedeutet, dass die Sauen jeden Tag um 6 Uhr morgens aus den Gruppensäugeställen in den Auslauf des Deckzentrums getrieben werden, wo sie auf den Eber treffen, der die Sauen stimuliert.
Nach einer Stunde mit dem Eber werden die Sauen für die nächsten elf Stunden in das Deckzentrum gebracht und erst zwischen 17 und 18 Uhr abends wieder zurück zu den Ferkeln gebracht. Meist kommen die Sauen nach fünf bis sieben Tagen in Rausche und können im Auslauf entweder durch künstliche Besamung oder durch den Eber besamt werden. Sauen, die belegt wurden, bleiben dann wieder den ganzen Tag im Gruppensäugestall. Ganz abgesetzt werden die Ferkel in einem Alter von sieben bis acht Wochen. Die trächtigen Sauen kommen zurück in die Großgruppe und die Ferkel in den Ferkelaufzuchtstall.
Ruckli sieht vor allem die Vorteile durch Gruppenhaltung und verlängerte Säugedauer: „Zurück zur Natur, denn dort laufen Ferkel 16 bis 18 Wochen mit der Muttersau und werden langsam entwöhnt.“ In der konventionellen landwirtschaftlichen Praxis sind dies meist nur drei bis vier, in der biologischen Haltung sechs Wochen Säugezeit (Schweiz).
Das abrupte Absetzen erzeuge zudem Stress. Nicht selten komme es zu Wachstumseinbußen, Absetzdurchfall oder Ödemkrankheit. Ruckli ist davon überzeugt, dass die Ferkel mit ihrem System besser lernen zu fressen, „weil sie länger bei den Müttern sind und deren Fressverhalten kopieren“. Sie gewöhnen sich an die Futteraufnahme, sodass der Umstieg fast problemlos ist und sie die immunologisch kritische Phase gut überstehen.
Deckzentrum soll Wohlfühloase werden
„Wir sind sehr zufrieden und möchten nicht mehr zurück. Aber es braucht definitiv ein Umdenken und ein Lösen von den gewohnten Abläufen“, fasst Ruckli zusammen. Als nächsten Schritt möchten die Geschwister „das Deckzentrum in eine Wohlfühloase umbauen, damit sich die Sauen erholen können, wenn sie von den Ferkeln weg sind. Und wir denken an einen weiteren Gruppensäugestall, in dem sich die Sauen selber absondern können.“ Die engagierte Landwirtin hat nämlich beobachtet, dass die Sauen, wenn die Phase der Trennung vorbei ist, trotzdem am Morgen am Türchen stehen, um hinausgelassen zu werden. „Sie sind sichtlich enttäuscht, dass sie nicht mehr weg können.“ Dadurch hätte man dann auch die Möglichkeit, die Säugedauer auf mehr als acht Wochen zu erweitern, hin zu einer „muttergebundenen Ferkelaufzucht“.
Eine weitere Neuerung ist seit 2019 die Fütterung der trächtigen Sauen mit einer TMR. Auch hier erinnert man sich des natürlichen Verhaltens der Sauen, die etwa sieben Stunden pro Tag mit Futtersuche verbringen und dabei viel Gras fressen.
Früher wurden die Sauen am Betrieb über eine elektronische Abruffütterungsstation gefüttert, dazu gab es täglich eine große Portion Silage oder Gras. Doch Gabriel Ruckli suchte nach Alternativen. Hauptziel war eine art- und bedarfsgerechte Fütterung, weshalb die Idee entstand, die Sauen mittels einer TMR zu füttern, wie man das von Milchkühen kennt. Raufen mit einer Gesamtlänge von 32 m an drei Orten im Auslauf wurden angebracht, was 40 bis 50 cm pro Sau entspricht. Die Ration enthält in Trockenmasse 50 % Raufutter und 50 % Kraftfutter. Das Kraftfutter wird auf dem Betrieb selbst gemahlen und gemischt.
