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Erntetechnik

Luzerne: Wie lassen sich Blätter und Stängel trennen?

Ungewohntes Einsatzbild: Der Prototyp des angepassten Mähdreschers arbeitet bei der Ernte von Luzerneblättern im grünen Bestand.
Dr. Jan Maxa, Stefan Thurner (LfL Landtechnik)
am Donnerstag, 12.01.2023 - 11:31

Der Bedarf an hochwertigem Eiweißfutter sowie häufigere Trockenheiten bringen heimische Futterpflanzen wie die Luzerne sowie neue Techniken zur separaten Ernte der Luzerneblätter ins Rampenlicht.

Das Institut für Landtechnik und Tierhaltung (ILT) der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) in Freising widmet sich im Rahmen mehrerer Verbundforschungsprojekte neuen Erntetechniken für Grünleguminosen mit dem Ziel der Aufkonzentration des Proteingehalts. Die Aktualität des Themas „heimisches Eiweiß“ basiert auch auf den veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen der neuen EU-Öko-Verordnung. Durch die Zustimmung des EU-Agrarrates ist dieses Jahr die neue Öko-Verordnung in Kraft getreten, die eine Versorgung mit 100 % Ökofutter in Biobetrieben vorschreibt.

Eine Übergangsfrist, in der noch konventionelle Eiweißkomponenten wie Kartoffeleiweiß und Maiskleber bis zu maximal 5 % der Ration beigemischt werden dürfen, gilt z. B. bei der Schweinefütterung nur noch als Ausnahmeregelung. Diese soll nach bisherigem Informationsstand, u. a. für Ferkel bis zu einem Gewicht von 35 kg gelten. Es ist somit speziell im Ökolandbau künftig ein Engpass bei der Versorgung mit essenziellen Aminosäuren bei Monogastriern zu erwarten.

Blätter für Schweine, Stängel für Wiederkäuer

Hier kann die spezifische Nutzung von Luzerne ein Teil der Lösung im Bereich der Schweinefütterung sein. Denn Grünleguminosenbätter verfügen über einen hohen Gehalt an Eiweiß und an essenziellen Aminosäuren wie Lysin und Methionin. Die Pflanzenreste eignen sich nach der Trocknung als Heu weiterhin als eiweißreiches Grundfutter für Wiederkäuer.

Die Technik zur Blatt-Stängel-Trennung bei Grünleguminosen existierte bislang nur ansatzweise, wobei bereits in den sechziger Jahren einer der ersten Prototypen einer Luzerneblatterntemaschine in den USA entwickelt wurde. Bislang fehlten jedoch Lösungen im großtechnologischen Maßstab über die ganze Prozesskette. Diese wurden an der LfL im Rahmen des durch Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung geförderten Forschungsprojekts „Grünlegum“ (FKZ: 2815OE077) untersucht und weiterentwickelt.

Derzeit können wir diese in drei unterschiedliche Verfahrensgruppen unterteilen bei denen Luzerneblätter oder Luzernepflanzenspitzen geerntet werden:

  • Verfahren mit Blatt-Stängel-Trennung direkt auf dem Feld,
  • Verfahren, bei denen die Trennung von Blatt-Stängel erst nach der Ernte stationär durchgeführt wird,
  • sowie ein weiteres Verfahren, bei dem die oberen Teile der Luzernepflanze, also die Luzernespitzen, getrennt vom unteren Teil abgemäht werden und somit die aufwendige Blatt-Stängel-Trennung entfällt.

Ernte der Luzerneblätter mit Spezial-Mähdrescher

Die Blatt-Stängel Trennung direkt auf dem Feld ist noch im Prototypenstadium, trotzdem soll hier ein praxisrelevantes Verfahren kurz vorgestellt werden. Es handelt sich dabei um einen Mähdrescher, der zur Ernte von angewelkten Luzerneblättern von der Professur für Agrarsystemtechnik der TU Dresden und der Firma Brand Landtechnik aus Beilngries im Rahmen des Projekts „Protein Regional – LuzerneKlee“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (FKZ: 16KN043325) umgebaut und optimiert wurde.

Zu klärende technische Fragestellungen waren dabei u. a. die Leerung des Korntanks, die Pick-up, die Einstellung und Modifikation der Dreschtrommel sowie der Test verschiedener Siebe und Arbeitsgeschwindigkeiten. Ein Vorteil bei dieser Technik ist, unter der Voraussetzung guter Wetterbedingungen und einem Trockenmassegehalt der angewelkten Luzerne von ca. 65 %, die direkte Lagerfähigkeit des Blattmaterials, das beim Dreschvorgang von den Stängeln getrennt wird.

