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Smarte Helfer auf den Feldern

Digitale Themen – digitale Kommunikation: In Ruhstorf stand die Digitalisierung, u. a. am Beispiel von Robotern und Drohnen, im Fokus. Dabei fand die Veranstaltung in Präsenz und per Live-Stream statt.
Helmut Süß
Helmut Süß
am Donnerstag, 10.11.2022 - 08:29

In Ruhstorf trafen sich Fachleute aus Wissenschaft, Wirtschaft und Praxis, um über Digitalisierung und Feldrobotik zu diskutieren, aber auch über Cybersecurity, den Einsatz von Drohnen und rechtliche Aspekte.

Christian Metz: „Wir wollten Markt- und Technologietrends aufzeigen, aber auch Handlungsbedarfe aufdecken.“

Die Landwirtschaft steht aktuell vor vielen Herausforderungen. Betroffen davon ist die gesamte landwirtschaftliche Wertschöpfungskette. Wie kann der Landwirt sich an die Auswirkungen des Klimawandels anpassen? Wie kann das Tierwohl gesteigert werden? Wie können hochwertige Lebensmittel mit transparenter Herkunft und nachvollziehbaren Produktionsbedingungen erzeugt und dabei die Biodiversität erhalten werden? Antworten auf Fragen wie diese kann die Digitalisierung geben und zielgerichtete sowie nachhaltige Lösungen bieten.

„Smarte Lösungen können der Landwirtschaft helfen, ressourcenschonender zu produzieren oder ausbleibende Arbeitskräfte zu ersetzen. Robotik kann das Pflanzenbausystem grundlegend verändern und mit der Skalierbarkeit sind diese Systeme gut an unterschiedliche Betriebe beziehungsweise Betriebsgrößen anpassbar“, betonte Dr. Markus Gandorfer von der LfL gleich eingangs einer Fachtagung in Ruhstorf.

Einsatz- und Problembereiche

Dr. Markus Gandorfer: „Unsere Vision ist, auch kleinräumige Strukturen wettbewerbsfähig bewirtschaften zu können.“

Denn dort haben verschiedene Institutionen Ende Oktober eine Informationsplattform geschaffen, um die verschiedenen Einsatzbereiche bzw. Problembereiche der Digitalisierung zu beleuchten: Zusammen mit dem Kompetenz-Netzwerk Digitale Landwirtschaft (KNeDL) hat die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) dort das Potenzial der Feldrobotik und des Drohneneinsatzes sowie das Thema IT-Sicherheit beleuchtet. Als Moderator und Diskussionsleiter fungierte Christian Metz, Leiter des Kompetenz-Netzwerks KNeDL. Mehr als 170 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren live mit dabei im Siemens Technopark Ruhstorf, zahlreiche weitere Interessierte haben online an der hybriden Veranstaltung teilgenommen.

Autonom, sicher und nachhaltig?

Roboter bei der LfL: Diese zwei smarten Helfer, der kleine Naio Oz (l.) und der größere Farmdroid, laufen für Praxisversuche in Ruhstorf.

„Robotik hat in der Landwirtschaft längst eine herausragende Stellung. Sie ist somit die Schlüsseltechnologie, um Umweltschutz aber auch Tierwohl mit Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitserleichterung zusammenzubringen“, sagte Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber in ihrer Videobotschaft beim Event „Smarte Helfer auf Bayerns Feldern".

Bayern gehört bereits heute zu den Spitzenreitern, wenn es um den Praxiseinsatz von Feldrobotern zur mechanischen Unkrautbekämpfung und zur Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln geht. „Und wir haben beste Voraussetzungen, um die Agrarrobotik so zu gestalten, dass unsere Landwirte und unsere Kulturlandschaft gleichermaßen von dieser Technologie profitieren“, sagte Ministerin Kaniber. „Wir haben weltweit renommierte Technologiefirmen, führende Forschungseinrichtungen innerhalb und außerhalb der Agrarwirtschaft sowie zukunftsgerichtete Verbände und auch affine Landwirte.“

Am neuen LfL-Standort in Ruhstorf an der Rott spielt neben dem Thema Agrarökosysteme und Diversifizierung deshalb der Bereich Digitalisierung und Feldrobotik eine ganz zentrale Rolle. So gab Dr. Markus Gandorfer, Leiter des LfL-Standorts Ruhstorf, einen Überblick zum Thema Feldrobotik und zeigte das Potenzial dieser neuen Technik auf: „Mit der Agrarrobotik ist die Vision verbunden, auch kleinräumige Strukturen wettbewerbsfähig bewirtschaften zu können.“

Erfahrungen mit Robotern in die Praxis umsetzen

Stefan Kopfinger, Leiter der LfL-Arbeitsgruppe Agrarrobotik, hat mit drei Feldrobotern demonstriert, was die momentan verfügbaren Feldroboter bereits alles können. „Mit den Ergebnissen aus unseren Versuchen können wir den Landwirten schon erste Erfahrungen mit an die Hand geben und so beim Einstieg in die neue Technologie vereinfachen“, sagte Kopfinger.

