
Einen Ausflug mit kritischen Worten zur EU-Förderpolitik unternahmen die bayerischen Feldsaatenerzeuger bei ihrer Mitgliederversammlung in Wolferszell: Mehr leisten, aber weniger Geld bekommen – was Gewerkschaften als Anlass zum Streik sehen, müssen Landwirte hinnehmen. Denn die Pläne zur GAP 2023 sehen genau das vor: Die Beihilfenhöhe nimmt ab, während die Auflagen zunehmen.
Auf diese Situation treffen nun die außergewöhnlich hohen Erzeugerpreise und so nimmt der Anteil der EU-Beihilfen am gesamten Betriebseinkommen ab – während die Auflagen für zusätzliche Kosten und Aufwand sorgen.
Anteil der Beihilfen am Betriebseinkommen sinkt
„Wenn die Erzeugerpreise noch länger so hoch bleiben, kann es dazu führen, dass viele keinen Bock mehr auf die Beihilfen haben und darauf verzichten“, sagte Niki Karl von Andreae-Saaten. Seine Vermutung untermauerte er anhand eines fiktiven Betriebes, den er einmal in einer bayerischen Gunstlage (Betrieb A) und einmal im Trockengebiet (Betrieb B) wirtschaften ließ.
Mit den aktuellen Fördersätzen beträgt der Prämienanteil an einem Hektar Winterweizen für Betrieb A 16 % – für Betrieb B liegt der Anteil schon bei 25 %. Anschließend rechnete er den Anteil der Prämie mit den ab 2023 geplanten Fördersätzen; für Betrieb A lag er bei 5 % und für Betrieb B bei 8 % – die Kosten durch die Auflagen sind hier noch nicht eingerechnet. „Die Produktion wäre also in beiden Gebieten auch ohne Beihilfen wirtschaftlich“, fasste Niki zusammen.
Er betonte, dass man eine solche Berechnung eigentlich nur auf Betriebsebene anhand der tatsächlichen Kosten berechnen kann. Dennoch zeigen die Beispielrechnungen, wo der Trend hingeht – immer unter der Voraussetzung, dass die Erzeugerpreise auf hohem Niveau bleiben.
In Bayern hat Kulap noch große Bedeutung
Auch wenn die Zahlen zur Diskussion anregen, ob man es nicht leichter hat, wenn man auf die Beihilfen verzichtet – allen Auflagen kann man sich dadurch nicht entziehen. So gelten Fachrecht und DüV natürlich weiterhin, wie Karl betonte. Und gerade in Bayern spreche noch ein weiterer Punkt für die Beantragung der Beihilfen: das Kulap. „Darauf werden viele nicht verzichten wollen“, sagte Karl.
Feldsaaten könnten profitieren
Als Vertreter von Andreae-Saaten und Referent bei der Mitgliederversammlung des Landesverbandes der Feldsaatenerzeuger lenkte Karl den Blick auch auf die Auswirkungen der GAP 2023 auf den Feldsaatenmarkt. Demnach werden vor allem die großen Kulturen an Anbaufläche verlieren – also Weizen, Gerste, Roggen und Mais. Bei gleichbleibendem Futter- und Substratbedarf müssen andere Kulturen die Lücken schließen.
Konkret denkt Karl dabei an Ackerfutter und Grünlandintensivierung, also Gräser und Feinleguminosen sowie an Grobleguminosen. Zudem werden die Flächen mit Blühmischungen von Weißklee bis zu den Kulap-Mischungen etwas zunehmen. Daher könne der Anteil von Luzerne, Kleearten, Gräsern und Grobleguminosen unter den Bedingungen der GAP 2023 zunehmen.
GAP 2023: Bislang gibt es keine Planungssicherheit
Karl zeigte sich aber sehr vorsichtig mit seiner Aussage: Denn was die GAP 2023 angeht, sei noch nichts in trockenen Tüchern. Brüssel sieht bekanntlich noch Änderungsbedarf beim Strategieplan der Bundesregierung – die entsprechende Stellungnahme der EU kam am 20. Mai.
