Seit Ende November ist der erste, auf Künstlicher Intelligenz basierende Chatbot im Internet für jedermann nutzbar. Sein holpriger Name: „ChatGPT“. Nicht wenige Stimmen im Netz sagen, ChatGPT wird Google vernichten. Elon Musk, der mächtige Boss von Tesla und Twitter, hat die Plattform mitfinanziert. Er sagt: „Wir sind nicht weit von einer gefährlich starken KI entfernt“. Andere orakeln, das Tool wird Ärzte, Journalisten und Anwälte arbeitslos machen. Und was ist mit Landwirten?
Norbert Lehmann, Redakteur bei agrarheute ist den Fragen nachgegangen: Was weiß Künstliche Intelligenz über Landwirtschaft? Hat die Plattform einen Rat, wenn ich eine Getreidesorte suche? Hilft KI, wenn meine Kühe krank sind? Lesen Sie selbst, welche Antworten ChatGPT für die Agrarbranche bereit hält – im vermutlich weltweit ersten Interview für ein landwirtschaftliches Fachmedium.
Was ist ein Chatbot?
Als erstes habe ich ChatGPT gebeten, einem Laien in einfachen Worten zu erklären, was er kann oder ist. Die Antwort lautet: „Ich bin ein Computerprogramm, das darauf trainiert wurde, menschenähnliche Unterhaltungen zu führen. Das bedeutet, dass du mit mir über fast alles reden kannst, was du möchtest, und ich werde versuchen, dir so gut wie möglich zu antworten. ...“
Landwirtschaft: Wie definiert KI unsere Branche?
Na dann mal los. Ich bitte ChatGPT um eine Definition von Landwirtschaft. Das ist das Ergebnis: „Die Landwirtschaft ist eine Wirtschaftsbranche, die sich mit der Erzeugung von Nahrungsmitteln, Futter und anderen landwirtschaftlichen Produkten beschäftigt. Sie umfasst die gesamte Wertschöpfungskette von der Aussaat und Pflege von Pflanzen und Tieren über die Ernte und Verarbeitung von Rohstoffen bis hin zur Vermarktung und Verteilung von Erzeugnissen. … Die Landwirtschaft spielt eine wichtige Rolle bei der Sicherung der Nahrungsmittelversorgung und ist daher ein wichtiger Teil der menschlichen Gesellschaft.“ Fazit agrarheute: Das dürfte als Einstieg für einen guten Aufsatz in der gymnasialen Mittelstufe genügen. Eher allgemeine Antworten auf grundlegende Fragen beherrscht die KI-Plattform sehr gut, und das in Sekunden in gutem Deutsch.
Hält KI die Landwirtschaft für systemrelevant?
Ich frage weiter: Ist Landwirtschaft also systemrelevant? Die Antwort lautet: „Ja, man könnte sagen, dass die Landwirtschaft systemrelevant ist. Sie hat eine wichtige Funktion bei der Sicherung der Nahrungsmittelversorgung, die für das Überleben der Menschheit von grundlegender Bedeutung ist“. Fazit agrarheute: Das passt.
Kennt KI die Lösung für die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung?