Ähnliches berichtete Lina Schardey von der Landesanstalt für Wein- und Gartenbau (LWG) zu den Möglichkeiten von kleinen autonomen Robotern, die gerade im Gewächshaus oder in den oft eingezäunten Anlagen fast ideale Bedingungen vorfinden. Zudem sei bei diesen Sonderkulturen sowohl der Arbeitsaufwand als auch der Mangel an Arbeitskräften enorm.

Mit einem Blick über den sogenannten Gartenzaun nach Österreich berichtete Dr. Markus Gansberger von dem interessanten Projekt „Innovation Farm“. Dort werden innovative Techniklösungen unter Praxisbedingungen und deren Einsatztauglichkeit getestet. Einige der vielen Projekte im Bereich Automatisierung und Robotik sind der Einsatz von Robotern im Stall sowie der KI-gestützte Robotereinsatz zur herbizidfreien Beikrautbekämpfung in Bio-Zuckerrüben. „Ziel des Feldversuches mit dem Feldroboter der Firma Farming-Revolution ist die Ermittlung arbeits- und betriebswirtschaftlicher Kennzahlen beim Einsatz im biologischen Zuckerrübenanbau. Darüber hinaus soll bei dem Feldversuch die Arbeitsqualität des Roboters aufgenommen und mit Daten ohne Robotereinsatz verglichen werden“, erklärte Gansberger.

Große Erwartungen, rasanter Fortschritt

Passend dazu war auch der Bericht aus der Praxis von Annette Plank, die im Gäuboden den Farmdroid seit einer Saison auf ihren Feldern als digitalen Helfer einsetzt. „Er sät Zuckerrüben und hackt anschließend autonom in und zwischen den Reihen die Rüben. Es gehört schon Idealismus und Pioniergeist dazu und nur mit der Förderung von Bayern Digital konnten wir uns dazu entschließen. Seitdem bekommen wir viele E-Mails von unserem Roboter, den wir Sisyphus genannt haben“, erzählt Annette Plank schmunzelnd.

Die Erwartungen an die neuen, smarten Helfer sind groß, doch noch kann die Technologie in allen Bereichen Schritt halten mit den großen Visionen. „Durch den rasanten technologischen Fortschritt werden noch vorhandene Kinderkrankheiten jedoch schnell verschwinden. Damit die großen Erwartungen an die Agrarrobotik auch realisiert werden können, ist der Rechtsrahmen ausschlaggebend“, sagte Olivia Spykman aus der LfL-Arbeitsgruppe Digital Farming.

In einer abschließenden Podiumsdiskussion, moderiert von Dr. Markus Demmel, stellvertretender Leiter des Instituts für Landtechnik und Tierhaltung der LfL, waren sich die Teilnehmer aus Landwirtschaft, Forschung und Industrie einig, dass es noch einige Hindernisse gibt, bis sich die Robotik in der Landwirtschaft auf breiter Fläche durchsetzen und ihr Potenzial entfalten kann. Neben der digitalen Infrastruktur, beispielsweise dem 5G-Netz, sind als Haupthemmnisse geschultes Personal vor Ort und im Service zu nennen, die Konnektivität und die vielen Regulierungen, angefangen bei Fluggenehmigungen für Drohnen bis hin zu weiteren Vorgaben beim Einsatz vollkommen autonomer Systeme auf den Äckern.

Cybersecurity: Schutz vor Angreifern im Netz

Nicht zuletzt die Datensicherheit und Nutzungsrechte wurden hierzu von den Experten genannt. Denn mit zunehmender Digitalisierung auf dem Betrieb steigt auch das Bewusstsein für potenzielle IT-Risiken. Nach einer Videobotschaft von der Bayerischen Staatsministerin für Digitales, Judith Gerlach, wurde daher auch das Thema IT-Sicherheit und Cybersecurity behandelt. Dr. Christa Hoffmann verdeutlichte in ihrer Präsentation, dass auch landwirtschaftliche Betriebe mittelbar über die Hersteller der verwendeten Technologien einem Risiko ausgesetzt sein können.

