Ist Strom und Wärme aus Holz keine Energie zur CO2-Einsparung mehr und somit auch nicht mehr erneuerbar? Der Fachkongress Holzenergie stand diesmal ganz im Zeichen einer Kontroverse aufgrund dieser provokanten Frage. Auf der einen Seite stehen die, die den Wald bewirtschaften oder Teil der Wertschöpfungskette von Energieholz sind. Auf der anderen Seite die, die mehr Naturwald wollen und die jetzt, in der Energiekrise, den Wald stärker vor einer vermeintlichen Übernutzung schützen wollen.
Zukünftig wird in die Klimabilanzen der LULUCF-Sektor (Land Use, Land Use Change and Forestry) mit einbezogen, der die Kohlenstoffspeicherung des Waldes enthält. Deshalb werden zurzeit neue Methoden zur CO2-Berechnung der Holznutzung entwickelt. Rund 60 Experten präsentierten in zwölf Fachforen ihre Beiträge zu Wissenschaft und Technik, Politik und Praxis rund um die Holzenergie.
Aiwanger: Wälder sind nicht übernutzt
Prominentester Vertreter der Fraktion der Wald- und Energieholz-Nutzer: Land- und Forstwirt Hubert Aiwanger, zugleich Bayerns Wirtschaftsminister. Bei seinem Grußwort redete er sich schier in Rage aufgrund all der Angriffe auf die Holzenergie in den Medien, aus Brüssel und Berlin (mehr dazu am Ende des Beitrags).
„Unsere Wälder sind alles andere als übernutzt“, polterte er, „ich bin Jagdpächter und komme in die Wälder unserer Umgebung: Was da an Brennholz herumliegt, da könnte man die halbe Stadt München damit heizen. Es würde den Wäldern gerade gut tun, wenn sie besser genutzt würden, damit die verbliebenen Bäume mehr Wasser und Licht bekommen.“
„Ideologie“, die in der Berliner Politik Einzug halte, war sein Reizwort: „Fossile Brennstoffe sollen plötzlich pro erzeugter Wärmeeinheit weniger CO2 ausstoßen als Holzbrennstoff, was völliger Unsinn ist, weil der Strich nicht ganz unten gezogen wurde.“ Im Gegensatz zu Holz würden fossile Brennstoffe zusätzliches CO2 in die Atmosphäre bringen. Plötzlich stelle die Bundesregierung Thesen auf, nur um die Nutzung der Wälder zu diskreditieren: „Die Wälder sollen nicht mehr bewirtschaftet werden. Wenn sie vor sich hin modern und vor sich hin ‚käfern‘ – dann ist das ideal.“ An Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck habe er einen Brief geschrieben, sich in den Verhandlungen zur Neufassung der europäischen Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III) dringend dafür einzusetzen, Fehlentwicklungen zu korrigieren.
Erneuerbare kompromisslos ausbauen
Die Terminplanung wollte es, dass Aiwanger nicht direkt auf den Vertreter des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) Martin Waldhausen traf. Diese Aufgabe übernahm tags zuvor Aiwangers Mitarbeiter Dr. Johann Niggl. Angesichts von Energiekrise und Inflation forderte Niggl, die „Angebotsseite“ zu stärken: „Die erneuerbaren Energien müssen kompromisslos ausgebaut werden und dabei darf man nicht ‚g’schleckert‘ sein.“ Er kritisierte den RED-III-Entwurf des EU-Parlaments, mit dem primäre Holzbiomasse, also Waldholz, die Förderfähigkeit verlieren soll und nicht über den Anteil hinaus, den es 2017 bis 2022 am Endenergieverbrauch hatte, auf die Ziele für erneuerbare Energien der EU-Mitgliedsstaaten anrechenbar sein kann.
„Primärholz“ macht in Deutschland geschätzte 55 % des energetisch genutzten Holzsortimentes aus. Noch bis Ende des Jahres verhandeln die EU-Kommission und der Europäische Rat im Trilogformat mit dem EU-Parlament. Niggl forderte, dass diese Einstufung von Primärholz entfallen müsse. Außerdem solle der Bund den Heizungstausch mit Biomassekesseln wieder besser fördern und die stoffliche und energetische Verwertung von Biomasse gleich behandeln.