„Vereinfacht ausgedrückt, ist der EU der Strategieplan zu wenig ökologisch, die Artenvielfalt und das Carbon Farming werden zu wenig beachtet“, erklärte Sandra Ostermair von der Bayerischen Futtersaatbau. Sie ist Vorstandsmitglied des Landesverbandes der Feldsaatenerzeuger und gab einen düsteren Ausblick, wie es mit der GAP 2023 weitergeht: „Wenn wir im Dezember wissen, wie es nächstes Jahr weitergeht, dürfen wir uns glücklich schätzen“, befürchtet sie – dabei müssen die Landwirte ja schon zur Anbauplanung für den Herbst wissen, welche Auflagen sie ab nächstes Jahr einzuhalten haben.
Weizenpreis entscheidet über GAP-Tempo
Doch ob die neuen Vorgaben ab 2023 überhaupt gelten, bezweifelt Niki Karl. „Das Gesetzgebungsverfahren ist im Geburtskanal steckengeblieben“, verdeutlichte er. Wie schnell es nun aus diesem herauskommt, hängt nach seinen Worten stark vom Weizenpreis ab. Je höher der Weizenpreis bleibt, desto höher sei auch die Wahrscheinlichkeit, dass die neue GAP 2023 nicht umgesetzt wird. Eindeutiges politisches Ziel sei nämlich ein niedriger Weizenpreis, denn er hat einen entscheidenden Einfluss auf die Migrationsbewegungen und den Weltfrieden.
„Bei allen anderen großen Themen wie Energie kann man immer den Geldbeutel aufmachen, aber das Geld kann man nicht essen“, verdeutlichte er die weltweite Rolle bezahlbarer Lebensmittel. Sollte nun zur Ernte der Weizenpreis sinken – „und das ist das politische Ziel“, betonte er erneut – sei eine Umsetzung der neuen GAP in 2023, die unsere Produktion etwas limitiert, wahrscheinlicher.
Saatgutbranche sieht in der Ukraine eine Konkurrenz erwachsen
Aber nicht nur über die hohen Weizenpreise machte er die Ukraine zum Thema, sondern auch direkt. Dazu lenkte er den Blick auf Aktivitäten, die unter dem Radar der Öffentlichkeit abgelaufen sind. Karl bedauerte zwar das Leid der Menschen im Krieg, er sieht jedoch den heimischen Saatgutmarkt – zumindest theoretisch – durch die Ukraine bedroht. Denn sie hatte im letzten Herbst – also noch vor dem Krieg – beantragt, dass ihre Saatgutanerkennung mit der Saatgutanerkennung in der EU gleichgesetzt wird. Das wurde dann für die Marktfrüchte auch gemacht, „den Rest hat man außen vor lassen können“, wie Karl erklärte.
Doch sollte die Ukraine erneut mit so einem Ansinnen auf die EU zukommen, sei davon auszugehen, dass in der aktuellen politischen Lage jedem Wunsch der Ukraine entsprochen werde, ist Karl überzeugt. Er wolle an alle Entscheidungsträger appellieren, eine solche Entscheidung mit gesundem Menschenverstand zu treffen und dann müsste sie „nein“ lauten, sagte Karl. Denn eine Gleichstellung mit der Ukraine, die niedrigere Standards und eine andere Währung hat, würde nicht nur die Saatgutbranche der EU schwer treffen, sondern die EU würde ihre Selbstversorgung beim Saatgut, insbesondere bei den Feldsaaten, verlieren.
Karl verwies auf die Schweiz, die eine nationale Saatgutreserve geschaffen hat. Dabei müssen für die wichtigen Kulturarten immer ausreichende Mengen für eine Jahresaussaat auf Reserve liegen. Karl betonte, dass es nicht darum gehe, der Ukraine zu schaden, sondern darum, die eigene Selbstversorgung zu sichern, nicht neue Abhängigkeiten zu schaffen und mitzuentscheiden, wo die Produktion künftig stattfinden soll.