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Landwirtschaft im Wandel

Zukunft der Landwirtschaft: Nachhaltig mit Hightech

Podium 1: Landwirtschaft im Wandel. Ist Deutschland den Herausforderungen gewachsen?“ – diese Fragestellung diskutierten im Fendt Forum: Fritz Keller (Winzer bzw. ehem. DFB-Präsident, Olaf Bandt (Vorsitzender BUND), Joachim Rukwied (Präsident Deutscher Bauernverband), Anna Hopfenzitz (Molkerei Hochland), Dirk Nienhaus (Landwirt und Social Media Influencer)
Helmut Süß
Helmut Süß
am Dienstag, 22.11.2022 - 10:44

Beim 1. Fendt Nachhaltigkeitsforum unter dem Motto „Ist Deutschland den Herausforderungen einer Landwirtschaft im Wandel gewachsen?“ diskutierten Experten über die Wege, die Landwirtschaft in eine gute Zukunft führen.

Letzte Woche wurde die Zahl der weltweiten Bevölkerung von acht Milliarden überschritten. Diese acht Milliarden Menschen wollen ernährt werden. Zudem zeigen uns der Krieg gegen die Ukraine sowie die Klimakrise, dass die Landwirtschaft eine enorme Relevanz in puncto Nachhaltigkeit und Versorgungssicherheit gewinnt. „Die heimische Landwirtschaft sehe sich aktuell enormen gesellschaftlichen wie agrarischen Herausforderungen gegenüber“, erklärte dazu Fendt-Geschäftsführer Christoph Gröblinghoff in seiner Eröffnungsrede. „Neben der Neuausrichtung auf den Klimawandel steht die Landwirtschaft durch ins Wanken geratene Lieferketten und die Energieknappheit infolge des Angriffskrieges auf die Ukraine unter Druck. Aufgrund der in die Höhe geschnellten Kosten mussten auch wir die Preise anpassen“, räumte der Fendt-Chef ein. Gerade der Begriff Nachhaltigkeit, so Gröblinghoff weiter, sei durch seinen inflationären Gebrauch für manche fast schon zu einem ‚Unwort‘ geworden. Dem entgegenzuwirken, habe die Firma Fendt ihre Nachhaltigkeitsstrategie nicht nur in klar voneinander abgegrenzte Handlungsfelder gegliedert, sondern diese auch mit Verantwortlichen besetzt, die deren Umsetzung sicherstellten.

Fendt-Chef Christoph Gröblinghoff: „Durch den Einsatz von Fendt Technologien können unsere Kunden beispielsweise schon heute bis zu 50 Prozent der Emissionen in ihrer landwirtschaftlichen Produktion einsparen.“

Ein Handlungsfeld habe zum Ziel, die Logistik und ihre Lieferketten verantwortungsbewusst zu managen, sagte Gröblinghoff. Ein zweites Handlungsziel sei es, die Produktionsstätten klima- und ressourcenschonender zu machen. Hier sei man schon recht weit, meinte der Geschäftsführer. „Inzwischen könnte nur noch ein kompletter Gas-Stopp unsere Produktion anhalten.“ Auch bei E-Traktoren habe sich einiges in der Entwicklung getan, fügte Gröblinghoff hinzu und verwies dabei auf den rein elektrisch angetriebenen e100 Vario, der nächstes Jahr in Serie gehen soll sowie auf die Wasserstoff-Projektstudie ‚H2Agrar‘, die in Zusammenarbeit mit dem Land Niedersachsen erfolgt. Weitere Handlungsfelder seien der partnerschaftliche und faire Umgang mit Händlern und Kunden sowie die Verantwortung gegenüber der ganzen Gesellschaft.

Praktikable Lösungen fürLandwirtschaft gefordert

Hubet Aiwanger: „Landwirtschaft und erneuerbare Energien dürfen nicht im Widerspruch zueinander gesehen werden.“

Bei der Rede von Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) merkten die rund 150 eingeladenen Experten aus Landwirtschaft, Industrie, Naturschutzorganisationen, Politik, Wirtschaft und aus der Wissenschaft, dass er nicht nur im Bereich Energie fachlich sehr sattelfest ist. Der stellvertretende bayerische Ministerpräsident streifte ohne Manuskript durch die Themenbereiche Landwirtschaft, Versorgungssicherheit, Nachhaltigkeit, Artenschutz und Strukturwandel bzw. Bauernsterben. Aiwangers Rede beleuchtete diese Bereiche in all ihrer Kontroversität und brachte so manchen Aspekt prägnant auf den Punkt: „Ich bin auch Naturschützer: Um die Natur zu schützen, habe ich unter anderem einmal eine Salweide gepflanzt, und die hat dann der Biber gefressen.“ Seiner Ansicht nach solle man mit Vernunft an das Thema Nachhaltigkeit herangehen: „Landwirtschaft und erneuerbare Energien dürfen nicht im Widerspruch zueinander gesehen werden. Nachhaltigkeit besteht erst einmal darin, das, was die Natur liefert, nicht zu ‚übernutzen‘. Heimische Flächen sind knapp, damit muss man richtig haushalten.“

