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Digital Farming

Automatisierte Hacktechnik in der Praxis

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Helmut Süß
Helmut Süß
am Mittwoch, 08.06.2022 - 09:44

Kamerageführte Hacktechnik und autonome Hackroboter standen beim Hacktag in Ruhstorf a. d. Rott im Mittelpunkt.

Digitale Technik ist bereits heute ein wichtiges Werkzeug auf den Feldern und sie wird immer wichtiger“, sagt LfL-Präsident Stephan Sedlmayer eingangs zum Hacktag in Ruhstorf a. d. Rott. „Unsere Projekte und Versuche am Standort Ruhstorf machen deutlich: Sensoren, künstliche Intelligenz und automatisierte Systeme werden zu einer Schlüsseltechnologie, um die geplante Reduktion bei den chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln zu erreichen.“

 

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Gerade dieses anvisierte Ziel der Staatsregierung, Spritzmittel bis zum Ende des Jahrzehnts um 50 Prozent zu reduzieren, hat auch Hubert Bittlmayer, Amtschef des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, aufgegriffen: „Das ist ein großes Ziel, das wird nicht einfach. Um Lösungen aus der Praxis und für die Praxis zu finden, wird am LfL-Standort in Ruhstorf geforscht.“ Aber auch die Regierung müsse dabei helfen und Lösungen anbieten, dieses Ziel zu erreichen, so Bittlmayer weiter: „Nicht jeder einzelne Landwirt soll 50 Prozent reduzieren, sondern der gesamte Sektor. Wir werden das mit Forschung unterstützen, aber auch in der Beratung. Und wir werden das auch über Fördermaßnahmen wie das Kulap fördern und honorieren. Weil es nicht unter den gleichen Kosten möglich ist.“

Über 300 interessierte Landwirtinnen und Landwirte konnte Dr. Markus Gandorfern, Leiter der Digital Farming Group der LfL in Ruhstorf begrüßen. Alle wollten sich bei den Vorführungen einen praktischen Eindruck von bereits auf dem Markt befindlichen Technologien verschiedener Hersteller verschaffen.

Der LfL-Hacktag ist eine seit 2018 etablierte Veranstaltung, die marktverfügbare Technologien und ihre Anwendung sowie neue Konzepte demonstriert. Die Veranstaltung des Arbeitsbereichs Digital Farming am LfL-Standort in Ruhstorf a. d. Rott erfreut sich deshalb bei Besuchern und Firmen großer Beliebtheit.

Grundsätzlich gilt: Je kleiner die Unkräuter, desto sicherer ist der Bekämpfungserfolg. Aber auch die Bodenbeschaffenheit hat großen Einfluss auf die Wirksamkeit der Maßnahmen. Die Böden dürfen nicht zu feucht sein. Nur dann sind sie schüttfähig und verdecken mit dem Hacken oder Striegeln die Unkräuter und Ungräser unter sich. Die Kunst besteht darin, sich in unterschiedlichen Situationen allmählich an die Grenzen der Kulturverträglichkeit heranzutasten.

Bilder zum automatisierten Hacken

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Einböck
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Auch die Erosion bei Hackkulturen kann in Zusammenhang mit mechanischen Verfahren schon bei leichten Hanglagen zum Problem werden. Weitere Kollateralschäden wie Bodenbrüter müssen angesprochen werden und es müssen Lösungen – wie Lerchenfenster – gefunden werden. Und schließlich sind auch noch arbeitswirtschaftliche Aspekte von Bedeutung. Beispielsweise betragen auf den Vorführflächen in Ruhstorf die Reihenweiten von Soja und Mais jeweils 50 cm. So kann man mit der auf diese Reihen eingestellten Hacke zeitsparend von einer Kultur gleich in die andere fahren.

Fazit: Ein Hauptnutzen der automatisierten mechanischen Unkrautbekämpfung liegt neben dem Verzicht auf Pflanzenschutzmittel in der Ausdehnung der täglichen Arbeitszeit bzw. in der höheren Schlagkraft und in der Fahrerentlastung. Doch gerade bei Hack-Robotern darf man nicht den z. T. sehr hohen Investitionsbedarf unberücksichtigt lassen.

