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Großprojket

Streit um riesigen Solarpark in den Alpen

Eine Visualisierung des Projekt mit einer etwas breiteren Perspektive macht den Gesamtumfang noch etwas besser sichtbar.
Ulrich Graf
Ulrich Graf
am Mittwoch, 01.02.2023 - 17:21

Die größte Photovoltaikanlage der Schweiz soll auf einem Bergrücken auf über 2000 m Höhe entstehen. Das bedeutet das Aus für die dortige Alpwirtschaft.

Ulrike Steingräber kommt an sich aus Magdeburg. Ihre Wahlheimat ist aber das Saflischtal in der Schweiz. In der im Walis liegenden Region hat sie ihren Mann kennengelernt. In der Ortschaft Grengiols betreiben beide mit dem Bruder des Mannes eine landwirtschaftliche Betriebsgemeinschaft.

In den Sommermonaten steht das Vieh auf der Alpe Furggen. Dort arbeiten vier Saisonkräfte, ein Senn, ein Zusenn und zwei Hirten. Sie erledigen die Arbeit auf der Alpe, während im Tal die Bauern das Heu und das Emd für den Winter in die Scheune bringen.

Jähes Ende der Alpe droht

Der geplante Solarprojekts „Grengiols Solar“ hat eine immense Größe. Die Gesamtdimension beläuft sich auf rund fünf Quadratkilometer. Das sind in etwa 700 Fußballfelder. Die Module sollen zwar auf Ständern stehen, dennoch gehen die Älpler davon aus, dass eine Bewirtschaftung in der bisherigen Form nicht mehr möglich ist. Allein die baulichen Maßnahmen dürften enorme Schäden mit sich bringen. Betonstützen, Baumaschinen, Verankerungen werden den Weiden und der Grasnarbe stark zusetzen. Hinzu kommen zahlreiche Baustelleneinrichtungen und Infrastrukturen, wie Container und Materiallager. Das wäre mit einem funktionierendem Alpbetrieb nicht mehr vereinbar.

Gigantische Solaranlage in den Alpen geplant

Das Saflischtal ist ein weitgenhend unberührtes Refugium der Natur.
Eine Visualisierung des Projekt mit einer etwas breiteren Perspektive macht den Gesamtumfang noch etwas besser sichtbar.
Die Interessengemeinschaft Saflischtal hat die geplante Maßnahme visualisiert und die Varianten mit und ohne Module einandergegenübergestellt.
In den Sommermonaten von Mitte Juni bis Mitte September weiden die Rinder auf der Alpe Furggen.
Ulrike Steingräber: „Im Falle eines Baus des geplanten Solarparks in der genannten Dimension wäre es unserer Meinung nach unmöglich, dort weiter zu alpen.“
Die Betriebsgemeinschaft hat in den letzten fünf Jahren rund eine halbe Million Franken in die Sanierung der Alphütten sowie in den Neubau von zwei Käsereien an zwei Stationen investiert.
In den Sommermonaten sind rind 110 Rinder auf der Alpe. In einer eigenen Käserei wird die Milch weiterverarbeitet.

Für Steingräber steht deshalb fest, dass „wir die Tiere über den Sommer nicht mehr nach Furggen bringen könnten.“ Sie müsste dann auf andere Alpbetriebe ausweichen. Das wäre aber nicht ganz einfach. Denn die entfallende Fläche ist erheblich. Die Alpe umfasst fünf Stationen zwischen 1900 und 2500 m Höhe und verfügt über etwa 500 ha. Sie gehört der sogenannten Burgergemeinde von Grengiols. Die Betriebsgemeinschaft ist Pächter.

