
Gerade in der Kartoffelernte 2020 sind die Schäden durch den Drahtwurm teilweise extrem – und viele Partien sind eigentlich nur noch in Richtung Futtertrog oder Biogasanlage zu vermarkten.
Der Drahtwurm erhöht das Anbaurisiko von Speise- und Industriekartoffeln gewaltig. Speisepartien beispielsweise können ab einem Drahtwurmbefall von 10 % kaum noch aufbereitet werden. Sind die Kartoffeln ungewaschen, können die befallenen Knollen mit den feinen Löchern nur von sehr geübten Augen erkannt – und anschließend verlesen – werden.
Die Kartoffeln zuerst waschen, um die Partien aufzubereiten bevor sie zum Abnehmer gehen, ist für die meisten Betriebe nicht möglich, weil die nötige Technik gar nicht vorhanden ist.
Mais musste zweimal nachgesät werden

Was tun? In den letzten Jahren sind fast alle Mittel die zur Bekämpfung des Drahtwurms im Kartoffelanbau zur Verfügung standen, weggefallen – angefangen bei Goldor Bait, dem Granulat mit dem Wirkstoff Friponil, bis hin zur Monceren G-Beize.
Auch in den anderen Kulturen, die in den Jahren zwischen den Kartoffeln auf den Feldern stehen, wurden die insektiziden Beizen schrittweise verboten – bei der Zuckerrübe, beim Mais oder beim Raps.
Im Frühjahr 2020 mussten einige Flächen Mais wegen Drahtwurmschäden bis zu zweimal nachgesät werden. Nach unseren Erfahrungen beim Kartoffelcenter München Nord fördern Mais und Raps grundsätzlich die Drahtwurmpopulation.
Zusätzlich heizen die Düngeverordnung sowie die Diskussion um den Kalkstickstoff die Debatte, ob Premiumspeisekartoffeln in Zukunft überhaupt noch „lochfrei“ angebaut werden können, weiter an.
Alternative Wege
Welche alternativen Wege können Speisekartoffelanbauer also gehen? Das Produkt Attracap ist eine Möglichkeit, den Wurm gezielt zu bekämpfen. Attracap lockt Drahtwürmer mit CO2 an und infiziert diese mit einem insektenschädigenden Pilz. Für den bayerischen Raum haben wir aber feststellen müssen, dass unsere ansässigen Drahtwürmer durch das Mittel nur wenig bis kaum reduziert werden.
Wir müssen uns leider auch alle davon verabschieden, mit Einzelmaßnahmen langfristig ohne Drahtwurmschäden Kartoffeln produzieren zu können. Seitens des Lebensmitteleinzelhandels ist kaum ein Entgegenkommen zu erwarten – kein Endverbraucher mag es, wenn seine Erdäpfel durchlöchert sind.
Einzelne Maßnahmen nur bei leichtem Befall
Neue Wege müssen also eingeschlagen werden – wir reden hier von einem Baukasten an Möglichkeiten, denn Einzelmaßnahmen helfen meist nur bei leichtem Drahtwurmbefall. Aber was ist drin im Baukasten? Die derzeit zur Verfügung stehenden Mittel sind nachfolgend aufgeführt:
- Kalkstickstoff: Der Drahtwurm hat drei Hauptfraßzeiten: Von Mitte April bis Mitte Mai, von Ende Juni bis Mitte Juli und von Mitte August bis Mitte Oktober – da Kalkstickstoff aber nur vor dem Pflanzen gestreut werden kann, muss der Drahtwurm genau zu dieser Zeit auch da sein, um von der Cyanamidphase des Kalkstickstoffes erfasst zu werden. Der Drahtwurm kommt aber erst bei wärmeren Bodentemperaturen (8 – 12 ° C) in die oberen Bodenschichten – und nur dann kann der Kalkstickstoff etwas gegen ihn ausrichten. Was sich in den Versuchen gezeigt hat: Eine Düngung mit Kalkstickstoff im August ist wesentlich wirksamer gegen den Drahtwurm als im Frühjahr. Deshalb liegt die Überlegung, die Zwischenfrucht zu düngen, nahe – natürlich im Rahmen der Vorgaben der DüV.