Keine Hack-Steinzeit, sondern smarte Lösungen

Die Wiederentdeckung der mechanischen Unkrautregulierung bedeutet aber nicht, dass man zurück in die Hack-Steinzeit gehen muss. Denn moderne Geräte bieten heute viele Möglichkeiten, Unkraut effektiv und effizient zu bekämpfen.

Das Hacken bzw. ein ruhiger Lauf der Geräte erfordert bereits in der Vorbereitungsphase professionelles Arbeiten – das heißt angepasste Bodenbearbeitung, keine Bodenunebenheiten oder Bodenverdichtungen sowie exaktes Säen zwischen und in der Reihe.

So bot die LfL-Veranstaltung mit der Vorführung dieses Jahr wieder – fachlich kompetent kommentiert von Dr. Beat Vinzent (LfL Arbeitsgruppe Digital Farming) – auch unter Praxisbedingungen einen Einblick in das Herstellerangebot von folgenden kamerageführten Hackgeräten:

Einböck
  • Horsch Transformer VF: Eine Besonderheit hierbei ist laut Hersteller die Standfestigkeit, Robustheit und zugleich kompakte Bauweise. Der Transformer vereine Variabilität und Präzision sowie einfaches Handling mit Arbeitsbreiten von 6 bis 18 m. Die Rahmenhöhe von 660 mm ermögliche einen späten Einsatz in hohen Kulturen, das innen liegende Klemmprofil sorge für hohe Variabilität bei der Anordnung der Werkzeuge. Hervorzuheben ist auch der vollintegrierte Seitenverschieberahmen mit 450 mm Weg. Das dreibalkige Parallelogramm ermöglicht Reihenabstände von 25, 30, 45, 50, 60, 70, 75 und 80 cm. Auch SectionControl über die RowLift-Funktion (automatische Einzelsegmentaushebung) ist möglich.
  • Schmotzer Venterra 2K: Die Serie kombiniert einen sehr hohen Durchgang mit einer Aushubhöhe der Parallelogramme von fast 50 cm. Eine Neukonstruktion der Parallelogramme und des Anbaurahmens sind für Großflächeneinsatz sowie sehr hohe Arbeitsgeschwindigkeit ausgelegt. Die Serie gibt es in Arbeitsbreiten von 4,5 bis 6,75 m für Reihenweiten von 45, 50 und 75 cm auch in Verbindung mit SectionControl. Reihengeführt wird sie über ein Kamera-System, das exakte Führung garantieren soll. Reihenschutzelemente und Werkzeuge, wie Fingerräder an separat geführten Parallelogrammen, Häufelscheiben oder Nachlaufstriegel sind optional erhältlich.
  • Dickson-Kerner Variofield: Diese Hacke ist zweibalkig aufgebaut. Das Rahmenkonzept erlaubt vielzählige Werkzeugkombinationen und Reihenweiten mit zahlreichen technischen Details. Alle verfügbaren Module lassen sich auf dem vorderen oder auf dem hinteren Profilrohr platzieren. Die Module lassen sich variabel verschieben (alle Reihenweiten und Anordnungen möglich). Die Ausrichtung oder Anpassung der Reihenweite ist einfach einstellbar.
  • Einböck Chopstar bzw. Row-Guard: Das Hackgerät mit Vibrozinken eignet sich für die mechanische Beikrautregulierung sowie Unterbrechung der Kapillarwirkung oder zum Aufbrechen von Verkrustungen. Chopstar 3-60 hat bis zu drei Zinken pro Hackelement und kann in Reihenkulturen mit einem Reihenabstand bis zu 60 cm eingesetzt werden. Je nach Einsatzbedingungen und Wunsch lässt sich eine Vielzahl von Anbauwerkzeugen wie Häufelkörper, Häufelschare, Nachlaufstriegel, Fingerhacksterne usw. anbauen. Das Modell Chopstar Twin wurde für das exakte Hacken über der Reihe entwickelt. Das Hackparallelogramm arbeitet hier nicht klassisch zwischen den Reihen, sondern ist direkt über der Reihe angeordnet. Dadurch kann ein sehr schmales Hackband realisiert werden und es lassen sich junge Bestände sehr früh und zugleich eng hacken.
  • K.U.L.T. iVision PV: Das kameragesteuertes Gerät mit Parallelogramm-Verschiebungssystem ermöglicht den Heckanbau einer 3-m-Hacke in der leichten Argus-Rahmenbauweise. Der Zwischenraum zwischen Trag- und Hackrahmen bietet ein großes Sichtfeld für die Bildaufnahme und erlaubt eine präzise Führung auch bei ungünstigem Zustand der Anbaukulturen. Die Doppel- und Dreifachreihen mit Reihenabständen ab 3,5 cm ermöglichen eine sehr präzise Lenkung und hohe Geschwindigkeiten bis 20 km/h.