Ein Hauptknackpunkt laut Aiwanger sind die behördliche Überregulierungen, die sich auch noch laufend änderten. Dadurch können u.a. Nahrungsengpässe entstehen. „Neben der fehlenden Planungssicherheit für Land- und Energiewirte steigen die Produktionskosten, die auch durch Verordnungen herbeigeführt werden. Das führt zu einem Sterben der kleineren bäuerlichen Betriebe.“ Aber auch die verbleibenden größeren Betriebe seien durch die zunehmenden Regularien und die damit verbundenen Investitionen gezwungen, die sowieso schon steigenden Preise anzuheben. Und so könne man sich irgendwann fragen, ob ein Produkt wie Fleisch in Deutschland nur noch von den wirklich Finanzkräftigen gegessen werden darf. Eine Alternative dazu wäre dann der Import von Billig-Fleisch. „In China gibt es 28-stöckige Schweinefleischfabriken, in denen das Wasser und die Gülle durch Pipelines geschwemmt werden. Die liefern dann das Fleisch, während bei uns durch die ideologische Überregulierung der Naturschutz-Szene bäuerliche Betriebe sterben!“, empört sich Aiwanger.

Daher fordert er für Deutschland eine ‚realistische Landwirtschaft‘. Man müsse zwischen Naturschutz, Tierwohl etc. und Landwirtschaft einen Kompromiss finden, sonst würden nur noch ‚große, viehlose Betriebe‘ überleben können. In Bezug auf konventionelle Düngung bzw. Wirtschaftsdünger könne dieser nach dem heutigen technischen Entwicklungsstand zielgerichteter und somit weniger belastend für die Umwelt und das Grundwasser ausgebracht werden: „Man kann heute eine Pflanze mit modernster Technik gezielt in den Mund düngen“, so Aiwanger: „Spätestens seit der Ukraine-Krise sieht man, wie wichtig eine heimische Landwirtschaft ist.“ Er selbst sei ein Verfechter der erneuerbaren Energien insbesondere Holz als Energieträge und bezeichnete sich selbst als ein bekennender Wasserstoff-Fan. „Den Produzenten dieser Energien muss möglich gemacht werden, auch daran Geld zu verdienen. Um die Preise langfristig stabil zu halten und eine Versorgungssicherheit auf Dauer zu gewährleisten, müssen alle heimischen Produkte durch langfristige regionale Lieferverträge gesichert werden.“

Konsens, aber auch kontrovers diskustiert

Wasserstoff-Prototyp Traktor von Fendt: Im landwirtschaftlichen Modellprojekt H2Agrar werden erstmalig mehrere Prototypen eines wasserstoffbetriebenen Traktors ganz regulär auf landwirtschaftlichen Betrieben eingesetzt.

Allgemeinen Konsens herrschte auf dem ersten Podium mit Fritz Keller (Winzer bzw. ehem. DFB-Präsident, Olaf Bandt (Vorsitzender BUND), Joachim Rukwied (Präsident Deutscher Bauernverband), Anna Hopfenzitz (Molkerei Hochland) sowie Dirk Nienhaus (Landwirt und Social Media Influencer). Alle betonten einhellig: Nur gemeinsam könne man die Herausforderungen bewältigen, die sich der Landwirtschaft aktuell stellen. Und die sind nicht klein: Landwirte sollen nachhaltiger arbeiten, stärker auf Klimaschutz und Erhalt der Artenvielfalt achten. Gleichzeitig muss jedoch die Ernährung trotz Krieg und Klimawandel gesichert sein. Die Landwirtschaft befindet sich also in einem Umbruch konstatierte auch Dirk Nienhaus. Etwa bis zum Jahr 2050 werde die Weltbevölkerung auf etwa zehn Milliarden Menschen anwachsen – und die müssen bei gleichzeitig voranschreitendem Klimawandel ernährt werden. Nach Schätzungen des Weltklimarats der Vereinten Nationen sei die Ernährung für rund 20 bis 35 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Dieser Anteil könne sich durch das Wachstum der Weltbevölkerung sogar noch deutlich erhöhen – wenn sich die Art und Weise der Lebensmittelproduktion nicht grundlegend verändert. Daher sollen die Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft bis zum Jahr 2030 um 20 Prozent sinken.

Auch die Tierhaltung müsse nachhaltiger werden. Darüber waren sich Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund Naturschutz, und Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, einig. „Die Landwirtschaft hat sich immer verändert – und sie muss sich auch beim Thema Tierhaltung verändern“, sagte Rukwied. Für Landwirte, die in mehr Tierwohl investierten, müsse sich das aber auch finanziell rechnen. Hierzu müsse man den Lebensmitteleinzelhandel und die Verbraucher mit ins Boot holen, sagte Rukwied. „Der Verbraucher entscheidet schlussendlich, ob er die Preise zahlt, die notwendig sind.“ Doch aktuell blieben teurere Tierwohlprodukte in den Regalen liegen.

