
Wie kann das bald verbotene Totalherbizid Glyphosat in Weinbergen oder Obstplantagen ersetzt werden? Ein vielversprechender Ansatz ist ein spritzbares Mulchmaterial zur Beikrautregulierung im Wein- und Obstbau. Im Forschungs- und Innovationspakt Bayern-Österreich-Südtirol arbeiten das Technologie- und Förderzentrum (TFZ) und die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) gemeinsam im Projekt „ABOW“ an Alternativen zur Beikrautregulierung. Dies erfolgt in Kooperation mit dem internationalen Forschungsnetzwerk „Alternatives Beikrautmanagement im Obst- und Weinbau“. Neben der Untersuchung von natürlichen Substanzen, wie Pelargon- oder Essigsäure wurde hauptsächlich an einem neuen Mulchverfahren basierend auf Nachwachsenden Rohstoffen gearbeitet. Vom TFZ wurde ein Zwei-Komponenten-Gemisch entwickelt, das sich in flüssiger Form ausbringen lässt. Nach kurzer Zeit geliert und härtet es aus und bildet somit eine physikalische Barriere. Ziel ist es, dass diese Mulchschicht die Keimung und das Wachstum von Beikräutern unterdrückt und sich in einem bestimmten zeitlichen Rahmen biologisch abbaut.
In vielen Exaktversuchen erfolgreich getestet
Ausgebracht wird das Material mit Hilfe eines eigens entwickelten Applikationsgeräts für den Heck- und Zwischenachsanbau am Schmalspurtraktor. Dadurch lässt sich sicherstellen, dass das Mulchmaterial an jedem Standort in der gewünschten Schichtdicke zwischen 2 und 5 mm aufgespritzt werden kann.
Appliziert wird die Mulchschicht im Unterstockbereich der Obstbäume und Weinstöcke als 80 bzw. 40 cm breiter Streifen. In diesem Bereich soll damit der Aufwuchs von konkurrierenden Beikräutern gehemmt werden. Der Mulch ist so konzipiert, dass er nach der Vegetationsperiode weitestgehend von Mikroorganismen unter den herrschenden Witterungseinflüssen abgebaut wird, sodass keine Rückstände im Boden verbleiben.
Dieses neuartige Mulchverfahren wurde in den letzten beiden Jahren auf unterschiedlichen Standorten in Deutschland, Österreich und Südtirol getestet.
Dabei wurden insgesamt 23 Exaktversuche durchgeführt, bei denen unterschiedliche Schichtdicken, Applikationszeitpunkte und Klimaräume als Einflussfaktoren untersucht wurden.
Für die Ausbringung des Mulchmaterials in den praxisnahen Versuchen im Weinberg und in den Obstanlagen wurde eigens ein Geräteprototyp entwickelt. Das Applikationsgerät besteht im Wesentlichen aus einem Rahmengehäuse, zwei Vorratsbehältern, Rührwerken, zwei Schlauchpumpen, einer Stromversorgung, einer Steuereinheit sowie Düsensystemen zur Ausbringung des Materials.
Die Vorratstanks mit Peripherie können über die Dreipunktaufnahme üblicherweise am Heck des Traktors angebaut, die Düsensysteme können auch flexibel über eine Anbaukonsole im Zwischenachsanbau angebracht werden
Das Beikraut hacken, spritzen oder zudecken?
Um die Wirksamkeit des neuen Verfahrens einordnen zu können, wurden praxisübliche Methoden des Beikrautmanagements durchgeführt und diese mit dem neuartigen Mulchverfahren verglichen. Als Vergleich diente die chemische Behandlung mit dem Herbizid Glyphosat und die mechanische Beikrautregulierung mit Flachschar und Rollenhacke (drei Behandlungen während des Beobachtungszeitraums).
Eine unbehandelte Fläche wurde als „Nullvariante“ als weitere Referenz herangezogen. Die Zielgröße der Auswertung war die Trockenmasse der Beikräuter auf vordefinierten Flächen. Dazu wurden zu drei Terminen alle Pflanzen innerhalb eines Boniturrahmens oberirdisch abgeschnitten, getrocknet und gewogen. Die Trockenmasse-Grafik oben zeigt exemplarisch die Ergebnisse eines Versuchsjahres in einer Rebanlage der LWG in Veitshöchheim.
Während die Nullvariante komplett ohne beikrautregulierende Maßnahmen erwartungsgemäß die stärkste Verunkrautung zeigte, waren in den anderen drei Varianten deutliche Effekte zu erkennen. Die Variante mechanische Beikrautregulierung zeigte im Mai kurz nach dem Hacken eine sehr geringe Verunkrautung, der Beikrautaufwuchs im Juli war vergleichsweise hoch und auf ähnlichem Niveau wie die unbehandelte Nullvariante. Im Versuchszeitraum musste die mechanische Beikrautregulierung dreimal durchgeführt werden, was einen erhöhten Arbeitsaufwand verglichen mit den anderen Methoden bedeutet.