Begrenztes Angebot an Biomasse
Die Priorisierung der stofflichen Nutzung von Biomasse ist jedoch eines der Leitprinzipien der Nationalen Biomassestrategie, die BMWK-Vertreter Waldhausen vorstellte. Zu dem Projekt der Ampelregierung ist im Oktober ein Eckpunktepapier erschienen. Die Strategie soll in einem mehrstufigen Beteiligungsverfahren erarbeitet und im zweiten Halbjahr 2023 verabschiedet werden. „Das Biomasse-Angebot aus der Land- und Forstwirtschaft ist angesichts der vehement steigenden Nachfrage begrenzt“, begründete Waldhausen die Notwendigkeit einer solchen Strategie. Vor allem kämen zu den bisherigen Energieholz-Nutzern aus dem Gebäudesektor und der Energiewirtschaft die Industrie und der Verkehr hinzu. Weil Letztere hohe Preise für Biomasse zahlen könnten, sei zu befürchten, dass Wärme aus Biomasse für Privathaushalte dann nicht mehr bezahlbar sei.
Als Leitprinzipien der Biomassestrategie nannte der Leiter des Referats Klimaschutz in der Land- und Forstwirtschaft/Biomasse weitere Vorrangigkeiten: „Food First“ mit Teller vor Trog vor Tank als Reihenfolge, die Kaskaden- oder Mehrfachnutzung von Biomasse sowie Abfall- und Reststoffe vor Anbaubiomasse. Außerdem solle zwischen alternativen erneuerbaren Technologien und Biomasseeinsatz abgewogen und der Wald als natürlicher CO2-Speicher gestärkt werden. Zur politischen Umsetzung werde die Strategie einen Aktionsplan bekommen.
Unterschied zwischen intensiver und extensiver Holznutzung
Bei der Treibhausgas- (THG) Bilanz der Waldholznutzung stützt sich das BMWK auf eine vom Öko-Institut entwickelte Methode unter dem Stichwort „CO2-Speichersaldo“. Hier wird zwischen intensiver und extensiver Holznutzung unterschieden. Zwar fehlen (noch) exakte Definitionen, doch Waldhausen leitete ab, dass die Holznutzung nur von Klimavorteil sei, wenn deren THG-Emissionen inklusive der Abnahme der CO2-Speicherleistung des Waldes geringer sei als die THG-Emissionen ersetzter Stoffe oder Energieträger.
Dr. Sebastian Rüter vom Thünen-Institut für Holzforschung bezeichnete den Methoden-Vorschlag des Öko-Instituts als politisches Instrument, bezogen auf die RED III. Das Rechenmodell ignoriere wissenschaftlich abgesicherte Methoden. Als Bundesforschungsinstitut befasst sich das Thünen-Institut mit der Treibhausgasbilanz der Holznutzung in Deutschland. Aus „THG-Sicht“ müsse es das Ziel sein, möglichst viel Funktion, zum Beispiel Heizen, mit möglichst wenig Emissionen und Ressourcen bereitzustellen.
Wald als Kohlenstoffsenke
„Im Wald wird zweieinhalbmal mehr CO2 gebunden als freigesetzt. Der Wald ist eine Kohlenstoffsenke“, argumentierte Sebastian Henghuber, Vorstand im Fachverband Holzenergie, der den Kongress veranstaltete. Bei der energetischen Nutzung von Holz würden jährlich im Durchschnitt der Jahre 2017 bis 2020 in Deutschland 35 Mio. t biogenes CO2 frei. Diese Menge an Emissionen würde ohnehin anfallen – nämlich, wenn Bäume das Ende ihres Lebenszyklus erreicht haben und der Zersetzungsprozess beginnt. Der Ersatz fossiler Energien würde bei der Verrottung im Wald jedoch entfallen.
