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Betriebsreportage

Haselnuss statt Hopfen

Haselnussernte: Der Ertrag schwankt je nach Witterung zwischen 1,5 und 2,5 t/ha. Der Vollertrag wird erst im 12. Jahr erreicht.
Helga Gebendorfer
am Donnerstag, 05.01.2023 - 07:29

Voller Ertrag erst im zwölften Standjahr – trotzdem lohnt sich der Anbau für das Familienunternehmen in Oberbayern. Alle Erträge konnten gut vermarktet werden. Gerade die Regionalität wird von vielen Kunden geschätzt.

Eine glänzende Zukunft für der Haselnussanbau: Beim Anbauer Martin Neumeier in der Gemeinde Rudelzhausen im Landkreis Freising stimmt die Wirtschaftlichkeit. „Wir können die gesamte Erntemenge jedes Jahr gut verkaufen und einen ordentlichen Preis erzielen“, zieht er Bilanz. Der Bio-Betrieb vermarktet seine Ware über den ansässigen Hofladen, den Lebensmitteleinzelhandel sowie Bioläden und Naturkosthandel.

Umstieg von Hopfen auf die Haselnuss

Familie Neumeier: Mit viel Eigeninitiative und Durchhaltevermögen lohnte sich der Umstieg auf die Haselnuss.

Vor 19 Jahren legte Familie Neumeier ihre erste 3 ha große Haselnussplantage mit drei Sorten an. Die Fläche wurde von Jahr zu Jahr erweitert und heute stehen sechs Sorten auf 11 ha. Als Martin Neumeier den elterlichen Betrieb übernahm, war ihm klar, dass er den damaligen Hopfenanbau auf 18 ha aufgeben will. Der Grund: zu arbeitsintensiv und zu abhängig von Fremdarbeitskräften sowie der Witterung.

Seine Mutter brachte schließlich den Stein für den Haselnussanbau ins Rollen. Der Start erfolgte mit 3 ha Anbaufläche. Schritt für Schritt wurden die Nüsse mehr und dafür der Hopfen weniger. Die fruchtbaren Böden und das relativ milde Klima im Hopfenanbaugebiet Hallertau sagten ihnen zu.

Anfangs war eine Reihe von Ausfällen zu verkraften. Die Ursache: schlechtes Pflanzmaterial und Krankheiten. „Doch wir ließen uns nicht entmutigen und nach vier Jahren wurde die erste Ernte per Hand eingefahren“, berichtet der Betriebsleiter. Die erste maschinelle Ernte erfolgte 2010. Auf 1 ha Fläche stehen 700 Bäume. Der Ertrag schwankt idealerweise je nach Witterung zwischen 1,5 und 2,5 t/ha, wobei der Vollertrag erst im 12. Standjahr erreicht wird. „Das bedeutet, dass eine lange Durststrecke zu überwinden ist“, verdeutlicht Martin Neumeier, der darauf hinweist, dass die Bäume etwa 40 Jahre alt werden.

„Ein sehr gutes Jahr bedeutet für mich eine Erntemenge von 10 Tonnen“, informiert Martin Neumeier. Letztes Jahr konnten nach einer eher niederschlagsreichen Saison 5 t und heuer nach dem heißen und trockenen Sommer nur 3 t eingefahren werden.

Pflanzenschutz nur eingeschränkt möglich

„Auf unserem Biobetrieb können wir nur eingeschränkt Pflanzenschutz betreiben, sodass wir viele Ausfälle zu verkraften haben. Wir probieren viel aus und erkunden, ob es funktioniert“, beschreibt der Landwirt. Im Normalfall wendet er einmal in der Vegetationsphase gegen Schädlinge Spruzit an, was für die gesamte Anbaufläche 1000 € Kosten verursacht. Warzen sind zwar in den letzten drei Jahren auf dem Vormarsch, aber in der Region halten sie sich derzeit noch im Rahmen. „Aber wenn es noch schlimmer wird, weiß ich mir noch keinen Rat“, gibt der Landwirt zu, der eventuell an einen tierischen Gegenspieler denkt. Pilze werden viermal jährlich mit Schwefel und Funguran bekämpft. „Als Bio-Betrieb muss man mit Einschränkungen leben. Ich würde mir sicherlich mehr Ertrag wünschen, aber wir müssen jedes Jahr aufs Neue mit den Gegebenheiten leben“, fasst er zusammen.

Das Erntegut wandert auf dem Feld in Holzkisten, die nach Hause transportiert werden. Dort wird die Rohware mittels einer eigens für die Haselnüsse konstruierten Reinigungsmaschine von Fruchthülsen und mitaufgenommenen Steinen befreit. Anschließend werden die Nüsse schonend getrocknet. „Die Früchte sind sehr empfindlich. Temperaturen über 35 °C lassen sie ranzig werden“, fügt der 44-jährige hinzu.