ChatGPT hat die Prognose der Vereinten Nationen gespeichert, dass die Weltbevölkerung im Jahr 2050 zwischen 7,9 und 10,9 Milliarden Menschen erreichen dürfte. agrarheute fragt: Wie können wir diese wachsende Weltbevölkerung ernähren? Die Antwort: „Die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung ist eine der großen Herausforderungen, mit denen die Menschheit in den kommenden Jahrzehnten konfrontiert sein wird. Einige der Maßnahmen, die zur Sicherung der Nahrungsmittelversorgung beitragen könnten, umfassen: 1. Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität: Durch den Einsatz von modernen Technologien und Praktiken kann die landwirtschaftliche Produktivität erhöht werden, um mehr Nahrungsmittel auf weniger Land zu produzieren. 2. Verbesserung der Lagerung und Verteilung von Nahrungsmitteln: Eine bessere Lagerung und Verteilung von Nahrungsmitteln kann dazu beitragen, dass mehr Menschen Zugang zu ausreichenden Nahrungsmitteln haben. 3. Reduzierung von Nahrungsmittelverschwendung: Etwa ein Drittel der weltweit produzierten Nahrungsmittel wird verschwendet. Durch die Reduzierung von Verschwendung könnten mehr Nahrungsmittel für diejenigen bereitgestellt werden, die sie benötigen. 4. Erschließung neuer Nahrungsmittelquellen: Es könnten auch neue Nahrungsmittelquellen erschlossen werden, wie zum Beispiel die Nutzung von Algen als Nahrungsmittel oder die Verwendung von Insekten als Eiweißquelle. 5. Veränderungen im Ernährungsverhalten: Schließlich könnten auch Veränderungen im Ernährungsverhalten dazu beitragen, dass mehr Menschen ausreichend ernährt werden. Zum Beispiel könnten weniger tierische Produkte und mehr pflanzliche Nahrungsmittel in der Ernährung enthalten sein, wodurch weniger Land für die Produktion von Futter benötigt wird.“ Fazit agrarheute: Die Antwort der KI auf diese komplexe Frage fällt etwas ausführlicher aus, ist aber klar strukturiert.
Setzt Künstliche Intelligenz auf grüne Gentechnik?
ChatGPT wurde von Microsoft mitentwickelt. Gründer Bill Gates ist ein Befürworter der Pflanzenbiotechnologie. Darum möchte ich von der KI wissen, ob wir zur Steigerung der erwähnten landwirtschaftlichen Produktivität die grüne Gentechnik brauchen? „Die Verwendung von modernen Technologien, einschließlich der Gentechnik, kann ein wichtiger Faktor bei der Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität sein“, tickert ChatGPT. Ein paar Zeilen später mahnt der Bot: „Es ist wichtig zu beachten, dass die Verwendung von grüner Gentechnik umstritten ist und es Vor- und Nachteile gibt, die bei der Entscheidung, ob und wie sie eingesetzt werden sollte, berücksichtigt werden müssen. Einige Leute sind besorgt über mögliche Auswirkungen auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit, während andere argumentieren, dass die Verwendung von grüner Gentechnik eine wichtige Möglichkeit ist, um die landwirtschaftliche Produktivität zu erhöhen und den Hunger in der Welt zu bekämpfen. Letztendlich muss eine sorgfältige Abwägung aller Faktoren erfolgen, um entscheiden zu können, ob und wie grüne Gentechnik eingesetzt werden sollte.“ Fazit agrarheute: Die Antwort wägt das Sowohl-als-auch ab, legt sich aber nicht fest. Diesem Muster folgen sehr viele Antworten der KI-Plattform auf umstrittene Themen.
Zukunft der Landwirtschaft: Liegt sie im Ökolandbau?
Wie steht es dann um den ökologischen Landbau? Ist das die Landwirtschaft der Zukunft? ChatGPT schreibt mir: „Die Ökologische Landwirtschaft ist eine Form der Landwirtschaft, die sich an natürlichen Ökosystemen orientiert und auf den Einsatz synthetischer Pestizide und Kunstdünger verzichtet. Sie setzt auf natürliche Prozesse und betont die Bedeutung der biologischen Vielfalt. Die Ökologische Landwirtschaft wird oft als eine nachhaltigere Form der Landwirtschaft betrachtet, da sie die Belastung der Umwelt durch Chemikalien und die Erschöpfung von Bodenressourcen verringern kann. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Ökologische Landwirtschaft nicht für alle Regionen und Klimabedingungen geeignet ist und möglicherweise nicht in der Lage ist, die Nahrungsmittelbedarfe einer wachsenden Weltbevölkerung zu decken. Eine vollständige Umstellung auf ökologischen Landbau könnte daher möglicherweise nicht praktikabel sein.“ Fazit agrarheute: Erneut folgt die KI ihrem Muster, die Vor- und Nachteile aufzuzählen, ohne zu gewichten.