Voraussetzung: Stabiles Wetter

Dies erfordert jedoch einen relativ langen Anwelkprozess auf dem Feld mit stabiler Wetterlage. Um dabei die Blattverluste zu reduzieren, wird die Ablage der Luzerne beim Mähen auf einem breiten Schwad und abhängig vom Wetter mit ein- bis maximal zweimaligem Wenden empfohlen. Für eine bessere Handhabung im Handel oder den Futtermischwerken wird eine Pelletierung des vom Mähdrescher getrennten Blattmaterials z. B. in Form von Cobs empfohlen.

Im geernteten Blattmaterial wurde unter guten Bestands- und Wetterbedingungen ein Rohproteingehalt von bis zu 29 % in der Trockenmasse nachgewiesen. Im Durchschnitt über mehrere Schnitte lag der Rohproteingehalt bei knapp 26 % (in der Abbildung als Verfahren 1 bezeichnet).

Diagramm: Protein-, Lysin- und Methioningehalte

Die Stängel, die bei diesem Verfahren im Durchschnitt immer noch ca. 15 %, im besten Fall sogar bis zu 19 % Rohprotein beinhalten, können nach der Trocknung als Heu in der Wiederkäuerfütterung eingesetzt werden. In Anbetracht der Versorgung mit essenziellen Aminosäuren wie Lysin und Methionin lieferte das vom Mähdrescher geerntete Blattmaterial Aminosäurengehalte in der Trockenmasse von ca. 13,0 g/kg Lysin und 3,5 g/kg Methionin. Der Trockenmasseertrag lag pro Schnitt bei ca. 16 dt/ha und war höher als der Stängelertrag mit ca. 11 dt/ha.

Diese Technik befindet sich zwar derzeit nicht auf dem Markt, für den Umbau bzw. die Anpassung eines auf dem Betrieb vorhandenen Mähdreschers kann jedoch die Firma Brand Landtechnik kontaktiert werden.

Stationäre Trennung der Luzerneblätter

Stationäre Trennung: In der Qualitätstrocknung Nordbayern wird die Ganzpflanze getrocknet, erst später erfolgen dann die Blatt-Stängel-Trennung und Weiterverarbeitung zu Cobs.

Der Vorteil dieses Verfahrens besteht im Einsatz der herkömmlichen Maschinen bei der Ernte. Die Trennung in Blatt und Stängel der getrockneten Luzerne wird dagegen derzeit nur in der Trocknungsanlage der Qualitätstrocknung Nordbayern am Standort in Wechingen mittels Siebverfahren praktiziert.

Bei diesem Verfahren wird leicht angewelkte Luzerne als Ganzpflanze in einer Heißlufttrocknung verarbeitet. Da das Erntematerial kurz nach dem Mähen abtransportiert wird, kommt es zu geringeren Bröckelverlusten auf dem Feld. Erst im späteren Prozess – nach einer Mindestlagerperiode – erfolgt dann die Blatt-Stängel-Trennung mittels Sichtanlage. Die separierte Blattmasse wird im letzten Schritt mithilfe einer Pelletpresse in das Endprodukt Cobs mit bis zu 24 % Rohproteingehalt verarbeitet.

Im Durchschnitt über mehrere Schnitte lag der Rohproteingehalt bei knapp 20 % (Verfahren 2 in der Abbildung). Im Endprodukt Cobs wurden Aminosäurengehalte in der Trockenmasse von 9,3 g/kg Lysin und 2,6 g/kg Methionin festgestellt. Die Strohfraktion mit einem Rohproteingehalt unter 14 % in der Trockenmasse wird als Nebenprodukt Luzernestroh z. B. als Beschäftigungsmaterial für verschiedene Tierarten vermarktet. Der Anteil der Cobs-Fraktion beträgt ca. 40 % der gesiebten Gesamtmenge.

Separate Ernte von Luzernespitzen

Zweckentfremdet: Die Top Cut Collect Maschine wurde ursprünglich für das Abschneiden von Unkräutern konzipiert, lässt sich aber auch für die Ernte von Luzernespitzen einsetzen.

Da bisher die getrennte Nutzung der Luzerneprodukte für Monogastrier und Wiederkäuer aufgrund der Verfügbarkeit der Technik zur Blatt-Stängel-Trennung in der Praxis nicht weit verbreitet ist, wurde an der LfL zusammen mit der Futtertrocknung Lamerdingen ein weiteres Verfahren untersucht. Dieses mäht die oberen Teile der Luzernepflanze, also die Luzernespitzen, getrennt vom unteren Teil ab, sodass die aufwendige Blatt-Stängel-Trennung entfällt.