Der ‚Verstädterung der Hirne‘ entgegenwirken

Auf Kooperationen mit den Landwirten setze zum Beispiel die Molkerei Hochland, sagte Anna Hopfenzitz (strategisches Rohstoffmanagement Hochland Deutschland): „Gemeinsam mit den Landwirten hat Hochland für eine noch tierfreundlichere und nachhaltigere Milcherzeugung das Qualitätsprogramm ‚Milch für Hochland‘ entwickelt.“ Ebenso wie Fritz Keller, Winzer und früherer DFB-Präsident, warben beide für mehr Aufklärung und Verbraucherschulung sowie Bildung in den Schulen im Bereich Landwirtschaft. „Damit lässt sich die Wertschätzung für landwirtschaftliche Produkte steigern und somit auch das Thema Nachhaltigkeit vorantreiben.“ Dabei fiel öfter der Begriff der ‚Verstädterung der Hirne‘, damit ist gemeint, dass viele Politiker und auch Verbraucher gar keine realistische Vorstellung der Landwirtschaft mehr haben. So komme es zu ‚hirnrissigen politischen Entscheidungen‘.

Bei der zweiten Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Reinhard Grandke (Hauptgeschäftsführer der DLG), Susanne Schulze-Bockeloh (Vizepräsidentin Deutscher Bauernverband), Martin Hofstetter (Sprecher Agrar Greenpeace) und Max Straubinger (MdB) wurde dann schon kontroverser diskutiert. Denn der Vizepräsidentin des Deutschen Bauernverbandes platze dann doch der Kragen: „Ich bin eigentlich ein friedlicher Mensch“, sagte Susanne Schulze-Bockeloh: „Doch an dieser Stelle muss ich dazwischen grätschen. Sie beschuldigen fortwährend die gesamte Landwirtschaft. Und sie wollen gar keine gemeinsamen Lösungen!“, warf sie Greenpeace-Sprecher Martin Hofstetter vor. Er forderte bzw. verlangte von der Landwirtschaft nicht nur die Halbierung der Tierbestände und somit der Emissionen, sondern ein Bündel weiterer Forderungen u.a. solle jede Milchkuh wieder auf die Weide.

Von den Tieren wieder zur Technik, die bereits heute ein Teil der Lösung darstellt und zukünftig eine noch zentralere Rolle spielen wird.

Innovationen für mehr Nachhaltigkeit

„Innovative technische Lösungen sind entscheidend auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit“, zu diesen Schluss kam Benno Pichlmaier, Director Global Research & Advanced Engineering bei Agco in seinem Referat. Zu den Lösungen zähle auch Smart Farming (darüber hatte das Wochenblatt schon mehrfach berichtet). Denn mit intelligenter Technologie in landwirtschaftlichen Maschinen wie zum Beispiel Spurführungssysteme könne man sowohl den Ertrag als auch den Einsatz von Düngemitteln optimieren und den Kraftstoffverbrauch reduzieren. „Smart Farming ist ein großer Hebel“ in Richtung Nachhaltigkeit, sagte Pichlmaier: „Nachhaltig bedeutet für auch Enkeltauglichkeit“. Dabei fußt Nachhaltigkeit auf drei Säulen: Sozial, ökonomisch und ökologisch. Und genau in diese Richtung zielen die im März 2022 von Fendt verabschiedeten sechs Ansätze ihrer Nachhaltigkeitsstrategie.

  • Ein breites Spektrum an Referenten aus Industrie, Naturschutzorganisationen, Politik, Wirtschaft und aus der Wissenschaft trafen sich, um in Vorträgen und Diskussionsrunden beim Landtechnikhersteller Fendt in Marktoberdorf das Thema Nachhaltigkeit mit aktuellem Inhalt zu füllen.

  • Neben der Grundsatzfrage ‚Was versteht man eigentlich unter diesem Begriff?‘ ging man auf die Rolle und Aufgabe der Landwirtschaft bei diesem Thema ein und beleuchtete dabei auch den Beitrag der modernen Landtechnik.

  • Fendt selbst hat für sich eine aus sechs Handlungsfeldern bestehende Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt und möchte fortan mit nachhaltigen Lieferketten, einer klima- und ressourcenfreundlichen Produktion, bei der die Mitarbeitenden im Zentrum stehen, sowie innovativen und qualitativ hochwertigen Produkten einen aktiven Beitrag leisten. Weitere Elemente der Fendt’schen Nachhaltigkeitsstrategie betreffen den partnerschaftlichen Umgang mit Kunden und Lieferanten sowie das Engagement in der Öffentlichkeit für Biodiversität, Bildung und Chancengleichheit.