
Glaubt man Umfragen, sind 43 % der österreichischen Landwirte neuen Technologien gegenüber eher positiv eingestellt. In etwa gleich groß ist der Block der „Neutralen“ – und etwa nur 10 % der Befragten halten von moderner Technik offenbar nichts oder nur wenig. Rasant schreitet die Digitalisierung in allen Lebensbereichen voran – da macht die Agrarbranche natürlich keine Ausnahme. Ing.
Stefan Polly von der Landwirtschaftskammer Niederösterreich hatte diese Umfrageergebnisse jetzt im Rahmen eines Webinars der Österreichischen Hagelversicherung vorgestellt, das sich mit dem Einsatz moderner Technologien in der Landwirtschaft beschäftigte. Im Mittelpunkt stand dabei vor allem auch die Frage, was ein Betrieb „wirklich braucht“. Am Ende sei es natürlich auch eine Kostenfrage, ob sich Investitionen in modernste Technik lohnen. Einig war sich die Expertenrunde jedenfalls darin: Je kleiner ein Betrieb, desto länger dauert die sogenannte Amortisationszeit – auf gut deutsch, bis es sich rechnet.
Maschinenauf dem Feld präzise steuern
Ing. Stefan Polly (Referatsleiter Digitalisierung) sieht die größten Herausforderungen der Landwirtschaft künftig darin, für eine wachsende Weltbevölkerung immer mehr Nahrung auf weniger Flächen zu produzieren. Nicht zu vergessen der Klimawandel, der sich wohl nicht aufhalten lasse und „wir damit leben müssen“. Polly listete einige Bereiche auf, in denen die Digitalisierung bereits Einzug gehalten hat. So fänden sich in etlichen Betrieben Stallkameras und Fütterungsroboter.
Zunehmend Gebrauch gemacht wird auch von der automatisierten Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln und von automatischen Lenk- und Spurführungssystemen. Weit fortgeschritten sei die Digitalisierung in der Abwicklung verwaltungstechnischer Vorgänge (z.B. Anträge, Formulare) und auf dem Gebiet der Wettervorhersage, wobei sich hier Agrar-Apps großer Beliebtheit erfreuen. Das Angebot an technischem Equipment werde immer vielfältiger, weshalb es für den Landwirt nicht immer leicht sei, den Überblick über neueste Entwicklungen zu behalten.
Wie Drohnen beim Pflanzenschutz helfen

Ein spannendes Feld der Digitalisierung tut sich indessen bei der Düngung und beim Pflanzenschutz auf. Das Schlagwort heißt hier „teilflächenspezifisch“, was grob formuliert so viel bedeutet wie zielgenaue Düngung bzw. Pflanzenbehandlung. Am Beispiel der Ackerkratzdistel erläuterte. Polly, wie man mittels eines Drohneneinsatzes dem lästigen Unkraut beikommen kann. So würden entsprechende „Nester“ mit einer Drohne überflogen und lokalisiert, um sie dann gezielt zu bekämpfen.
Dazu habe man in der niederösterreichischen Landwirtschaftskammer eine hauseigene Applikationskarte entwickelt, die in der Praxis offenbar gut ankommt. Nach Angaben von Polly konnten so die Kosten etwa auf einem Maisfeld von 63 €/ha auf 49 €/ha gesenkt werden. „Wir arbeiten mit der Drohnentechnik sehr intensiv“, betonte der Agrarexperte und verwies auf die vergleichsweise sehr teuren Maschinen (Robotik) zur Pflanzenerkennung mittels Sensorik.
