Wie die meisten Landwirte im Süd-Osten Großbritanniens arbeitet King mit Glyphosat vor dem Aussäen. „Erst muss Bewegung in den Boden, damit das Schwarze Gras aufläuft“, sagt er, „dann behandeln wir die Flächen, danach wird gesät“. Schwarzes Gras, ‘black gras’, heißt der Ackerfuchsschwanz in England. Und wie er arbeiten viele Landwirte, anders können sie das Ungras nicht mehr kontrollieren.
Durch die jahrelange auf Weizen konzentrierte Fruchtfolge wurde das Problem in ganz Großbritannien über die letzten Jahrzehnte immer größer. Auch in Norddeutschland hat das Ungras viele Landwirte bereits fest im Griff. Wo immer sich der Fuchsschwanz am Acker ansiedelt, müsse man ihn ernst nehmen, sagen auch die Berater der Firma BASF, die diese Fachexkursion nach Großbritannien Mitte Mai organisiert hatte. Im Rahmen dieser wurden Lösungen zur Kontrolle von Ackerfuchsschwanz vorgestellt: Das neue Herbizid Luximo ist in England bereits zugelassen und wird von Daniel King eingesetzt. In Deutschland plant BASF die Zulassung für 2025. Doch dass dieses Mittel seine Fuchsschwanzprobleme löst, darauf verlässt sich King nicht: Wie andere Herbizide zuvor, ist auch Luximo nur ein Mittel unter mehreren und ein Baustein in einer umfassenden Strategie.
Um dem Ackerfuchsschwanz Einhalt zu verschaffen, säen viele Landwirte in Großbritannien ihren Winterweizen (WW) spät. Ab September sinkt die Keimfähigkeit des Ackerfuchsschwanzes jede Woche um ca. 15 %. King hat im letzten Jahr seine Felder erst um den 25. Oktober bestellt. Sät er zu früh, verschafft er dem Ackerfuchsschwanz optimale Verhältnisse, sät er zu spät, kann es sein, dass der Weizen nicht gut aufläuft und dem Fuchsschwanz wieder Platz macht. Oder dass die Felder zu nass zum Befahren sind.
Nur 24 Stunden bleiben nach der Aussaat
Wenn King den richtigen Zeitraum gefunden hat, geht es los: Tagelang säen er und seine Mitarbeiter mit mehreren Maschinen die 400 ha Weizen aus. Nur 24 Stunden nach der Aussaat müssen sie die Felder mit Bodenherbiziden behandeln. Die Konzentration auf Bodenherbizide liegt vor allem an bereits vorherrschenden Resistenzen. Das bedeutet Arbeit rund um die Uhr und jeden Tag in der Woche für King. Ob er die Saatstärke und den Aussaattermin richtig getroffen hat und alle anderen ackerbaulichen Maßnahmen sitzen, das sieht er, wenn er später über seine Felder fährt.

„Neun von zehn Wochen arbeiten die Landwirte hier daran den Ackerfuchsschwanz unter Kontrolle zu bekommen“, berichtet King. Trotzdem halten die meisten am Anbau von Weizen fest, die Erträge sind so hoch, dass sich der Aufwand lohnt. Alleine in diesem Jahr sind es ca. 125 € pro Hektar, welche nur für den Pflanzenschutz investiert werden müssen. Bei prognostizierten 9,5 t Ertrag pro Hektar wäre dies aber lohnenswert, so King. Im letzten Jahr hat er sogar es zwölf Tonnen Weizen vom Hektar abgefahren.
Ökologischer Anbau ist unmöglich
Als King den Betrieb vor 30 Jahren von seinem Vater übernahm, war das Problem mit dem Ackerfuchsschwanz schon aktuell. Über die letzten Jahre hat es sich aber noch verschlimmert. King hat versucht durch Erweiterung der Fruchtfolge entgegenzuwirken, aber der Ackerfuchsschwanz macht auch in anderen Kulturen Probleme. 70 % seiner Nachbarn, sagt King, hätten gravierende Probleme mit dem Ungras. Auf die Nachfrage nach ökologischen Landwirten lacht er nur: „Ich kenne keinen einzigen Biolandwirt, so was gibt es hier nicht, und im Weizen – das ist unmöglich“.