Hemmnisse bei Drohnen und Robotern

Beate Kuntz da Silva von Siemens und Peter Wilfahrt vom Bundesverband Digitale Sicherheit stellten deshalb Ansätze vor, wie die digitale Sicherheit verbessert und größerer Schaden im Falle eines Angriffs vermieden werden kann. Letzteres demonstrierte Wilfart live, indem er mit wenigen Klicks in das System des Siemensparks vor Ort „einbrach“. Solche Einbrüche in die digitale Welt häufen sich, wie die weltweiten Beispiele auch im Agrarbusiness zeigen – beispielsweise auf eine Molkerei in Österreich oder auf Agco in den USA mit Folgen für den Fendt-Produktionsstandort in Marktoberdorf.

Die Veranstaltung wurde durch eine Betrachtung des Drohneneinsatzes in der Landwirtschaft mit Beiträgen aus der Wissenschaft und von kommerziellen Anwendern ergänzt. Joseph Bühler von der BayWa hat dabei die Rolle der Drohnen im Pflanzenschutz auf schwer zugänglichen Flächen hervorgehoben. „Die Maiszünsler-Bekämpfung mit Schlupfwespen-Kapseln, die von Drohnen in einem exakten Muster abgeworfen werden, hat sich bestens bewährt. Auch Sprühdrohnen in Wein-Steillagen haben großes Potenzial.“

Erfolgserlebnisse mit geretteten Rehkitzen

Drohnen werden vielfach aber auch zu Forschungszwecken eingesetzt. Hierzu zeigte Dr. Lukas Prey von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf beispielhaft einige Möglichkeiten aufgezeigt hat. Und schließlich tragen auch Berichte über gerettete Rehkitze, die per Drohne aufgespürt und dann aus der Gefahrenzone des Mähwerks geborgen werden, erheblich zu einem Imagegewinn der modernen Landwirtschaft bei.

Fazit: Das gesetzte Ziel vom Kompetenz-Netzwerk Digitale Landwirtschaft Bayern – als offenes Netzwerk von Interessierten – konnte mit dieser Fachtagung voll erfüllt werden: Denn es wurden Markt- und Technologietrends dargelegt, Entwicklungen analysiert sowie Konsequenzen aufgezeigt, aber es wurden auch Handlungsbedarfe aufgedeckt und zudem gut kommuniziert.

Digitale Projekte in Bayern

  • Das Kompetenz-Netzwerk Digitale Landwirtschaft Bayern KNeDL versteht sich als der Impulsgeber und Begleiter der digitalen Transformation in der Landwirtschaft. Um die durch bäuerliche Familienbetriebe geprägte bayerische Landwirtschaft in ihrer Vielfalt zu sichern, weiterhin wettbewerbsfähig aufzustellen und für die Gesellschaft akzeptabel zu halten, ist es wichtig, die Möglichkeiten neuer Technologien zu kennen und bestmöglich umzusetzen. Vertikaler und horizontaler Austausch und Kooperationen zwischen Wirtschaft, Wissenschaft, Verbänden und staatlichen Stellen, auch über die Agrarbranche und den Freistaat hinaus bieten das Potenzial für Synergien und Innovationen als zentrale Bausteine einer zukunftsfähigen Landwirtschaft.

  • Landwirtschaft digital: Mit dem Bayerischen Sonderprogramm Landwirtschaft Digital fördert der Freistaat Bayern Investitionen im digitalen Bereich, die vor allem das betriebliche Management optimieren, die Umweltverträglichkeit verbessern, das Tierwohl steigern und die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen.

  • Landwirtschaft 4.0: Wie kann die Landwirtschaft in Bayern von der Digitalisierung profitieren? Die Projektgruppe Digitale Landwirtschaft der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft testet und bewertet Technologien, mit dem Ziel deren Akzeptanz bzw. Einsatz in der Landwirtschaft zu erhöhen.

  • Förderung der Digimilch: Mit digitalen Experimentierfeldern fördert das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft die Digitalisierung in der Landwirtschaft. Das Testfeld Digimilch in Grub erprobt und bewertet neue digitale Produkte und Services entlang der Milcherzeugung.