Aktuell wird EU-weit ein Verbot des Düngers diskutiert, keiner weiß, wie lange er uns noch zur Verfügung steht. - Selen in die Grunddüngung mit einbauen: Wir setzen Selendünger in Versuchen und mittlerweile als Standard in der Grunddüngung für Speisekartoffeln seit zehn Jahren ein. Die Erfahrungen sind relativ gut.
- In den Versuchen wurden Dino Selenium 25 und CalciCorn GS + Se verwendet. Der Aufwand liegt in der Reihendüngung bei 25 kg/ha, flächig ausgebracht zwischen 50 kg und maximal 100 kg.
- Vorteile: Selen ist gut für die Zellwandstabilität in den Knollen – sie bleiben also länger frisch und sind unempfindlicher gegenüber Beschädigungen. Durch die Düngung mit Dino Selenium 25 bzw. CalciCorn GS + Se versorgen wir die Kartoffeln mit Calcium, bei Dino Selenium 25 zusätzlich mit Magnesium und bei CalciCorn GS + Se mit Schwefel.
- Ergebnisse aus den langjährigen Versuchen: Minderung von Drahtwurm in Höhe von 4 – 5 %. -
Attracap: Das Produkt lockt den Drahtwurm an und enthält einen Pilz, der den Drahtwurm krank macht. Neben Hefe ist in Attracap der insektenpathogene Pilz Metarhizium brunneum enthalten. Dieser wächst im Boden aus dem Granulat heraus – anschließend infizieren sich die angelockten Drahtwürmer an den gebildeten Pilzsporen. Je nach Temperatur und Bodenverhältnissen sterben sie nach einigen Tagen ab.
- Zur Ausbringung ist ein Mikrogranulatstreuer nötig. Die Investition liegt zwischen 3000 und 4000 €.
- Das Produkt ist leider sehr teuer, die Kosten liegen bei ca. 400 €/ha.
- Weiteres Problem: Unsere südlichen Drahtwurmpopulationen reagieren nicht alle auf den Pilz – es überlebt also ein Teil. Daher schwanken auch die Wirkungsgrade deutlich – und zwar zwischen 10 und 40 %. -
Soil Tonic: Dieses Produkt gibt es als Mikrogranulat, genannt Soil Tonic G. Es besteht aus einem Zeolithgranulat, Pflanzenextrakten und enthält alle wichtigen Spurenelemente. Es verbessert die Nährstoff- und Wasseraufnahmefähigkeit und erhöht die Vitalität der Pflanzen. Die gestärkten Pflanzen sind weniger anfällig gegen Schädlinge und Krankheiten, wachsen schneller und bringen mehr Ertrag. Es hilft gegen den frühen Drahtwurm im Anbaujahr.
- Besser für den Kartoffelanbau ist das flüssige Produkt Soil Tonic E, der Aufwand liegt bei 4 – 5 l/ha. In dem Produkt sind Terpen-Alkohole enthalten, es sollte 6 – 8 Wochen vor der Ernte ausgebracht werden. Das Produkt muss von einem grünen Bestand aufgenommen werden – anschließend dampfen die Kartoffelpflanzen den Alkohol über die Feinwurzeln wieder aus. Das wiederum wirkt vertreibend auf den Drahtwurm – die Population im Boden wird somit aber nicht reduziert.
- Erfahrungswerte: jeder Liter Soil Tonic E bringt ca. 1 Woche vertreibende Wirkung auf den Drahtwurm. Wobei ein Mindestaufwand je Hektar von 2,5 l gefahren werden muss, um überhaupt eine Wirkung zu erzielen.
- Erfahrung aus den letzten zwei Jahren: Wenn die Drahtwurmpopulation zu groß ist, hilft dies leider auch nicht mehr. Jedoch hilft Soil Tonic E die Zeit bis zur Ernte zu überbrücken und den Drahtwurm abzuwehren. -
SteriClean Soil: Das Produkt besteht aus Wasser, einem Nährboden und zwei parasitären Pilzkulturen Beauveria bassiana Stamm T 129 und Stamm T 130.
- Es kann vor dem Kartoffellegen flächig gespritzt werden – und zwar mit einem Wasseraufwand von 300 – 500 l sowie einem Mittelaufwand von 1 – 2 l/ha. Das Produkt darf der Sonne nicht zu lange ausgesetzt sein und muss deshalb zügig eingearbeitet werden.
- Das Produkt ist nur 3 Monate haltbar.