Was die Künstliche Intelligenz alles nicht weiß
Die Grenzen der KI-Plattform sind eindeutig erreicht, sobald der Nutzer fachlich tiefergehende Fragen stellt. Dann sind die Antworten oft falsch oder irreführend. Auf meine Frage nach drei guten Winterroggen-Sorten für Norddeutschland nennt ChatGPT Sceptron, Acanto und Ronin. Das ist geradezu haarsträubend falsch. Es gibt EU-weit keine Roggensorten dieser Namen geschweige denn, dass sie in Deutschland zugelassen oder gar für Norddeutschland empfohlen wären. Den Einsatz von Glyphosat hält ChatGPT für „seit dem 31. Dezember 2020 verboten“. Wieder ein glatter Fehler. Das Ende der Gülle-Sperrfrist legt die KI deutschlandweit auf den 15. April. Auch das ist falsch. Fazit agrarheute: Die Macher des Systems warnen offensichtlich zurecht davor, sich bei wichtigen Fragen darauf zu verlassen.
KI als „Erntehelfer“: Wo liegt das Potenzial für Landwirte?
Und wie sieht ChatGPT das Potenzial Künstlicher Intelligenz in der Landwirtschaft? Die Antwort: „Künstliche Intelligenz kann in der Landwirtschaft in vielen Bereichen eingesetzt werden und hat das Potenzial, die landwirtschaftliche Produktivität zu erhöhen und die Effizienz zu verbessern. Einige Beispiele für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Landwirtschaft sind: 1. Vorhersage von Wetterbedingungen und Pflanzenbedarf: KI-Systeme können Wetterdaten analysieren und Pflanzenbedarf vorhersagen, um Landwirte bei der Entscheidung zu unterstützen, wann sie welche Pflanzen pflanzen und wann sie gegossen werden müssen. 2. Erkennung von Schädlingen und Krankheiten: KI-Systeme können Bilder von Pflanzen analysieren und Schädlinge oder Krankheiten erkennen, um Landwirte frühzeitig zu warnen und ihnen helfen, Schäden zu minimieren. 3. Steuerung von Bewässerungssystemen: KI-Systeme können Bewässerungssysteme steuern, um sicherzustellen, dass Pflanzen ausreichend Wasser bekommen, ohne dass es zu Verschwendung kommt. 4. Analyse von Bodenbedingungen: KI-Systeme können Bodenproben analysieren und Landwirten Informationen zu Düngemittelbedarf und -mengen liefern, um die Produktivität zu optimieren.“ Fazit agrarheute: Künstliche Intelligenz in der Landwirtschaft ist keine ferne Zukunftsmusik. Die skizzierten Einsatzfelder für KI sind dicht an der Praxis.
agrarheute Fazit: Taugt ChatGPT als neue Suchmaschine für Landwirte?
Der Prototyp der OpenAI-Plattform ChatGPT steht im Internet kostenlos zur Verfügung. Nach Anmeldung mit einer gültigen E-Mailadresse kann jeder mit dem Chatbot kommunizieren. Unser kleiner Test legte einige Stärken und Schwächen des Systems offen. Einerseits beeindrucken die Geschwindigkeit und sprachliche Qualität der Künstlichen Intelligenz. Andererseits sind die vielen sachlichen Fehler erschreckend. Eine zuverlässige Informationsquelle ist ChatGPT nicht. Nutzer sollten die ausgegebenen Inhalte unbedingt kritisch prüfen. Hinzu kommt: Das System ist auf dem Wissensstand von 2021, das heißt, zu aktuellem Tagesgeschehen kann die Plattform keine Antworten geben. Trotzdem: Anmelden und einfach draufloschatten ist interessant und macht Spaß. Auf Knopfdruck schreibt ChatGPT Ihnen auch ein Gedicht über Ihre Lieblingskuh.