Hier merkte jedoch Waldhausen einen Methodikfehler an: „Das Argument, ‚Holz, das im Wald liegen bleibt, emittiert auch CO2‘, zieht nicht. Der Kohlenstoff geht zum Teil auch in den Waldboden. Nicht alles wird als CO2 freigesetzt.“ Roland Irslinger, Professor a.D. der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg, bezog den Waldboden mit ein. Die Bilanzierung der Klimaschutzwirkung von Wald setze sich zusammen aus dem Waldspeicher inklusive Boden, dem Holzproduktspeicher, der stofflichen und der energetischen Substitution.
Energetische Holznutzung verursacht Emissionen

„Wenn wir den deutschen Wald total stilllegen würden, kämen wir mit einem Naturschutzwald, bei dem der Holzvorrat auf konstantem Niveau bleiben würde, auf eine CO2-Bindung von jährlich 40 Millionen Tonnen“, sagte Irslinger, „wenn wir die Waldfläche in Deutschland nutzen, haben wir 120 Millionen Tonnen CO2.“ Durch die Nutzung kämen beträchtliche Mengen vermiedener CO2-Emissionen durch die stoffliche und energetische Holznutzung hinzu. Die Differenz von 80 Mio. t CO2 bedeute 12 bis 14 % der jährlichen CO2-Emissionen Deutschlands: „Das kann man nicht einfach wegdiskutieren.“
Außerdem zeigte er anhand von Luftbildern eines Naturschutzwaldes, dass Buchen den Klimawandel nicht besser vertragen als Nadelbäume: „Es ist ein Trugschluss zu behaupten, dass sich selbst überlassene Wälder im Klimawandel stabiler werden. Wir haben in Europa seit Jahrhunderten Kulturwald und den müssen wir weiter als Kulturwald behandeln.“
Diese Verschärfungen treffen die Holzbranche
Die Holzenergie sieht sich zurzeit mit vielen bestehenden und geplanten Einschränkungen und Erschwernissen konfrontiert.
Aus Brüssel:
- Europäische Biodiversitätsstrategie für 2030 (2021 von den Mitgliedsstaaten weitgehend ratifiziert): Darin sollen mindestens 30 % der Landfläche der EU naturschutzrechtlich geschützt und neben Primärwäldern (Urwälder) auch Altwälder geschützt werden.
- EU-Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III soll bis Jahresende beschlossen werden. Derzeit laufen die „Trilog-Verhandlungen“): Das EU-Parlament fordert den Ausschluss von „Primärer Holzbiomasse“, also Waldholz, aus der Förderfähigkeit und kompromisshalber die Begrenzung der Anrechenbarkeit auf die Erneuerbare-Energien-Ziele auf dem Stand von 2017-2022. Das Auslaufen der Anrechenbarkeit auf EE-Ziele bis 2030 soll durch ein Monitoring überwacht werden.
Die Grenze für die Erbringung von Nachhaltigkeitsnachweisen soll bei fester Biomasse von 20 MW Feuerungswärmeleistung auf 7,5 MW gesenkt werden. Damit würde ein großer Teil der Anlagen zu dem aufwendigen Zertifizierungsprozess verpflichtet, zu dem auch noch eine obligatorische Treibhausgasberechnung eingeführt werden soll.
Vorrang der stofflichen vor der energetischen Nutzung, Vorgabe einer Nutzungskaskade (Mehrfachnutzung).
Aus Berlin:
Nationale Biomassestrategie (wird bis zum zweiten Halbjahr 2023 erarbeitet; bislang wurden erst Leitprinizipien veröffentlicht, darunter der Vorrang der stofflichen Nutzung analog zur RED III)
Geplante Abschöpfung von Strommarkterlösen oberhalb der bisherigen EEG-Vergütung plus 3 Cent/kWh Puffer rückwirkend ab 1.11.2022 oder 1.12.2022
Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG)
- BAFA-Förderung von Biomasseheizungen wurde schon im August 2022 mehr als halbiert
- Mit der BEG-Reform (voraussichtlich nächstes Jahr) soll eine Pflicht zur Kombination von Holzenergieanlagen mit Solarthermie, ein Grenzwert von 2,5 mg/m³ Staubemissionen und eine von 78 % auf 81 % verschärfte jahreszeitbedingte Raumheizungseffizienz eingeführt werden.