Dazu wurden an der LfL Versuche sowohl im kleinem als auch im großtechnologischen Ausmaß angelegt. Für den praktischen Einsatz wurde die Top Cut Collect Maschine der Firma Zürn Harvesting eingesetzt. Diese wurde ursprünglich für die mechanische Unkrautkontrolle bei Resistenzproblemen oder chemiefreien Ackerbaustrategien entwickelt. Das horizontale Doppelmessermähwerk mit Haspel, Querförderband und einem Sammelbunker eignete sich nach einigen Anpassungen gut für das Verfahren, bei dem die Pflanzenspitzen und somit die Pflanzenteile mit höherem Eiweißgehalt separat, ohne Trennung von Blatt und Stängel, geerntet wurden.

Futter mit hohem Rohproteingehalt

Das Erntematerial besteht bei diesem Verfahren aus jungen Blättern und jungen Stängeln bzw. Triebspitzen, die gemeinsam bei guten Bestands- und Erntebedingungen einen Rohproteingehalt von bis zu 32 % in der Trockenmasse aufwiesen. Im Durchschnitt über mehrere Schnitte lag der Rohproteingehalt bei 30 % (Verfahren 3 in der Abbildung). Dementsprechend hoch war auch der Trockenmassegehalt von Lysin und Methionin: ca. 16,0 g/kg und 4,4 g/kg. Neben der Produktion von Futter mit hohem Rohproteingehalt für Monogastrier können hier ebenfalls die Pflanzenreste mit Rohproteingehalten von bis zu 19 % gut für Wiederkäuer verwendet werden.

Der Nachteil dieses Verfahrens sind die niedrigen Trockenmasseerträge der Pflanzenspitzen von ca. 6 dt/ha pro Schnitt. Dagegen war der Trockenmasseertrag des Pflanzenrests bei diesem Verfahren mehr als dreimal so hoch (ca. 20 dt/ha). Die geernteten Pflanzenspitzen sollten direkt nach der Ernte in einer Heißlufttrocknung getrocknet und z. B. zu Cobs verarbeitet werden. Alternativ können diese auch angewelkt und siliert werden. Der Rest der Pflanze kann nach dem Abmähen und Anwelken in einer Heiß- oder Warmlufttrocknung weiterverarbeitet bzw. als Heu geerntet werden.

Wiederaustrieb ist vom Wetter abhängig

Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Restpflanze nach dem Abmähen der Pflanzenspitzen auch zum Nachwachsen für eine Periode von zwei bis drei Wochen stehen gelassen werden. Der Wiederaustrieb der Pflanze ist nach unserer Beobachtung sehr von der Wetterlage nach der Ernte abhängig. Auf unserem Versuchsfeld wurde bei trockenem und heißem Wetter nach der Ernte der Pflanzenspitzen kein nennenswerter Zuwachs an der Restpflanze beobachtet – auch nicht nach einigen Wochen. Bei guten Wetterbedingungen erfolgte jedoch ein guter Zuwachs und eine erneute getrennte Ernte oder die Ernte als Gesamtpflanze war möglich.

Neben dem Einsatz der geeigneten Erntetechnik bei der getrennten Ernte von Luzerneblatt oder Luzernespitzen sind auch der Zeitpunkt bzw. das Wachstumsstadium der Pflanze und die Witterungsverhältnisse vor und bei der Ernte wichtig. Die besten Voraussetzungen für einen hohen Rohproteinertrag und auch eine hohe Konzentration an essenziellen Aminosäuren bieten Luzernebestände im Knospenstadium ohne Hitzeperioden während der Wachstumsphase. Der richtige Einsatz des Werbungsverfahrens sowie der folgenden Weiterverarbeitungsschritte wie in den Trocknungsanlagen sollen möglichst schonend bezüglich der Blattverluste und der Eiweißqualität ablaufen.

Gezielte Forschung für die Praxis

Zur Erntetechnik und Konservierung von Grünleguminosen ist neuerlich an der LfL in Freising das vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten geförderte Forschungsprojekt „NovaLuz“ gestartet. In diesem Forschungsprojekt wird in Zusammenarbeit zwischen Forschung (LfL und Hochschule Weihenstephan-Triesdorf sowie Landwirtschaftliche Lehranstalten Triesdorf), Industrie (Futtertrocknung Lamerdingen und Meika Tierernährung) und der landwirtschaftlichen Praxis (Betriebe mit Milchvieh- und Mastschweinehaltung) der neue Ansatz der Ernte von Pflanzenspitzen bis zur Praxisreife entwickelt werden.

Dabei soll das Verfahren von der Werbung bis zur Konservierung von Luzerne sowie Luzerne- und Kleegrasbeständen mit dem Ziel der Herstellung von Eiweißfuttermitteln mit passendem Aminosäuremuster für Schweine und Wiederkäuer erarbeitet und auf den Markt gebracht werden.

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