Sonderanfertigungen für die Nuss

Für diese Weiterverarbeitung, aber auch für die Vermarktung wurde 2008 die HBM Neumeier GmbH gegründet. Spätestens ab diesem Zeitpunkt kam verstärkt Bruder Josef ins Spiel. Er brachte seine Kenntnisse und Fähigkeiten ein und begann, geeignete Maschinen für diesen Betriebszweig – speziell für die regionalen Anforderungen – zu konstruieren. Zur Trocknung wurde die ehemalige Netzabfüllmaschine umfunktioniert. Zugekauft wurden Ölpresse, Edelstahltanks für das Ansetzen der Liköre, eine Flaschenabfüll- und Verkorkungsmaschine. Ettiketiert wird noch von Hand. Nach der Reinigung teilen sich die Wege der Nüsse nach ihrer Größe. Die Ausnahme sind Nüsse größer als 22 mm. Sie dienen für Deko- und Präsentationszwecke.

80 % der Erntemenge entfallen auf die Kalibrierung 18 bis 22 mm. Diese Nüsse werden vier Tage lang auf Horden luftgetrocknet, bis sie den für die Verkehrsfähigkeit notwendigen Feuchtegehalt von rund 7 % erreichen. Anschließend werden sie mit einer halbautomatischen, selbstgebauten Maschine in 250 g, 400 g und 1000 g-Netze verpackt und als Frischware verkauft. Die kleinen Früchte unter 18 mm wandern in ein Trocknungssilo, wo sie auf rund 7 % Feuchtegehalt getrocknet werden. Bevor es in die Knackmaschine weitergeht, erfolgt noch einmal eine Feinsortierung in weitere vier Untergrößen, um die Verluste zu minimieren. Anschließend werden auf dem Band noch Schalenreste von Hand herausgelesen und ein Kernsortierer sortiert die halben Kerne und verschiedenen Größen noch einmal.

Zu Beginn verkauften die Direktvermarkter nur die Nüsse in der Schale im Netz und pressten sie zu Öl. Doch mit der Zeit erweiterte sich das Angebotssortiment immer mehr: ganze Nüsse ohne Schalen, mit Zimt und Zucker überzogen, Haselnussmus als Brotaufstrich, Hopfen-Haselnuss-Mus, Haselnuss-Nudeln, süßer und klarer Likör, Haselnussgeist, gemahlene Nüsse, Haselnussöl und Haselnussmehl. Insgesamt werden elf Produkte und 50 Einzelartikel in verschiedenen Größenvarianten hergestellt. Mit Ausnahme vom Haselnussgeist, den ein Bioland-Kollege destilliert, sowie den Haselnussnudeln stammen alle Erzeugnisse aus der eigenen Produktion.

Eigenvermarktung mit Erfolg

„Wir waren sehr erfinderisch, probierten unterschiedliche, spontane Ideen aus und mechanisierten schließlich die Produktschienen“, erklärt Josef Neumeier. 2010 wurde die Marke „Eichhörnchen“ kreiert und die Vermarktung startete über die Verkehrsbezeichnung „Holledauer Haselnuss“.

Mit der Marke kamen die Neumeiers mit dem privat geführten REWE-Markt in Mainburg ins Geschäft und auch die LEH-Märkte in Freising, Manching, Pfaffenhofen und Eching sowie verschiedene Naturkostgroßhändler kamen hinzu. Die Vermarktungswege teilen sich auf in Hofladen (15 %), Lebensmitteleinzelhandel (35 %) sowie Bioläden und Naturkosthandel (50 %). Die Online-Schiene wird wegen des großen Aufwands bewusst klein gehalten.

Die Waren werden entweder selbst oder über eine Spedition an die Kunden geliefert. „Jedes Produkt, das wir bis jetzt auf den Markt brachten, fand seine Abnehmer und war ein Erfolg“, freuen sich die Produzenten. Von Oktober bis Dezember ist für sie mit der Ernte und Verarbeitung der Nüsse Hauptsaison. Im März/April folgt noch einmal eine Produktionsphase – als Reservepuffer bis zur nächsten Ernte. Der Kundenkreis erstreckt sich bis zu 100 km. Der Betrieb ist auch ein beliebtes Ausflugsziel für Busse – mit Betriebsbesichtigung und Verkauf im Hofladen.

