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Datenerhebung

Auf Spurensuche nach Nitrat

grundwassermessstelle-grafenau
Johannes Urban
am Donnerstag, 12.03.2020 - 12:09

Eine intensive Diskussion ist um die Messnetze und Messstellen zur Wasserbelastung entstanden. Was wird wo und warum gemessen?

Auf einen Blick

  • Die in Deutschland erhobenen Nitratgehalte im Wasser beruhen im Wesentlichen auf zwei Messnetzen – dem EUA-Messnetz und dem WRRL-Messnetz.
  • Die gemessenen Nitratwerte der beiden Messnetze laufen weitgehend parallel.
  • Für die Umsetzung der Nitratrichtlinie wird das Nitratmessnetz als Teilmessnetz des EUA Messnetzes verwendet.
  • Im WRRL-Messnetz werden die Daten für die Wasserrahmenrichtlinie erhoben.
  • Die Gewässerüberwachung in Europa läuft nach sehr unterschiedlichen Verfahren ab. Daten sind nur schwer vergleichbar.

Trinkwasserqualität ist gut

Die Trinkwasserversorgung wird in Deutschland zu fast 70 % aus Grund- und Quellwasser gedeckt. Etwa 30 % stammen aus Oberflächengewässern oder werden über Grundwasseranreicherung und Uferfiltration gewonnen. Trinkwasser ist das am besten überwachte Lebensmittel, seine Qualität ist durchweg sehr gut bis gut. Das gilt auch für die Einhaltung des Grenzwertes für Nitrat.

Teils kritische Werte beim Grundwasser

Anders beim Grundwasser: In Deutschland weisen rund 18 % der Messstellen des EUA-Grundwassermessnetzes Nitratgehalte über dem Schwellenwert von 50 mg/Liter auf. An Messstellen, in deren Gebiet landwirtschaftliche Nutzung vorherrscht, überschreiten 28 % den Grenzwert.

Auch bei der Bewertung des Grundwasserzustandes nach der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) sind 27,1 % der 1200 deutschen Grundwasserkörper wegen der Überschreitung des Schwellenwertes in einem schlechten chemischen Zustand. Die Ergebnisse der beiden Messnetze zeigen deutliche Parallelen. Trotzdem bleibt es kompliziert. Man muss viele Messstellen aus zwei Messnetzen, die für unterschiedliche Zwecke betrieben werden, im Blick haben.

EUA-Messnetz berichtet an Europäische Umweltagentur

Das EUA-Messnetz dient zur jährlichen Berichterstattung von Grundwasserzustandsdaten an die Europäische Umweltagentur und hat 1215 Messstellen in Deutschland. Ein Teil dieses Netzes wird auch für die EU-Nitratrichtlinie herangezogen. Dazu erfolgt die Berichterstattung alle vier Jahre und soll darüber Auskunft geben, ob die Richtlinie umgesetzt wird und ob die ergriffenen Maßnahmen zu einer Reduzierung der Nitratbelastung geführt haben. Die EUA-Messstellen werden auch für den Nitratbericht der Bundesministerien für Umwelt und Landwirtschaft zugrunde gelegt.

Die EUA-Messstellen werden durch die Bundesländer nach bundeseinheitlichen Kriterien ausgewiesen. So sollen sie möglichst im oberflächennahen Grundwasserleiter (5 bis 20 m Tiefe) ausgebaut sein, um die Nitratausträge der Landnutzungen zu erfassen. Die Messstellen sollen so verteilt sein, dass die Landnutzungen wie Siedlungen, Wald, Grünland, Ackerland und Sonderkulturen repräsentativ abgebildet sind. Die Anzahl der Messstellen je Bundesland ergibt sich aus der jeweiligen Flächengröße.

Berichterstattung zur EU-Nitratrichtlinie nutzt Teil des EUA-Netzes

Für die Berichterstattung zur EU-Nitratrichtlinie werden aus dem EUA-Messnetz nur die Messstellen herangezogen, in deren Einzugsgebiet die Einflüsse der Landwirtschaft überwiegen. Diese Differenzierung ist bei der Diskussion um die Sinnhaftigkeit der Verteilung der Messstellen zu beachten.

Die Anforderung zur differenzierten Nutzung der Messstellen ergibt sich  aus Artikel 1 der EU-Nitratrichtlinie, der das Ziel festlegt, die Gewässerverunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen zu reduzieren. Deshalb finden für das Nitratmessnetz Messstellen unter nicht landwirtschaftlich genutzten Flächen wie Wald und Siedlungen keine Berücksichtigung.

Durch diese Eingrenzung umfasst das für die EU-Nitratrichtlinie genutzte Messnetz nur 697 Messstellen in Deutschland, das heißt, es wird hier nur ein Teil des EUA-Netzes genutzt. Die Zahlen für Bayern sind obiger Grafik zu entnehmen.

Messstellen

WRRL-Messnetz erhebt Daten für die Wasserrahmenrichtlinie

Des Weiteren gibt es noch das Wasserrahmenrichtlinienmessnetz (WRRL), mit dessen Ergebnissen die Bundesländer den chemischen Zustand der Grundwasserkörper in Deutschland allgemein beurteilen.

