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Eigentum

Wem gehört das Agrarland?

Getreideernte
Ulrich Graf
Ulrich Graf
am Dienstag, 20.07.2021 - 08:26

Über Anteilskäufe, sogenannte Share Deals, kommen immer mehr Agrarflächen in außerlandwirtschaftlichen Besitz. Ihr Anteil liegt bereits im zweistelligen Prozentbereich.

Kauf von Unternehmensanteile

Wiesbaden - Investitionen in Landwirtschaftsfläche können auf zwei Arten geschehen. Zum einen über den direkten Erwerb landwirtschaftlicher Flächen, zum anderen über sogenannte Share-Deals. Dies bezeichnet als Sammelbegriff den Erwerb der Mehrheit von Anteilen an einem Unternehmen, welcher zugleich mit der Kontrolle des Unternehmens einhergeht.

Erstere Investitionsart kann näherungsweise durch die Statistik über die Kaufwerte in der Landwirtschaft abgebildet werden. Die dort nachgewiesenen Kaufwerte zeigen in den letzten Jahren eine sehr dynamische Entwicklung. In der vergangenen Dekade wurden jährlich gut 100.000 Hektar veräußert, das Verhältnis der ostdeutschen zu den westdeutschen Bundesländern betrug dabei rund 60:40. Obwohl somit in den vergangenen zehn Jahren über eine Mio. Hektar (oder gut sechs Prozent der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche) die Eigentümerschaft gewechselt haben, erfährt man hierdurch keinerlei Aussage über die Herkunft und Struktur der Eigentümerinnen und Eigentümer oder der Besitzenden.

Demgegenüber steht die Methode der Auswertungen von Unternehmensgruppendaten zum Nachweis landwirtschaftlicher Betriebe, die Teil einer Unternehmensgruppe sind und häufig mittels Share-Deal die jetzige Konstellation aufweisen. Dies wurde erstmalig in der Landwirtschaftszählung 2020 untersucht.

Von den rund 16,6 Mio. Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche in Deutschland werden 3,63 Mio. Hektar von Betrieben der Rechtsform juristische Person oder Personenhandelsgesellschaft bewirtschaftet. Darunter wiederum werden 1,84 Mio. Hektar von Betrieben bewirtschaftet, die Teil einer Unternehmensgruppe sind und über elf Prozent der gesamtdeutschen landwirtschaftlichen Fläche.

Unternehmensgruppen kontrollieren 11 % der Agrarfläche

Agrarbetrieb

Die Zugehörigkeit zu einer Unternehmensgruppe wurde bei allen Betrieben der Rechtsform juristische Person oder Personenhandelsgesellschaft untersucht. Von den insgesamt 262.800 landwirtschaftlichen Betrieben in der Landwirtschaftszählung 2020 waren dies knapp 4 % oder circa 10.200 Betriebe. Diese bewirtschafteten zusammen eine Fläche von rund 3,63 Millionen Hektar, das waren etwa 22 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Deutschland.

Von den Betrieben der Rechtsform juristische Person oder Personenhandelsgesellschaft waren 3.700 Betriebe (36 %) Teil einer Unternehmensgruppe und bewirtschafteten insgesamt eine landwirtschaftlich genutzte Fläche von 1,84 Millionen Hektar. Die Betriebe von Unternehmensgruppen bewirtschafteten also etwa die Hälfte der landwirtschaftlichen Flächen der juristischen Personen und Personenhandelsgesellschaften und damit mehr als 11 % der gesamtdeutschen landwirtschaftlichen Flächen.

Ostdeutschland besonders stark betroffen

Insgesamt ist ein deutlicher Unterschied in der Präsenz von Unternehmensgruppen in der Landwirtschaft zwischen den westdeutschen und ostdeutschen Bundesländern zu verzeichnen. Während im Westen nicht einmal 26 % der juristischen Personen und Personenhandelsgesellschaften einer Unternehmensgruppe angehörten, waren es im Osten 48 %. Der Anteil der durch Unternehmensgruppen kontrollierten Flächen an der Fläche der Betriebe dieser Rechtsformen insgesamt war mit 31 % im Westen und 53 % im Osten ähnlich ungleich verteilt.

Absolut betrachtet war diese Fläche mit 426.000 Hektar (52 %) in Brandenburg am größten, der größte prozentuale Anteil war mit knapp 58 % (323.600 Hektar) in Thüringen zu verzeichnen. Mit 1,73 Millionen Hektar (94 %) liegt fast die gesamte durch Unternehmensgruppen kontrollierte landwirtschaftliche Fläche in den ostdeutschen Bundesländern.

In diesen Zahlen spiegeln sich auch die unterschiedlichen Strukturen und Größenverhältnisse der landwirtschaftlichen Betriebe in Ost und West wider. Während ein Betrieb im Westen durchschnittlich 47 Hektar landwirtschaftlich genutzte Fläche bewirtschaftete, waren es im Osten durchschnittlich 221 Hektar. Bei den hier beobachteten Betrieben der Rechtsform juristische Person oder Personenhandelsgesellschaft sind die Größenunterschiede mit 68 Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche im Westen und 669 Hektar im Osten noch deutlicher.

Methodischer Hinweis

Die Zugehörigkeit zu einer Unternehmensgruppe wurde nicht primärstatistisch erhoben, sondern durch eine Auswertung des Unternehmensregisters gewonnen. Das Unternehmensregister ist eine regelmäßig aktualisierte statistische Datenbank mit Unternehmen und Betrieben, die unter anderem Unternehmensgruppen und deren Kontrollstrukturen abbildet.

Über die Verknüpfung der Erhebungseinheiten der Landwirtschaftszählung 2020 mit den entsprechenden Einheiten im Unternehmensregister konnten die Informationen zusammengeführt werden und eine Aussage über die Zugehörigkeit eines landwirtschaftlichen Betriebes zu einer Unternehmensgruppe getroffen werden.

Die Einstufung des Gruppenoberhaupts als landwirtschaftlich beziehungsweise nicht-landwirtschaftlich wurde über die Definition als landwirtschaftlicher Betrieb im Sinne des Agrarstatistikgesetzes vorgenommen. 

In Bayern von untergeordneter Bedeutung

In Bayern wurden nur 56.254 Hektar von 905 Betrieben der Rechtsform juristische Person oder Personenhandelsgesellschaft bewirtschaftet und nur 206 (0,2 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe in Bayern) dieser Betriebe waren Teil einer Unternehmensgruppe. Diese Betriebe bewirtschafteten 16.298 Hektar bzw. 0,5 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen und waren damit für die bayerische Agrarstruktur nahezu unbedeutend.

Dennoch hatten in Bayern 157 Unternehmensgruppen ihren Sitz, deren 204 landwirtschaftliche Betriebe gut 49.447 Hektar in und außerhalb Bayerns bewirtschafteten. Vergleichbare Werte finden sich in allen westdeutschen Flächenländern.