Nischenprodukte mit Alleinstellungsmerkmal

Der Familienbetrieb rührt die Werbetrommel über Anzeigen in der Tageszeitung, das Radio und überregionale Berichte in Fachzeitschriften. Das Erfolgsrezept: Zusammenhalt in der Familie, Nischenprodukte mit Alleinstellungsmerkmal und optimale Vermarktung samt professioneller Aufmachung. „Nicht lange warten, bis jemand auf einen aufmerksam wird, sondern die Werbung selbst aktiv vorantreiben“, lautet Josef Neumeiers Ratschlag. Zudem empfiehlt er, sich ein eigenes Markenzeichen zu geben, einen Hofladen zu betreiben, sich aber auch nicht zu scheuen, auf den Zwischen- und Großhandel zuzugehen. „Vor allem nicht entmutigen lassen und hierfür auch etwas mehr Geld auszugeben“, so Neumeier.

„Wir sind zufrieden, wie es läuft. Wir hatten zwar einige Tiefen zu überstehen, doch das Risiko hat sich gelohnt“, lautet die Bilanz der Haselnussbauern. Es ist ihnen gelungen, etwas Einzigartiges aufzubauen und auf diese Weise den landwirtschaftlichen Betrieb zu erhalten. „Es war die richtige Entscheidung. Wir haben durchgehalten und ein lohnendes Geschäft aufgebaut“, geben sie Auskunft – mit der Gewissheit, dass mit der GmbH-Gründung der eigentliche Startschuss dafür fiel.

Regionale Haselnüsse für Rewe

Ronny Haberkorn ist Gesellschafter von Rewe Mainburg und hat mit regionalen Haselnüssen in seinem Geschäft gute Erfahrungen gemacht. „Ich biete gerne Produkte aus der Region an“, sagt Haberkorn, „denn ich schätze sie persönlich, biete damit den Direktvermarktern eine Verkaufsfläche und mache mich auf diese Weise unverwechselbar gegenüber den Mitbewerbern.“ Das Sortiment der Holledauer Haselnuss bereichert neben einer immer größer werdenden Palette an regionalen Spezialitäten schon seit Jahren die Angebotsvielfalt des Rewe-Markts. Der Umsatz mit den Nüssen stieg in den letzten 15 Jahren stetig. „Wir bestellen nach Bedarf und die Zusammenarbeit funktioniert prima“, berichtet der Kaufmann, „ich glaube an die Regionalität und bin überzeugt, dass die regionale Schiene der Bio-Trend der Zukunft wird.“

Negativbeispiel: Jahre ohne Ernte

Es gibt in Bayern auch Beispiele, wo der Haselnussanbau nicht erfolgreich gelingt. Johann Bergsteiner, Vorsitzender des Vereins Bayerischer Haselnussanbauer, rodete 2022 seine letzte Haselnussplantage. „Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht, aber nach etlichen Jahren ohne nennenswerte Ernte habe ich mich dazu entschlossen“, erzählt er. Für ihn stimmen die Rahmenbedingungen einfach nicht mehr. So kostet ihn eine Anwendung für den Haselnussbohrer 300 €, die zweimal jährlich notwendig ist. Stellvertretend für die Vereinsmitglieder berichtet er, dass es sich im Bioanbau mit Spruzit ähnlich verhält. Im Bioanbau gibt es gegen Wanzen und Schildläuse keine Bekämpfungsmaßnahmen, wodurch nicht zuletzt die Erträge zusammengebrochen sind.

So gingen die Erträge für die Haselnuss-Erzeugergenossenschaft (EG) von insgesamt regelmäßig 150 bis 170 t auf nunmehr 20 bis 50 t zurück – bei gleichbleibender Anbaufläche von ca. 120 ha. Auch Pilzkrankheiten sind durch die begrenzte Kupfermenge je ha und fehlende Alternativen nicht in den Griff zu bekommen. Gleichzeitig floriert der Haselnussanbau, z. B. im Nachbarland Polen, mit inzwischen 3720 ha Anbaufläche und Durchschnittserträgen von jeweils 1,5 t/ha, allesamt für Ferrero.

Aufgrund des Rückgangs der zu verarbeitenden Erntemenge gibt der bisherige EG-Verarbeiter bei Dachau die Sortierung und Aufbereitung auf. Eine optimale Wertschöpfung, z. B. kleinste Nüsse für die Tiernahrung, zum Top-Preis ist nicht mehr möglich. Besonders hart getroffen hat es die Bioanbauer, die meistens nur 1 bis 2 Ernten einfahren und dann in die Unrentabilität fallen. Schwere Qualitätseinbußen ergeben sich bereits, wenn anteilmäßig unter 10 % der Nüsse nach Verletzungen mit Hefepilzen oder Fäulnis ungenießbar werden, obwohl diese gewichtsmäßig und optisch nicht erkennbar sind.