Mehrere Dürrejahre gefolgt von Hagel und Überschwemmungen in diesem Sommer lassen auch hierzulande die Sorgen vor dem Klimawandel wachsen. In Mitteleuropa werden extreme Wetterereignisse Klimaforschern zufolge durch eine weitere Erhitzung der Atmosphäre noch zunehmen. Für Landwirte bedeuten zunehmende Wetterextreme besondere Risiken. Die Gesellschaft steht damit vor großen Herausforderungen.
Um das Klima zu schützen, wurden erste politische Weichen gestellt. So legt das Klimaschutzgesetz der Bundesregierung fest, dass jeder Sektor einen Beitrag zum Klimaschutz leisten soll. Dies gilt auch für die Landwirtschaft, die für rund 9 % der Treibhausgasemissionen in Deutschland verantwortlich ist. Damit gehört sie nicht zu den Hauptverursachern, leistet aber dennoch einen Beitrag.
Doch wie lässt sich das Ziel einer Treibhausgasreduktion in der Landwirtschaft erreichen? Zunächst einmal muss bekannt sein, wo genau Emissionen in der landwirtschaftlichen Produktion entstehen und wie hoch diese sind. Damit können bereits die größten Stellschrauben für eine Treibhausgas-Reduktion identifiziert werden.
CO2, Methan und Lachgas aus der Landwirtschaft
Bei der Produktion von Lebensmitteln entstehen entlang der gesamten Wertschöpfungskette Treibhausgase, kurz THG genannt. Das kann zum Beispiel direkt auf dem landwirtschaftlichen Betrieb durch den Verbrauch von Diesel oder im vorgelagerten Bereich zum Beispiel durch die sehr energieaufwendige Produktion von Stickstoffdüngern geschehen. Alle THG-Emissionen, die bei der Herstellung eines Produktes anfallen, werden in der Treibhausgasbewertung berücksichtigt.
Zu den wichtigsten Treibhausgasen aus der Landwirtschaft zählen Kohlenstoffdioxid (CO2) Methan (CH4) und Lachgas (N2O). Während CO2 insbesondere durch die Nutzung fossiler Energieträger wie Erdöl oder Kohle in die Atmosphäre gelangt, entsteht Methan vor allem durch die Verdauung von Wiederkäuern und Lachgas durch Umsetzungsprozesse nach Stickstoffeintrag in den Boden. Die verschiedenen Treibhausgase erfordern also unterschiedliche Ansatzpunkte für Maßnahmen zum Klimaschutz.
Unterschiedlich starke Klimawirkung der Gase
Nun haben all diese Gase einen unterschiedlich starken Effekt auf die Klimaerwärmung. CO2 heizt beispielsweise die Atmosphäre weit weniger auf als viele andere Treibhausgase. Es bleibt jedoch über viele tausend Jahre in der Atmosphäre enthalten. Methan hingegen ist ein kurzlebiges Treibhausgas mit einer Lebensdauer von rund zwölf Jahren. In diesem Zeitraum hat es jedoch eine extrem hohe Klimawirkung.
Um die Wirkung dieser unterschiedlichen Treibhausgase vergleichbar zu machen, wurde das sogenannte „Globale Erwärmungspotenzial“ (Global Warming Potential, GWP) entwickelt. Das GWP vergleicht die Klimawirkung eines Treibhausgases über einen festgelegten Zeitraum mit dem von CO2. Methan hat zum Beispiel, über einen Zeitraum von 100 Jahren betrachtet, eine 25-mal stärkere Klimawirkung als CO2 (nach IPCC, 2007)
Lebenszeit (Jahre) | GWP auf 20 Jahre | GWP auf 100 Jahre | |
---|---|---|---|
Kohlendioxid | - | 1 | 1 |
Methan | 12 | 72 | 25 |
Lachgas | 114 | 289 | 298 |
Die Wirkung der verschiedenen Treibhausgase kann mit diesem Hilfsmittel in CO2 übersetzt werden – in sogenannte CO2-Äquivalente. Damit ist der erste Schritt auf dem Weg zur THG-Bewertung getan, denn die Treibhausgase können nun miteinander verglichen werden.
