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Pflanzenschutz-Verbot

Pflanzenschutz-Verbot: Umwelthilfe klagt Roundup-Zulassung

Pflanzenschutz gerät ins Visier von Umweltschützern. Die Umwelthilfe und Foodwatch wollen juristisch gegen die Zulassung von bestimmten Pflanzenschutzmitteln vorgehen.
Carolin Nuscheler
am Mittwoch, 05.04.2023 - 08:40

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und foodwatch wollen weitere Herbizide und Insektizide aus dem Verkehr ziehen.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und foodwatch haben bei einer Pressekonferenz am Dienstagvormittag informiert, dass sie gemeinsam gegen den Einsatz von „besonders problematischen Pestiziden“ vorgehen. Konkret haben die Umweltverbände formalen Widerspruch eingelegt gegen die Zulassung von fünf Herbizid-Stoffen und einem Insektizid von führenden Herstellern. Diese Produkte hätten ein dramatisches Artensterben zur Folge, seien besonders schädlich für Mensch, Natur und Grundwasser und ließen sich teilweise „nie wieder entfernen“.

Laut Umweltverbänden: Diese Pflanzenschutzmittel „müssen weg“

Der Einwand soll dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) bereits vorliegen, eine kurzfristige Bestätigung über den Eingang gab es auf Anfrage am Dienstag aber noch nicht.

In der Kritik der Umweltschützer steht das Unkrautbekämpfungsmittel „Roundup Powerflex“ von der Monsanto Agrar Deutschland GmbH, das unter anderem den Wirkstoff Glyphosat beinhaltet. Auch drei weitere Herbizide, „Gardo Gold“ vom Hersteller Syngenta AG sowie „Tactic“ vom Hersteller Adama und „Elipris“ vom Hersteller Corteva GmbH München sollen laut DUH und foodwatch schnellmöglich für die Flächenbewirtschaftung in Deutschland Tabu sein. Auch der Zulassung des Insektizids „Sherpa Duo“ von den Herstellern SBM Developpement SAS, SBM Life Science GmbH wird widersprochen.

DUH und foodwatch gehen für das Herbizid-Verbot bis vor den EuGH

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und foodwatch gehen davon aus, dass die formalen Widersprüche von Seiten des BVL zurückgewiesen werden. In diesem Fall soll eine Klage beim Verwaltungsgericht Braunschweig folgen. Dabei handele es sich zunächst um fünf Musterverfahren. Das klare Ziel der Umweltverbände: den Verkauf von Produkten mit besonders giftigen und umweltschädlichen Wirkstoffen in Deutschland zu stoppen. Man will damit bis vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) ziehen.

Allerdings fehlt offenbar zumindest foodwatch das Geld für eine Klage. In einem Spendenaufruf rechnet foodwatch „mit mehreren zehntausend Euro, die das Verfahren, Gutachten und Expertisen über die nächsten Jahre kosten werden“. Daher sollten Verbraucher an foodwatch spenden. Schließlich sei ein „Gerichtsverfahren gegen den Staat ist ein echter Brocken“.

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH, sagte gleich zu Beginn, dass die Zulassungen der genannten Pflanzenschutzmittel rechtswidrig durchgesetzt worden seien. Nur aufgrund von Lobbyarbeit hätten sie noch eine Genehmigung. „Wir müssen verhindern, dass im Hinterzimmer die Entscheidung darüber getroffen wird, ob ein Pestizid eine Zulassung bekommt,behalten darf oder nicht“, sagte Resch.

Mangelnde Kapazitäten bei Zulassungsbehörden sorgten für Genehmigungs-Stau

„Europa hat das strengste Zulassungssystem für Pflanzenschutzmittel der Welt“, entgegnete auf Anfrage Dr. Mark Winter, Leiter Fachbereich Pflanzenschutz beim Industrieverband Agrar (IVA). „Und mit der Einführung von Substitutionskandidaten und Cut-off Kriterien durch die EU-Verordnung 1107/2009 gelten seit über 10 Jahren noch strengere Kriterien bei der Zulassung von Pflanzenschutz-Wirkstoffen in Bezug auf Menschen und Umwelt.“

Das habe in den vergangenen Jahren zu enormem Stau bei den entsprechenden Behörden geführt. Was wiederum teilweise zur Folge hatte, dass - wenn im Regelverfahren die Kapazitäten bei EU-Kommission und/oder der europäischen Chemikalienagentur ECHA nicht ausreichte - eine Verlängerung der Zulassung ausgesprochen wurde.

Industrieverband Agrar: Behauptungen über rechtswidrige Lobbyarbeit sind „absurd“

„Davon abzuleiten, dass die Industrie im Hinterzimmer die Behörden dazu drängt, hier schnell etwas zuzulassen, ist völlig absurd“, so Dr. Winter. Alles ginge seinen offiziellen Gang. Die Genehmigung von Wirkstoffen läuft nach einem festgelegten, transparenten Prozess auf EU-Ebene ab. Sie erfolgt durch die EU-Kommission auf Grundlage einer Bewertung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa).

„Dass wir die Landwirtschaft insgesamt nachhaltiger gestalten müssen, ist unstrittig. Es ist aber auch kein Geheimnis, dass es ganz ohne Pflanzenschutz - egal ob Ökolandbau oder konventionelle Landwirtschaft - nicht möglich ist.“

Ausstieg aus chemischem Pflanzenschutz laut foodwatch „ganz einfach“

Das sieht Annemarie Botzki von foodwatch allerdings ganz anders: Beim Mais- und Getreideanbau, wo „tonnenweise Pestizide und Herbizide eingesetzt werden“, sei es aus ihrer Sicht „ganz einfach ohne Pestizide“ auszukommen. Schnell hätte man in Deutschland eine „Riesenfläche frei von Pestiziden“. Im Obstanbau sei die Sache kniffliger, aber nicht unlösbar.

„Die Landwirte sind nicht Täter, sondern Opfer“, formulierte Jürgen Resch (DUH). Man wolle den Landwirten helfen, Veränderungen vorzunehmen, um künftige Kollateralschäden in der Landwirtschaft zu vermeiden. Immerhin sei es praktisch möglich, „mithilfe biologischer Vielfalt, natürlicher Schädlingsbekämpfung gut und viel anzupflanzen.“ Ein Schritt-für-Schritt Ausstiegsplan für den Pflanzenschutz muss folglich erarbeitet werden, so die Umweltschützer. Nun müsse man laut Resch aber „erstmal Fakten schaffen und dann kann man zu einer Lösung und Diskussion kommen.“

In den kommenden Tagen werden wir das Thema für Sie einordnen und v.a. die Aussagen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und foodwatch prüfen.

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Der Beitrag „Umweltschützer klagen gegen diese Herbizidstoffe“ ist zuerst erschienen bei agrarheute.