KI für Produktion und Landschaftspflege
„Es ist noch viel möglich“, sagte Maximilian Hardegg vom Gut Hardegg in Seefeld-Kadolz (NÖ). Einsatzmöglichkeiten der Künstlichen Intelligenz sieht der Landwirt insbesondere beim Pflanzenschutz, der Düngung und bei der Fruchtfolge. Der Reihe nach zählte er weiter auf: sparsamer Umgang mit Betriebsmittel, Schonung natürlicher Ressourcen und sichere Erträge mit Qualitäten auf hohem Niveau. Dem Diplomingenieur, der im oberbayerischen Freising-Weihenstephan Agrarwissenschaften studiert hat, geht es dabei vor allem auch um den Erhalt einer „artenreichen Landwirtschaft“, in der auch Wasserlöcher und Grünstreifen ihren Platz haben. So könnten mittels Digitalisierung beispielsweise auch Biodiversitätsflächen und Ruhezonen für Tiere und Pflanzen geschaffen werden. Es gäbe viele praktische Anwendungen für die moderne Technologie – von der Erstellung von Bodenkarten bis hin zu Satellitenbildern.
Verwaltung hinkt teils noch hinterher
Kritik übte Maximilian Hardegg insbesondere daran, dass die Digitalisierung auf den Betrieben im Verwaltungsbereich (Bürokratie!) teils weit fortgeschritten sei, dagegen auf dem Feld und im Stall und vor allem auf dem Gebiet der Landschaftspflege noch weit hinterherhinke. Seiner Meinung nach dürfe Digitalisierung jedenfalls nicht zu mehr Bürokratie und Kontrolle führen – vielmehr sei eigenverantwortliches Handeln gefragt. Ohnehin vertritt Hardegg die Meinung, „dass Technik das Mitdenken des Menschen nicht ersetzen kann“.
Das von ihm geführte Gut Hardegg ist im nördlichen Weinviertel gelegen und blickt auf eine über 500 Jahre alte Familientradition zurück. Der Gutsbetrieb umfasst rund 2600 ha und beschäftigt über 40 Mitarbeiter in den Bereichen Getreidebau, Erdäpfel, Schweinezucht, Weinbau und Forstwirtschaft. Für Maximilian Hardegg steht die Schaffung eines „hochwertigen Ökosystems“ im Mittelpunkt seiner Arbeit. Ihm schwebt, wie er sagt, „ein Österreich mit einer artenreichen Landwirtschaft“ vor.
Viel geforscht auf dem Feld neuer Technologien wird auch am Francisco Josephinum Research (FJ) in Wieselburg, wo Fabian Butzenlechner seiner Arbeit nachgeht. Er selbst ist auf einem landwirtschaftlichen Betrieb groß geworden und weiß daher, wo „Handlungsbedarf“ bei der agrarischen Forschung besteht. Ziel der sogenannten „Innovation Farm“ sei die Vermittlung praxisnaher Lösungen für die Bäuerinnen und Bauern. Zusätzliche Herausforderungen seien der menschengemachte Klimawandel, der Verlust an Biodiversität und nicht zuletzt die Ressourcenkrise.
Zielgenau düngen, aber nicht überbewerten
Wie an anderen Forschungsstandorten versuche man auch in Wieselburg, die Vegetation möglichst kleinräumig zu erfassen, um so beispielsweise „zielgenau“ düngen zu können. So kombiniere man Feld- und Satellitendaten, um damit einen Vegetationsindex zu erstellen, der wiederum in eine entsprechende Düngemenge umgerechnet wird. Es gehe laut Fabian Butzenlechner letztlich darum, die Düngung besser auf das Pflanzenwachstum abzustimmen und aus dem Ackerland das Beste herauszuholen. Seinen Worten zufolge sollte man die Digitalisierung nicht überbewerten, sie aber gleichwohl „nutzbringend“ einsetzen.
Mit Spurgenauigkeit maximal effizient
Über „maximale Effizienz“ bei der Feldbestellung referierte Klaus Steinmayr vom Traktorenwerk Steyr, das mit der Schwestermarken New Holland und Case IH zum CNH-Konzern gehört. Viel ging es dabei um präzise Spurführung bei Schleppern, mit der sich die meiste Effizienz am Acker herausholen lasse. Ob beim Säen, Düngen oder Ernten – auf der Minimierung von Fahrspuren liege ein Hauptaugenmerk bei der Traktorenentwicklung. So sorge eine Automatisierung am Ende der Spur dafür, dass sich die Überlappung um knapp 5 % reduziere, was bei einem Weizenfeld eine Kostenersparnis von 47 €/ha bringe. Zudem sorgten präzise Fahrspuren für weniger Verdichtungen und damit für mehr Ertrag.