THG-Rechner für die Landwirtschaft
Bisher gibt es für landwirtschaftliche Betriebe nur wenig Möglichkeiten, eine Treibhausgasbewertung durchzuführen. Zu den bekanntesten Anwendungen gehören das Cool Farm Tool, das Tool TEKla von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen und das Klima-Check Programm von Arla.
Diese THG-Rechner können jedoch häufig die Besonderheiten der landwirtschaftlichen Betriebe nicht abbilden. Um ein für bayerische Verhältnisse angepasstes Werkzeug anbieten zu können, entwickelt die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft ein Rechenprogramm zur Ermittlung der Treibhausgasemissionen für landwirtschaftliche Produktionsverfahren. Der THG-Rechner baut auf den seit 2010 kostenlos zur Verfügung stehenden LfL-Internetdeckungsbeitragsrechnern (IDB) auf und nennt sich „IDB.THG“.
Ein regional angepasster Rechner bietet verschiedene Vorteile. So können THG-Emissionen, wie sie bei regional typischer Bewirtschaftung entstehen, in der Berechnung hinterlegt werden. Dies ist zum Beispiel wichtig bei THG-Emissionen aus der Futtermittelproduktion und Rationsgestaltung, die sich regional sehr unterscheiden können.
Welche Emissionen sind berücksichtigt?
Im IDB.THG-Tool werden die Treibhausgasemissionen der Produktion sowie die vorgelagerten THG-Emissionen aus der Herstellung der eingesetzten Betriebsmittel berücksichtigt . Die Berechnung endet am Hoftor, also zum Beispiel bei den Pflanzenbauverfahren mit dem Korn im Lager bzw. für die tierischen Verfahren mit der Milch im Tank, dem Tier am Stalltor oder dem Wirtschaftsdünger im Lager.
Direkte Emissionen | Indirekte Emissionen | Vorgelagerte Emissionen | |
---|---|---|---|
N2O-Emissionen durch die Düngung | N2O-Emissionen durch Auswaschung aus der Düngung | CO2-Äq.-Emissionen aus der Herstellung von Betriebsmitteln (z.B. Mineraldünger, Futtermittel, Energieträger, etc.) | |
N2O-Emissionen aus Wurzel- und Ernterückständen sowie am Feld verbleibende Nebenprodukte | N2O-Emissionen aus NH3- und NO-Verlusten (Deposition von reaktiven Stickstoff) | CO2-Äq.-Emissionen aus der Nutzung von fossilen Energieträgern | |
CH4-Emissionen aus der Verdauung der Tiere und Wirtschaftsdünger | N2O-Emissionen durch Auswaschung aus Wurzel- und Ernterückständen sowie am Feld verbleibende Nebenprodukte | CO2-Äq.-Emissionen aus Bestandsergänzung/Zugang von Tieren | |
CO2-Emission aus carbonathaltigen Düngemitteln und Harnstoffdüngung |
Langfristige Prozesse auf den Bestand bezogen
Die Wirkung von Düngemitteln, Vorfrucht- und Nachfruchtwirkung sowie Emissionen aus Wurzel- und Ernterückständen und am Feld verbliebenen Nebenprodukten wie Stroh werden dem für die Entstehung verantwortlichen Bestand hinzugerechnet, auch wenn sich der Effekt über mehrere Jahre verteilt. Für die Bewertung der CO2-Bindung aus dem Humuserhalt bzw. -aufbau steht derzeit keine wissenschaftlich abgesicherte Methode zur Verfügung. Sie wird daher in dieser Anwendung nicht mitberücksichtigt. Sobald es eine wissenschaftlich abgesicherte Methode zur Bewertung der Humusveränderungen gibt, wird diese integriert.
Die CO2-Emissionen aus der Atmung von Tieren werden nicht berücksichtigt, da die freigesetzte Menge CO2 derjenigen Menge entspricht, die beim Wachstum der Futterpflanzen aus der Atmosphäre aufgenommen wurde. Damit entsteht ein Kreislauf der kohlenstoffneutral ist.