Viel Geld in die Alphütte investiert

Hinzu kommt, die Betriebsgemeinschaft hat viel Geld in die Alphütte investiert und sie in einen Top-Zustand versetzt. Insgesamt flossen zirka eine halbe Million Franken in die Sanierung der Alphütten sowie in den Neubau von zwei Käsereien an zwei Stationen. Das Geld stammt vorwiegend aus privaten Mitteln, ganz zu schweigen von mehreren hundert Arbeitsstunden, die die Familien dort oben im Rahmen dieser Sanierung geleistet haben. Ob es Entschädigungen für die Investitionen gibt, ist unklar. Da ein weiterer Betrieb die Alpe nutzt, wäre das ein herber Verlust für insgesamt drei Bauernfamilien.

Unberührte Natur geht verloren

Das Gebiet Saflischtal gehört zum Landschaftspark Binntal und ist weitgehend frei von menschlichem Einfluss, bis auf eine schmale, holprige Naturstraße, die die 5 Alphütten miteinander verbindet. Zudem findet man im Saflischtal zahlreiche floristische und faunistische Raritäten.

Es gibt keine Stromleitungen, keine Restaurants, wenig Tourismus. „Das Tal wird lediglich von uns Bauern extensiv bewirtschaftet und gepflegt“, betont Steingräber und ergänzt. „Wenn man bedenkt, wie viele mit Parkhäusern, Bahnhöfen, Industriehallen, Skigebieten bebaute Gebiete bereits existieren, deren Gebäude man mit Photovoltaik bestücken könnte, ist es nahezu eine Schande, unberührte Naturlandschaft derart zu verschandeln.“

Was die Fläche für Investoren interessant macht

Die Schweiz will den Ausbau der Solarenergie massiv vorantreiben. Dafür hat sie zum einen die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen, um Großprojekte zu ermöglichen und schneller zu genehmigen. Zum anderen stellt das Land erhebliche Mittel bereit. Sie werden nach dem Windhundverfahren vergeben. Ist das Budget aufgebraucht, ist zunächst einmal Schluss.

Der Südhang der Alpe Furggen liegt auf über 2000 m. Die Sonneneinstrahlung in hohen Lagen ist deutlich stärker als im Mittelland. Hinzu kommt, dass sie im Wallis 15 bis 20 % über den Schweizer Durchschnitt liegt. Außerdem soll eine höhere Ertragssicherheit gewährleistet sein, weil die übliche Hochnebelgrenze überschritten wird. Wenn es im Tal duster ist, soll dann auf dem Berg immer noch Strom produziert werden können.

In der Summe verspricht das den Investoren einen guten Return on Invest. Die Gemeinden hoffen Erträge aus dem Solarzins, so dass auch sie häufig mit im Befürworter-Boot sitzen.

Interessengemeinschaft hält dagegen

„Unser Berg ist nicht zu verkaufen“, unter diesem gemeinsamen Motto hat sich eine Interessengemeinschaft für den Schutz und gegen den Bau von Grengiols Solar gegründet. Die Mitglieder wollen das Gebiet in ihrer ursprünglichen Form erhalten und befürchten erhebliche Eingriff in die Natur.

So ist die Alpe Furggen ist kaum erschlossen. Für den Transport müssen neue Straßen und Bahnen gebaut werden. Aufgrund der kritischen geologischen Lage könnte es zu Erdrutschen kommen und bei Starkniederschlägen zur Erosion. Und die meteorologischen Risiken seien aufgrund hoher Schneemengen, Kälte, Wind und heftigen Gewittern kaum kalkulierbar.

Ob sie mit ihrem Anliegen Erfolg haben, steht noch nicht fest. Nachdem es ein Wettrennen um die staatlichen Mittel gibt und der Zubau an Solarenergie bereits anläuft, könnte das Projekt am Faktor Zeit scheitern. Aber gewiss ist dies nicht.

Bei ihren Unterstützern bauen sie auf eine bekannte Person: Buzz Aldrin , war der zweite Mann auf dem Mond. Zur Alpe Furggen sagte er: „This is the most amazing landscape that I have ever seen!“ Also: „Das ist die einmaligste Landschaft, die ich je gesehen habe!“ Ob es in Zukunft noch geben wird, steht zum jetzigen Zeitpunkt offen.