Auch das WRRL-Messnetz misst den Nitratgehalt und wird für die Bewertung der rund 1200 Grundwasserkörper in Deutschland herangezogen. Es umfasst etwa 5000 Überblicksmessstellen, vor allem dort, wo das Grundwasser unbelastet ist, und 2300 operative Messstellen, die sich an Grundwasserkörpern befinden, die noch in schlechtem Zustand sind.

Ob ein Grundwasserkörper nitratbelastet ist, dafür gibt es in Bayern ein 4-stufiges Verfahren, in dem auch das WRRL-Messnetz eine Rolle spielt. Eine Neubewertung findet alle sechs Jahre statt.

Die Basis gewechselt: Vom Belastungs- zum EUA-basierten Netz

Für viel Unverständnis und Ärger sorgte die Reaktion der EU-Kommission, die Deutschland Untätigkeit in Sachen Nitrat vorwarf und mit Strafzahlungen droht. Im Nitratbericht aus dem Jahr 2016 lag der Anteil der Messstellen mit Nitratgehalten von mehr als 50 mg Nitrat/Liter bei etwa 28 %. Im vorletzten Nitratbericht aus dem Jahr 2012 lag die Zahl der hochbelasteten Messstellen noch bei 50 %. Das sieht auf den ersten Blick nach einer deutlichen Verbesserung aus.

Doch der erste Eindruck täuscht. Die hohen Zahlen aus 2012 resultieren daraus, dass nur die Ergebnisse der 162 Messstellen des alten Belastungsmessnetzes vorlagen. Die deutlich zu geringe Zahl der Messstellen wurde dann auf 700 erweitert, deren Ergebnisse finden sich im Bericht 2016 wieder. Die Verbesserung resultiert also aus der deutlich größeren Zahl der Messstellen.

Dies wird auch dadurch deutlich, dass sich beim Vergleich der Nitratbelastung von 2012 bis 2014 auf der Basis der Daten des neuen, erweiterten Nitratmessnetzes praktisch keine Verbesserung der Grundwasserbelastung ergeben hat. Die Daten des WRRL-Messnetzes liegen mit 27,1 % über 50 mg Nitrat/Liter ebenfalls ziemlich genau auf der Höhe des Nitratmessnetzes. Und genau das ist der Ansatz für die Kritik der EU-Kommission.

Der Abgleich mit dem WRRL-Netz zeigt, dass die Werte des aktuellen Nitratberichts die Nitratbelastung des Grundwassers widerspiegeln. Und es ist zu sehen, dass an 28 % der Messstellen, in deren Einzugsgebiet eine landwirtschaftliche Nutzung vorherrscht, der Schwellenwert von 50 mg Nitrat/Liter überschritten wird. Als Ursache gilt meist ein Stickstoffüberschuss auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen. Daraus lässt sich unter Berücksichtigung der jeweiligen Sickerwassermenge, im Schnitt 200 mm/Jahr, die Nitratkonzentration im Sickerwasser berechnen - jedoch ohne Berücksichtigung standörtlicher Gegebenheiten.

Trendumkehrgebot des Umweltbundesamtes

Das Umweltbundesamtes hat in einer Studie Zielwerte berechnet, die unter dem Grenzwert der Trinkwasserversorgung von 50 mg Nitrat liegen. Als Zielwerte für aufbereitetes Trinkwasser wurden 37,5, 25 und 10 mg je Liter festgelegt, da aus technischen Gründen bei der Aufbereitung ein Sicherheitsabstand nötig ist, damit der Grenzwert auch tatsächlich jederzeit eingehalten wird.

Aus den Vorgaben der Grundwasserversorgung ergibt sich ein „Trendumkehrgebot“ bei 75 % des Schwellenwertes von 50 mg Nitrat/Liter, eben die 37,5 mg. Anhand von Messergebnisse kommt das Umweltbundesamtes zu dem Schluss, dass die Stickstoffüberschüsse in Deutschland zu hoch sind, vor allem in Gebieten mit hohem Viehbesatz und Anbau von Sonderkulturen.

Große Unterschiede der Mitgliedsländer bei der Überwachung

Zu bemängeln ist, dass die Mitgliedsländer bei der Gewässerüberwachung unterschiedlich vorgehen und daher die Daten kaum vergleichbar sind. Berechtigt ist auch Kritik an der Messnetzdichte. Im EU-Schnitt liegt deren Dichte bei acht Stationen je 1000 km² Landesfläche, in Deutschland nur bei zwei. Österreich hat mit seinen 1965 Messstellen eine Dichte von 23,4 je 1000 km², Dänemark eine von 28,0 und die Niederlande kommen mit 1318 Messstellen auf eine Dichte von 35,3.

In Bayern liegen 134 der 697 deutschen Messstellen des Teilmessnetzes Landwirtschaft aus dem 2016 überarbeiteten EUA-Messnetz. Die Belastungssituation des Grundwassers (EUA-Messnetz) ist in den deutschen Bundesländern sehr unterschiedlich. Bayern gehört zusammen mit dem Saarland und Baden Württemberg zu den besseren 25 % in Deutschland.

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