Nicht berücksichtigte Emissionen beziehungsweise Gutschriften:
- CO2-Äq.-Emissionen aus Humusabbau
- CO2-Äq.-Emissionen aus Humusaufbau
- CO2-Emissionen aus Atmung Pflanze/Tier
- CO2-Bindung durch Pflanzenbestand
- CO2-Äq-Emissionen aus der Herstellung der Gebäude und Maschinen

Die Berechnung der direkten und indirekten Treibhausgasemissionen, die am Betrieb entstehen, basiert auf dem Thünen-Report 84, der für Deutschland den Standard zur Berechnung von Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft abbildet. Für die Berechnung der Emissionen aus dem vorgelagerten Bereich werden Emissionsfaktoren aus frei verfügbaren internationalen Datenbanken genutzt. Durch die Kombination der Treibhausgasbilanzierung mit dem IDB-Rechner werden nur die Daten aus den variablen Kosten berücksichtigt und nicht die Daten bis hin zur Vollkostenrechnung. Positionen wie die Herstellung von Gebäuden und Maschinen werden folglich nicht berücksichtigt.
Sowohl Deckungsbeitrag als auch Klimagas
Das IDB.THG-Tool ist eine Kombination von ökonomischer Analyse und Treibhausgasbewertung. Anwender können mit einer einzigen Dateneingabe wirtschaftliche Kennwerte ihres Betriebes berechnen und gleichzeitig die Treibhausgasemissionen aus den eingegebenen Daten ableiten.
Im bestmöglichen Fall können durch Veränderungen der eingegebenen Daten Maßnahmen identifiziert werden, die sowohl THG-Emissionen einsparen als auch wirtschaftliche Vorteile bringen. Ein Beispiel für so eine solche Maßnahme ist die Bestandsergänzung. Je niedriger die Bestandsergänzung, umso geringer sind die Treibhausgasemissionen, denn es müssen weniger Nachzuchttiere aufgezogen werden. Dies senkt die Kosten für die Bestandsergänzung, wodurch ein höherer Deckungsbeitrag erzielt werden kann.
Im Rechner sind für alle Eingabefelder Standardwerte aus Bayern hinterlegt. Ein Großteil davon kann vom Anwender durch eigene Daten ersetzt werden. Zudem können Aspekte wie unterschiedliche Güllelagerungsverfahren im Modul „Wirtschaftsdünger und Einstreu“ oder die Energiequelle im Modul „Wasser- und Energieeinsatz“ in der Treibhausgasbewertung verändert werden (siehe Screenshot).
Für einzelne Verfahren, nicht den Gesamtbetrieb
Das IDB.THG-Tool kann derzeit nicht den ganzen Betrieb abbilden, sondern erlaubt die Bewertung auf Basis einzelner Produktionsverfahren. Aktuell unterstützt es neben dem Produktionsverfahren Milchkuhhaltung und Kalbinnenaufzucht auch die Sonderkultur Hopfen sowie erste Verfahren im Marktfruchtbau. Der Grad der Individualisierung ist begrenzt. So können Dünge- oder auch Futtermittel nur aus einer vorgegebenen Liste ausgewählt werden.
Zusätzlich ist zu beachten, dass man mit dieser Anwendung keinen geprüften und zertifizierten CO2-Fußabdruck erhält, da die Dateneingabe und somit die Datenverantwortlichkeit beim Anwender liegen!
Fazit
Landwirte erhalten mit diesem Anwendungstool die Möglichkeit, zusätzlich zur ökonomischen Auswertung eine Treibhausgasbilanz für ihr eigenes Produktionsverfahren zu berechnen. So können im bestmöglichen Fall Maßnahmen aufgedeckt werden, die eine Reduktion der Treibhausgasemission bewirken und einhergehen mit einer Reduktion der variablen Kosten bzw. einer Erhöhung des Deckungsbeitrags.
Hier geht es zum Treibhausgas-Rechner für die Landwirtschaft