Täglich frische TMR für die Sauen

Jeden Morgen wird um 6.30 Uhr eine frische TMR gemischt mit einem Gehalt von 10,2 verdaulichem Rohprotein pro MJ VES und 11,5 MJ pro kg TMR. Im Sommer wird mittels eines Mähladewagens täglich frisches Gras vom Feld geholt, im Winter wird der Grasanteil durch Silage ersetzt. Ein Siloballen (450 – 500 kg) reicht meist für drei bis vier Tage. Das Raufutter wird mit Heu ergänzt, damit die Ration etwas mehr Struktur erhält. Das Verteilen der TMR in die Futterraufen erfolgt mit dem Hoflader. Neben den trächtigen Sauen bekommen auch die laktierenden Sauen im Abferkelstall eine Ration auf den Boden. So wird das natürliche Fressverhalten befriedigt und die Ferkel lernen es.
In der Bewirtschaftung konnte der Betrieb durch den Anbau der mehrjährigen Wiesen die Fruchtfolge optimieren und das Futter kostengünstiger herstellen, weil ein beträchtlicher Anteil des Proteins durch die hofeigene Klee-Gras-Mischung ersetzt werden kann. Allerdings muss das Grünland eine optimale Zusammensetzung aufweisen: 50 – 70 % Gräser und 30 – 50 % Klee mit einem hohen Anteil an Leguminosen.
Schweineproduktion in der Schweiz
In der Schweiz sind Gruppenhaltung tragender Sauen, freies Abferkeln und Kastration nur mit Betäubung für alle Betriebe vorgeschrieben. Bei der freien Abferkelung ist neben einer optimal gestalteten Abferkelbucht auch das Verhalten der Sauen wichtig, denn seit 2007 sind Ferkelschutzkörbe verboten. Deswegen werden umgängliche Sauen benötigt, die sich selten aggressiv gegenüber dem Betreuer oder ihren Ferkeln verhalten. Die Schweizer Edelschweinsauen gelten als ausgeglichene Sauen und sind deshalb für die freie Abferkelung besonders geeignet.
Dazu trägt die Zucht bei, denn Sauen mit erhöhten Verlusten – sei es durch Erdrücken oder Beissen – werden schnell selektiert. Die hierzu erhobene Ferkelaufzuchtrate hat die höchste Bedeutung im Gesamtzuchtwert bei den Mutterlinien.
Seit 2010 dürfen Ferkel nur noch unter Narkose kastriert werden. Durchgesetzt hat sich die Inhalationsanästhesie mit Isofluran, die mittlerweile in über 90 % der Schweizer Schweinezuchtbetriebe angewandt wird. Die Tierhalter müssen dafür einen Theoriekurs besuchen, zusätzlich erfolgt eine Einweisung auf dem Betrieb durch Gerätehersteller und Bestandstierarzt. Im eigenen Bestand darf nur kastriert werden, wenn die Ferkel jünger als 14 Tage alt sind. 15 Minuten vor der Narkose ist eine Schmerzmittelgabe vorgeschrieben, da Isofluran nur während der Kastration wirkt, aber den Wundschmerz nicht reduziert.
Ein modernes Gesundheitsmanagement zur Vermeidung von Erkrankungen und zur Tilgung von Krankheitserregern fördert sowohl den Tier- und Verbraucherschutz als auch die Produktivität der Betriebe. Die Betriebsdaten werden mit weiteren Informationen in einer Datenbank gespeichert, die einzigartig in Europa ist. In keinem anderen Land sind soviel schweinerelevante und flächendeckende Daten vorhanden, auf die betriebsübergreifend zurückgegriffen werden kann.
Betriebsstruktur im Überblick
- Der Landwirtschaftsbetrieb der Familie Ruckli (rucklijuniors.ch) befindet sich im Luzerner Seetal und wurde 2003 von einem Milch- in einen Schweinezucht- und Mastbetrieb umgebaut.
- Schweinehaltung ist heute der Haupterwerbszweig des Betriebes mit 120 Sauen- und 300 Mastplätzen.
- 24,3 ha Fläche werden bewirtschaftet: Auf den Ackerbauflächen werden Futtergetreide, Raps, Mais und Kleegras angebaut. Zudem werden 3,5 ha als Dauergrünland bewirtschaftet. Das Gras der speziell zur Verfütterung angesäten Wiesen wird frisch verfüttert oder als Silage/Heu geerntet.
- Der Betrieb wirtschaftet nach IP-Suisse-Richtlinien, wobei die Schweinehaltung über den Mindestanforderungen dieser Richtlinien liegt.