So ist die Situation im ganzen Königreich
Ungefähr 70 % des Getreides im Vereinigten Königreich (UK) wird im Herbst angebaut. Die Anbauweisen ähneln jener von King. Trotz der Schwierigkeiten ist Weizen, aufgrund der hohen Erträge, mit einer durchschnittlichen Aussaatfläche von 1,7 Mio. ha das wichtigste Getreide im Vereinigten Königreich (Großbritannien + Nordirland). Wintergerste und Sommergerste wird mit 400 000 ha bzw. 750 000 ha angebaut.
Nur ein Viertel des Winterweizens wird vor dem 1. Oktober ausgesät. Bis zum 31. Oktober sind 90 % der Felder fertig. Die übrigen 10 % werden erst im November bestellt. Die eingesetzten Herbstherbizide machen ca. 60 % des gesamten Herbizideinsatzes aus. In Großbritannien gibt es ein hohes Maß an ALS- und ACCase-Resistenz. Die Resistenzen erschweren die Behandlungen zunehmend.
So ist die Situation in Bayern
In den letzten Jahren hat sich der Befall mit Fuchsschwanz in Deutschland deutlich verstärkt. Das Ungras sorgt vor allem im Norden und Westen für Ertragseinbußen und Qualitätsminderung. Auch in Bayern schreitet die Verbreitung immer weiter voran: Mehr als 30 % der Getreideflächen sind bereits befallen. Aufgrund regionaler Unterschiede in Boden und Klima muss die Bekämpfung gut organisiert sein.
Die LfL legte 2022 Versuche in Bayern an. Die Standorte wiesen zwischen 400 und 1650 Ackerfuchsschwanz-Ähren/m² in der unbehandelten Zone auf. Die überwiegend bodenaktiven Herbstbehandlungen stützten sich mangels Alternativen auf den Wirkstoff Flufenacet, der in den Präparaten Herold SC, Merkur und Cadou SC mit der zugelassenen Höchstmenge von 240 bzw. 250 g Wirkstoff/ha eingesetzt wurde. Die Ergebnisse zeigten, dass die Resistenzen auch in Bayern bereits große Probleme machen. Während bei den resistenzfreien Standorten (Thalmassing und Bechhofen) mit einfachen Bodenherbizidbehandlungen hohe Wirkungsgrade erreicht wurden. So wurde auf den Resistenzstandorten (Zoltingen und Scheßlitz) auch mit Spritzfolgen keine zufriedenstellenden Ergebnisse mehr zu erzielen. Zudem wurde auf den resistenten Standorten eine allgemein höhere Widerstandsfähigkeit gegen alle Herbizide festgestellt, obwohl die Anwendungsbedingungen gut waren. Am Standort Zoltingen konnte auch mit ACCase-Hemmern in Traxos und Avoxa kein überzeugendes Ergebnis erzielt werden.
Aber ist ein Befall von 30 % bereits besorgniserregend? Auf jeden Fall! Da sind sich die großen Pflanzenschutzunternehmen wie auch die BASF einig. Ackerfuchsschwanzsamen überstehen mehrere Jahre im Ackerboden und können verzögert geradezu explosionsartig emporsprießen.
Das bedeutet, auch wenn King seinen Acker mit Glyphosat behandelt, bei der nächsten Bodenbewegung ist das Ungras wieder da. Pro Pflanzenkopf besitzt die Pflanze zwischen 100 und 200 Samen. Bei der Null-Parzelle von King in Großbritannien, zählt die BASF über 1000 Köpfe pro Quadratmeter. Das wären bei 150 Samen je Pflanze 150 000 Samen auf einem Quadratmeter – die in den kommenden Jahren den Weizen bedrängen.