Hackroboter auf den Vormarsch?

Auch autonom arbeitende Maschinen wurden beim Hacktag vorgestellt:

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  • Farmdroid FD20: Elektrisch angetrieben und mit Solarzellen auf dem Dach kann der Feldroboter Zuckerrüben säen und später auch die Unkrautbekämpfung erledigen. Mit einer Arbeitsbreite von 3 m fährt der Feldroboter zwischen 0,5 und 1 km/h schnell. Die Flächenleistung liegt laut Hersteller bei bis zu 20 ha in der Saison. Das bedeutet, dass der Feldroboter sät und im Anschluss kontinuierlich das Unkraut bekämpft.
  • OZ 440 ist ein autonomer Mini-Roboter in der Größe eines Umzugskartons und wurde von Naïo Technologies für die mechanische Unkrautbekämpfung in Gartenbaubetrieben entwickelt (minimaler Reihenabstand 65 cm). Der Roboter kann per Kamerasteuerung (2 cm Genauigkeit) autonom fahren bzw. arbeiten, er kann aber auch dem Benutzer folgen (Lasersensor) oder per Fernbedienung gesteuert werden. Der Hersteller gibt eine Flächenleistung von 1 ha pro Tag an.
  • Dino: Sein Einsatzgebiet sind Beetkulturen mit Beetbreiten von 120 – 160 cm bzw. Reihenkulturen mit 15 – 50 cm Reihenabstand. Der 800 kg schwere Roboter verfügt über vier einzeln lenkbare Antriebsräder und navigiert mit Hilfe von RTK-GNSS und Kamera mit einer Genauigkeit von ca. 2 cm. Bei einer Geschwindigkeit von bis zu 4 km/h hat der Roboter eine Flächenleistung von bis zu 5 ha pro Tag.
  • Robotti 150D: Der selbsttätig fahrende Werkzeugträger kommt er beim Eggen, Säen, zur mechanische Bestandespflege oder für Pflanzenschutzmaßnahmen zum Einsatz. Die Flächenleistung gibt das Unternehmen mit bis zu 3 ha je Stunde an. Der neue Robotti bekam größere Rädern und mit 150 PS mehr Leistung. Darüber hinaus verfügt er über eine Hydraulik mit drei doppeltwirkenden Steuergeräten und eine Dreipunktaufhängung. Der Durchgang der Maschine beträgt 92 cm. Aufgrund der mittigen Montage wird das Gewicht gleichmäßigen auf die vier Antriebsräder verteilt. Der Robotti ist serienmäßig mit Laserscanner, Kamera und RTK/GPS ausgestattet.

Die automatisierten Hackgeräte haben in Praxiseinsätzen in Ruhstorf bei den Mais- und Sojabeständen sehr ordentlich gearbeitet. Moderne Sensorik ist hier z. T. dem menschlichen Auge überlegen und zeigen keine Ermüdungserscheinungen bei sehr langen Arbeitstagen.

Dieses Jahr wurden außerdem innovative Konzepte von drei Start-ups (Dahlia Robotics GmbH, Vivent SA, PAAWR) präsentiert, die es ins Finale der Agtech-Challenge geschafft haben. In diesem europaweiten Wettbewerb hat das Innovationsnetzwerk bestehend aus LfL, Siemens und EIT Food digitale, nachhaltige Agrar-Lösungen ausgezeichnet.

 

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