Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) und der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches hat das Energiepotenzial von biogenen Abfällen unter die Lupe genommen. Darunter fallen die Biotonne, Speisereste, tierische Exkremente sowie Erntereste. Das daraus resultierende Potenzial beziffern sie auf 140 Terawattstunden (TWh) im Jahr. Das entspricht einem Viertel des deutschen Stromverbrauchs.
Biogas könnte Steinkohle und Erdgas in der Stromproduktion ersetzen
Die Fachagentur für Erneuerbare Energien hat dem Biogaspotenzial die Stromerzeugung aus Erdgas und Steinkohle gegenübergestellt: Danach werde jährlich werden – zumindest vor dem russischen Angriffskrieg und der damit verbundenen Substitution der Erdgasverstromung durch Braunkohle – in der Bundesrepublik durchschnittlich 65 Terawattstunden elektrische Energie mittels Erdgas und 55 TWh durch Steinkohle bereitgestellt. Schon eine Nutzung von 85 Prozent des Biogaspotenzials in Deutschland könnte diese fossilen Energieträger in der Stromerzeugung somit vollständig ersetzen.
Großes Potenzial auch in Ballungsräumen
Ein Großteil der biogenen Abfälle fällt zwar in den ländlichen Regionen an, weswegen auch dort eine weitere Erschließung der vorhanden Potenziale geboten ist, dennoch bieten sich auch in Ballungsräumen Möglichkeiten. Über Kraft-Wärme-Kopplung kann neben Strom auch Wärme produziert und über die vorhandenen städtischen Fernwärmenetze direkt in die Privathaushalte gebracht werden.
Darüber hinaus kann man Industriegebiete mit günstiger und grüner Prozesswärme versorgen. Nicht zuletzt wird dadurch die Abhängigkeit von Gasimporten reduziert. Nicht verbrauchtes zu Biomethan aufbereitetes Biogas kann über bereits vorhandene Anschlüsse an das deutsche Gasnetz außerdem viel einfacher transportiert werden. Naturschutzkonflikte bezüglich der Flächennutzung bestehen nicht, da Biomüll ohnehin in jedem Haushalt anfällt. Ganz im Gegenteil: Die Verwertung dieser Abfälle bringt das deutsche Energiesystem einen Schritt näher in Richtung Kreislaufwirtschaft.
Weniger Methan in die Atmosphäre
Laut dem Umweltbundesamt fielen in Deutschland 2020 10,3 Millionen Tonnen biogene Siedlungsabfälle an. Für die Herstellung von Biogas eignen sich auch die nassen Bio- und Speiseabfälle aus den Biotonnen ausgezeichnet. Aktuell wird jedoch ein Großteil der Bioabfälle weiterhin unter freiem Himmel kompostiert und die in den Abfällen vorhandene Energie bleibt ungenutzt.
Außerdem gelangt das bei der Kompostierung freigesetzte Methan direkt in die Atmosphäre. Methan ist als Treibhausgas jedoch circa 25-mal schädlicher für das Klima als Kohlendioxid. Deutlich klimafreundlicher wäre es, die Abfälle in Biogasanlagen fachgerecht zu vergären. So würde das dabei entstehende Biogas zur Erzeugung von Strom und Wärme genutzt. Die verbleibenden Gärreste könnten wiederum als natürlicher Dünger verwendet werden und so industriell hergestellte Dünger ersetzen.
BDEW für den Einsatz von Wasserstoff und Biogas
Aus Sicht des BDEW fokussiert sich die Bundesregierung in der Wärmewende zu stark auf Wärmepumpen. Für eine erfolgreiche Wärmewende braucht es nach Einschätzung von Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, die Einbeziehung aller Wärmeversorgungsoptionen, die klimafreundlich Wärme in die Wohnungen bringen können. Dazu gehören neben den beiden wichtigen Säulen Wärmepumpe und Fernwärme auch gasbasierte Systeme – künftig allerdings betrieben mit erneuerbaren und dekarbonisierten Gasen. Wasserstoff und Biomethan ermöglichen es, Gasheizungen und die weitverzweigte Gasinfrastruktur langfristig klimaneutral zu nutzen.
Der Bundesregierung rät die BDEW-Vorsitzende, Regelungsvorschläge aus einem Guss vorzulegen. Dazu gehört zum einen ein passender Förderrahmen, der besonders drohende wirtschaftliche Härten abfedert. Zum anderen sollte nun zeitnah ein Entwurf für ein Gesetz zur flächendeckenden Wärmeplanung vorgelegt werden, damit mehr auf regionale und lokale Gegebenheiten Rücksicht genommen werden kann. Auch die Verfügbarkeit von Geräten und Fachkräften sowie der Stromnetzausbau müssen mitgedacht werden.