Steinmayr, seines Zeichens Global Product Manager, sprach in diesem Zusammenhang von einer Spurgenauigkeit von 1,5 cm – das lässt sich natürlich am Display in der Traktorenkabine ziemlich genau verfolgen. „Wir sind definitiv noch nicht am Ende der Entwicklung“, sagte Steinmayr und stellte praktikable Lösungen für Betriebe von 10 bis 1000 ha in Aussicht.
Vielfältige Chancen der Digitalisierung sieht man auch im Bundeslandwirtschaftsministerium in Wien, insbesondere was Ressourcenschonung und eine effiziente Landwirtschaft angeht. Aber Digitalisierung benötige auch ein entsprechendes Netz – und da sei noch Bedarf, sagte Mag. Marlene Tasser. Auf dem Gebiet „smarter Lösungen“ forsche vor allem das Konsortium der „Innovativen Farm“, wo Kompetenzen im Bereich der Digitalisierung an den drei Standorten Wieselburg (NÖ), Raumberg-Gumpenstein (Steiermark) und Mold (NÖ) gebündelt werden. Ziel sei eine umweltgerechte Weiterentwicklung der Landwirtschaft mit Hilfe neuer Technologien, betonte Tasser. Dabei gehe es vor allem auch um die praktische Erprobung, Optimierung und Vermittlung von modernen, technischen Entwicklungen, Produkten und Konzepten in der Innen- und Außenwirtschaft.
Die „Innovation Farm“ verfolgt desweiteren das Ziel, den Nutzen neuer technischer Lösungen für die österreichische Landwirtschaft herauszuarbeiten und den Zugang zu Entwicklungen für Landwirtinnen und Landwirte zu erleichtern. Unter dem Begriff Landwirtschaft 4.0 sollen Chancen und Trends, aber auch Risiken aufgezeigt werden, so die Wissenschaftlerin. Letztlich aber gehe es in Österreich vor allem um „eine nachhaltige Landwirtschaft“.
Wetter: Wichtige Signale aus dem All
Hoch hinaus im sprichwörtlichen Sinn des Wortes will Mag. Martin Mössler, seines Zeichens General Manager des Science Park Graz, in dem er 2016 das Start-up Zentrum der Europäischen Weltraumagentur (ESA BIC Austria) für Österreich und Südosteuropa aufbaute. Über 200 Junggründer und Start-Ups wurden bereits unterstützt, etwa mit Beratungen, Coaching und mit einem großen Business-Netzwerk. Man mag es nicht glauben, aber Graz ist im Bereich Weltraumforschung „die Hauptstadt Österreichs“.
Kein Wunder also, dass Mössler beim Webinar der Österreichischen Hagelversicherung viel über den Weltraum sprach, aus dem Daten für die Wettervorhersage zur Erde gefunkt werden. Dazu umkreisen zahlreiche Wettersatelliten die Erde. Es handelt sich dabei um Erdbeobachtungssatelliten, die die chemischen und physikalischen Vorgänge in der Erdatmosphäre beobachten.
Geostationäre Wettersatelliten fliegen in einer Höhe von 35 800 km über dem Äquator. Sie ermöglichen eine hohe zeitliche Auflösung, die dabei hilft, die Entwicklung von Wettersystemen zu beurteilen. Polarumlaufende Wettersatelliten fliegen auf einer polaren Bahn in einer Höhe von etwa 800 km um die Erde und können die Erdoberfläche in 12 Stunden ein Mal komplett abtasten. Mit modernster Technik können so präzise Wettervorhersagen auch für die Landwirtschaft erstellt werden.
Der erste Wettersatellit startete übrigens 1960 ins All. Mit der Auswertung und Nutzung von Wettersatelliten befasst sich die Satellitenmeteorologie. Sie nutzt die Daten vor allem für die Wettervorhersage und die Klimatologie. Sie sind angesichts zunehmender Extremwetterereignisse vor allem auch für die Österreichische Hagelversicherung relevant, wie Pressesprecher Dr. Mario Winkler betont.