- Alternativ können auch 1 – 2 l/ha in die Furche beim Kartoffellegen ausgebracht werden – das Produkt darf aber nicht mit einer fungiziden Beize in Kontakt kommen. Darum empfehlen wir hier keinen Einsatz von Ortiva, Moncut oder Emesto Silver, weil diese Mittel die positiven Pilzkulturen abtöten würden. Wenn Steri Clean angebeizt werden soll, dann bitte ausweichen auf Biobeizen wie Solanova oder Rhitzovital 42.
- Beim Einsatz von SteriClean Soil sollte auf Kalkstickstoff verzichtet werden.
- Die im Produkt enthaltenen Pilzstämme müssen sich im Boden vermehren – dazu ist eine gewisse Bodenfeuchte nötig. Die Pilzkulturen machen den Drahtwurm krank, anschließend verendet er.
- Damit sich die Pilze im Boden vermehren können, kann man das Produkt (2 l/ha) auch schon im Herbst ausbringen und gleich einarbeiten.
- Kosten: Bei 2 l/ha liegen sie bei 104 €.
Abhängig von den standörtlichen und betrieblichen Gegebenheiten, muss jeder Kartoffelanbauer seinen Baukasten individuell bestücken. Dabei spielen natürlich auch die Kosten (Tabelle S. 42) eine wichtige Rolle. Eines sollte man bei der Abwägung aber immer bedenken: Ohne Maßnahmen gegen den Wurm wird das Risiko gerade für den Premiumspeisekartoffelanbauer in Zukunft sehr hoch sein. Und die Kosten für die Maßnahmen sind im Gegensatz zu dem möglichen Komplettausfall als relativ überschaubar zu bewerten.

Wie sieht so ein Baukasten aus?
So könnte ein Baukasten zur Bekämpfung des Drahtwurms aussehen:
Variante 1: Kalkstickstoff streuen – entweder vor dem Pflanzen der Kartoffeln oder zur Zwischenfrucht vor den Kartoffeln:
- Selen in die Grunddüngung einbauen.
- Einsatz von 4 – 5 l Soil Tonic je nach Sorte und Reifegrad Mitte bis Ende Juli (grüner Bestand nötig).
- Schnelle und zeitige Ernte, sobald die Kartoffeln schalenfest sind.
Variante 2: Kein Kalkstickstoff wegen parasitärer Pilzkulturen im SteriClean Soil:
- Selen in die Grunddüngung einbauen.
- SteriClean ausbringen – am besten als Furchenbeizung in Kombination mit einer Biobeize wie Solanova oder Rhizovital 42.
- Soil Tonic 6 – 8 Wochen vor der Ernte (Mitte bis Ende Juli je nach Sorte) mit einem Aufwand von 4 – 5 l ausbringen. Kombinierbar mit Fungizidmaßnahme (mischbar mit allen zugelassenen Produkten).
- Schnelle Ernte, sobald die Kartoffeln schalenfest sind.
Welchen Einfluss hat die Kartoffelsorte?
Bezogen auf die Anfälligkeit für Drahtwurmbefall sehen wir modernere Züchtungen mit weniger Bitterstoffen als anfälliger an als ältere Sorten, die bitterer sind. So befällt der Drahtwurm eine Bernina oder Gala eher gern – im Gegensatz zu einer Fontane oder Agria.
Aber die Sortenwahl allein ist leider keine Versicherung mehr gegen den Drahtwurm. So mussten wir auch im Jahr 2020 in der Sorte Lilly Drahtwurmbefall mit bis zu 40 % feststellen – und das obwohl die Sorte Lilly erfahrungsgemäß eher zu den nichtanfälligen Sorten gehört.
Wichtig ist natürlich auch die sofortige und schnelle Ernte nach der Sikkation. Die Kartoffeln dürfen dem Drahtwurm nicht zu lange ausgesetzt sein, bevor sie aus der Erde kommen. Ein Sorte zu wählen, die der Dratwurm nicht mag, ist kaum möglich – denn immer wieder sorgt er für Überraschungen. So haben wir 2020 sogar bei der als wenig anfällig eingestuften Sorte Agria Drahtwurmbefall von rund 80 % gesehen. Diese Partien eignen sich dann leider nur noch für den Futtertrog oder die Biogasanlage.