So lässt sich der Fuchsschwanz bekämpfen
80 % der Fuchsschwanzsamen in Deutschland keimen im Herbst. Er bevorzugt vor allem schwere und feuchte Böden. Wenn der Fuchsschwanz im Herbst keimt, dann bildet er bis Januar keine Bestockungstriebe. Im 1- bis 2-Blattstadium können die Keimlinge bis –8 Grad überleben. Im bestockten Stadium überleben sie bis –25 Grad. Im Frühjahr gedeiht der Fuchsschwanz dann optimal, überwächst das Getreide und fängt bei guter Witterung Ende April an zu blühen.
Fruchtbare Samen bildet das Gras vor allem bei hoher Bestandesdichte, denn das Unkraut ist ein Fremdbefruchter. Bei einem Versuch im Jahr 1968 wurden zwei Pflanzen mit 35 m Abstand aufgestellt. Die Pflanzen in Windrichtung bildete ein Drittel keimfähige Samen aus. Bei einer Bestandesdichte von 1000 Pflanzen je m² wie auf der Null-Parzelle von King dürfte diese Zahl deutlich höher sein.

Aber auch mit einer Keimrate von 32 % wären das auf der genannten Null-Parzelle von 150 000 Samen pro Quadratmeter somit 48 000 Samen. Dazu kommen die noch im Boden vorhandenen Samen. Diese können in schweren Böden bis zu 20 Jahre keimfähig bleiben. Über die Pollen werden auch resistente Gene verteilt. Durch die lange Lebensdauer im Boden erfolgt die Vermehrung und Resistenzbildung oft schleichend – und wird erst bemerkt, wenn es schon zu spät ist.
Das richtige Herbizid alleine reicht nicht aus, wichtig sind vor allem ackerbauliche Maßnahmen: beispielsweise die mechanische Ungraskontrolle. Der Schlag sollte vor der Saat ungrasfrei sein. Auch die Fruchtfolge und der Saattermin sind wichtig: Je früher gesät wird, desto besser kann sich der Fuchsschwanz entwickeln. Fruchtfolgen von ausschließlich Wintergetreide und Raps (wie es oft in England gemacht wurde) fördert den Fuchsschwanz. Aus diesem Grund ist es wichtig, Sommerungen einzubauen: Sommergetreide, Zuckerrüben oder Mais.
Fuchsschwanznester entfernen per Hand
Im Pflanzenschutz sollte schlagspezifisch gearbeitet werden. King bringt auf seinem Feld in Kombination das Herbizid Luximo aus. Er ist mit dem Ergebnis zufrieden. Im Vergleich zu dem vorher verwendeten Flufenacet, bietet das neue Mittel derzeit mehr Kontrolle. Luximo verhindert das Wachstum der Zellmembran und hindert den Ackerfuchsschwanz so am Wurzelwachstum. Die Keime können nicht mehr wachsen und sterben ab. Flufenacet bietet in angelegten Versuchen durchschnittlich 56 % Kontrolle. Luximo hingegen soll 77 % Kontrolle leisten. Laut King bräuchte man 90 %, um den Fuchsschwanz vom Feld zu vertreiben. Deswegen ist die Kombination von Maßnahmen entscheidend. „Der Ackerfuchsschwanz hat mich über die 30 Jahre bestimmt schon mehr als 100 000 Pfund gekostet“, warnt er. Umgerechnet sind das etwa 115 000 €.
Oft geht Daniel King im späteren Anbaujahr mit der Handspritze über seine Felder, um die Fuchsschwanznester am Aussäen zu hindern. Aber dies ist noch die harmlose Variante: Auf dem Rückflug nach Deutschland sieht man im Luftbild große Weizenfelder mit gelben Streifen. Als wäre jemand mit einem gelben Tipp Ex-Roller über die Felder gegangen. Nur dass hier tausende Euro ausradiert wurden: Es sind mit Glyphosat behandelte Streifen, welche mit Ackerfuchsschwanz befallen waren. Und offensichtlich ist es wirtschaftlicher, die stehende Ernte zu vernichten, als dem Ackerfuchsschwanz völlig ungehindert das Feld zu überlassen.