Das neuentwickelte Mulchmaterial zeigte bei jeder Bonitur einen ähnlichen beikrautunterdrückenden Effekt wie die Herbizidvariante. Diese Ergebnisse konnten im Wesentlichen an den anderen Versuchsstandorten und in anderen Versuchsjahren bestätigt werden.
Der Erfolg des Mulchverfahrens wird unter anderem durch die ausgebrachte Schichtdicke des Materials, den Zeitpunkt der Applikation sowie die herrschende Witterung beeinflusst. Auch vermeintlich geringe Abweichungen in der Qualität einzelner Rezepturkomponenten können Einfluss auf die Materialbeschaffenheit und somit auf die beikrauthemmende Wirkung nehmen.
Positive Auswirkungen auf die Bodenfeuchte
Besonders in niederschlagsarmen, trockenen Regionen spielt im Obst- und Weinbau die Evaporation eine enorm wichtige Rolle. Aus diesem Grund wurde die Mulchabdeckung hinsichtlich eines potenziellen Verdunstungsschutzes untersucht. Die Grafik zur Bodenfeuchte zeigt die Ergebnisse der Bodenfeuchtemessung in 5 cm Tiefe unter Berücksichtigung von Niederschlagsereignissen. Es wird deutlich, dass das Mulchmaterial im Vergleich zur Nullvariante und zur mechanischen Beikrautregulierung einen positiven Effekt auf die Feuchtigkeit im Boden ausübt.
In dem Beobachtungszeitraum zeigt das Mulchmaterial insbesondere in der ersten Wachstumsphase einen Verdunstungsschutz, wodurch den Kulturpflanzen in den folgenden heißen Sommermonaten mehr Wasser zur Verfügung steht. Das Material versiegelt den Boden nicht, sodass Niederschläge weiterhin in das Erdreich sickern können. Diesen Effekt belegt der gemessene Anstieg der Bodenfeuchte nach den Niederschlägen (vgl. Grafik). Somit bietet das Mulchmaterial nicht nur eine beikrautunterdrückende Wirkung, sondern nimmt wohl auch positiven Einfluss auf den Wasserhaushalt. Diese ersten Erkenntnisse müssen noch in weiteren Untersuchungen bestätigt werden.
Das neu entwickelte Mulchverfahren wurde auf mögliche Wechselwirkung mit der Umwelt untersucht. Mit Hilfe des „Tee-Beutel-Index“ wurde ein möglicher Einfluss auf die Bodenorganismen untersucht. Bei der Methode werden zwei unterschiedliche Teesorten für 90 Tage im Boden vergraben und dem natürlichen Abbau überlassen. Je nach Bodenaktivität und Umweltbedingungen erfolgt der Abbau unterschiedlich schnell.
Da sich die beiden Teesorten in der Zusammensetzung unterscheiden, zersetzen sich die beiden Sorten unterschiedlich schnell, wodurch auf die Aktivität des Bodenlebens geschlossen werden kann. Der Vergleich der Bodenaktivität unter dem Mulchmaterial mit der der Nullvariante und der mechanischen Beikrautregulierung zeigte keine nennenswerten Unterschiede. Somit gibt es derzeit keine Hinweise, dass das Mulchmaterial das Bodenleben beeinträchtigt.
Gute Verträglichkeit mit der Umwelt
Stichproben zeigten, dass weder Insekten besonders angelockt noch durch das Mulchmaterial geschädigt wurden. An manchen Stellen konnten auch Ameisenbauten unter dem Material gefunden werden. Auch größere Wildtiere wie beispielsweise Rehe, Hasen und Füchse zeigten, wie die Auswertung von Bildern der Fotofallen zeigen, keine Beeinträchtigung durch das Mulchmaterial. Das Verfahren scheint also keine negativen Auswirkungen auf die Fauna zu haben. Der Abbau des Mulchmaterials konnte sowohl im Laborversuch nachgewiesen als auch auf den Praxisflächen beobachtet werden. Dadurch ist eine Anreicherung von Fremdstoffen im Boden ausgeschlossen.
Vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit wurde festgestellt, dass das Mulchmaterial nicht als Pflanzenschutzmittel in den Geltungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 fällt. Es wäre damit auch für ökologisch wirtschaftende Betriebe einsetzbar.
Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG),Veitshöchheim
Mulchmaterial aus zwei Komponenten
Das Mulchmaterial besteht aus zwei flüssigen Komponenten, die größtenteils aus Nachwachsenden Rohstoffen bestehen.
Alle Inhaltsstoffe sind laut REACH-Verordnung (Registrierung, Bewertung und Zulassung von Chemikalien) gut verträglich mit der Umwelt. Die Vermischung der beiden Komponenten erfolgt erst beim Auftreffen am Boden. Beim Kontakt der beiden Flüssigkeiten geliert das Material unmittelbar, härtet aus und bildet so eine feste Schicht.
Die Rezeptur der beiden Komponenten wurde im Laufe des Projekts stetig weiterentwickelt. Aus rund 700 im Labor getesteten Varianten, hat sich eine erfolgversprechend Zusammensetzung herauskristallisiert. Die genauen Inhaltsstofe siehe Tabelle.
Weitere Infos unter https://www.tfz.bayern.de/stofflichenutzung/projekte/210726/