Ab dem 1. Januar können sich für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft erhebliche Veränderungen bei der Umsatzsteuer ergeben, wenn bisher die sogenannte „Pauschalierung“ (Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG) angewendet wurde. Durch das Jahressteuergesetz 2020 wurde zum 1.1.2022 der Anwendungsbereich der Pauschalierung auf diejenigen Land- und Forstwirte beschränkt, deren Gesamtumsatz nach § 19 Abs. 3 UStG im vorangegangenen Kalenderjahr 600.000 € nicht überschritten hat.
Alle Umsätze des Unternehmers sind zu berücksichtigen
Das Jahr 2021 ist das vorangegangene Kalenderjahr für 2022. Zur Berechnung der Gesamtumsatzgrenze von 600.000 € dürfen allerdings nicht nur die Umsätze der Monate Januar bis Dezember 2021 aus dem Land- und Forstwirtschaftsbetrieb herangezogen werden. Vielmehr müssen alle Umsätze berücksichtigt werden, die der Unternehmer im Kalenderjahr 2021 ausgeführt hat. Dazu gehören z. B. auch die Umsätze aus einer eigenen gewerblichen Tätigkeit oder dem Stromverkauf einer Photovoltaikanlage.
Wenn in 2021 die Gesamtumsatzgrenze also überschritten wurde, muss ab 2022 zwingend im Land- und Forstwirtschaftsbetrieb die Regelbesteuerung angewendet werden. Dies gilt auch für Betriebe mit einem abweichenden Wirtschaftsjahr, zum Beispiel vom 1. Juli bis 30. Juni – hier muss dann unterjährig mit Ablauf des 31. Dezember die Besteuerungsform gewechselt werden. Das bedeutet natürlich eine besondere Herausforderung für die betriebliche Buchführung.
Was kommt im Einzelnen auf die Land- und Forstwirtsbetriebe zu, die nun erstmals die Regelbesteuerung anwenden müssen? Einige wichtige organisatorische Punkte werden im Folgenden erläutert.
Ausgangsrechnungen und Gutschriften
Alle Lieferungen und sonstigen Leistungen des Land- und Forstwirts, die ab 1.1.2022 ausgeführt werden, sind nach den für die Regelbesteuerung bestehenden Vorschriften abzurechnen. Bei der Umsatzsteuer gelten dann der ermäßigte Steuersatz von 7 % oder der volle Steuersatz von 19 %. Sollte ein EDV-Programm für die Rechnungstellung verwendet werden, müssen die Steuersätze entsprechend umgestellt werden.
Für den Fall, dass der Abnehmer per Gutschrift abrechnet (zum Beispiel Erzeugergemeinschaft, Genossenschaft, Molkerei etc.), muss dieser unbedingt informiert werden, damit er die Gutschriften richtig ausstellen kann. In Zweifelsfällen sollte man lieber bei seiner Steuerkanzlei um Rat fragen, um die Angabe eines falschen Steuersatzes zu vermeiden.
Vereinbarte oder vereinnahmte Entgelte?
Grundsätzlich gilt für die Entstehung der Umsatzsteuer und für die Ermittlung des Gesamtumsatzes das Prinzip der sogenannten Soll-Besteuerung. Das heißt, die Umsatzsteuer entsteht nach den vereinbarten Entgelten, sobald der Umsatz erbracht worden ist. Soweit der Unternehmer aber die Steuer nach vereinnahmten Entgelten, also dem Zufluss des Geldes berechnet (sogenannte Ist-Besteuerung), ist die sich dabei ergebende Umsatzsteuer entscheidend.
Eine Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten kommt allerdings hauptsächlich in Frage, wenn der Gesamtumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 600.000 € beträgt und ein entsprechender Antrag gestellt wurde. Dieser Antrag ist an keine Form gebunden und kann bis zum Eintritt der formellen Bestandskraft der jeweiligen Jahresumsatzsteuer-Festsetzung erfolgen.
Beispiel: Franz Regler ist Inhaber eines Handwerksbetriebes mit zehn Arbeitnehmern (Jahresumsatz 800.000 € netto). Außerdem betreibt er „nebenbei“ einen Landwirtschaftsbetrieb mit 10 ha LN, den er von seinen Eltern geerbt hat und selbst bewirtschaftet. Mit diesem Betrieb pauschaliert er umsatzsteuerlich und ermittelt für die Einkommensteuer den Gewinn durch Ermittlung des Überschusses der zugeflossenen Betriebseinnahmen über die abgeflossenen Betriebsausgaben.
Hier ist absehbar, dass in dieser Konstellation ab 2022 die Regelbesteuerung für den Landwirtschaftsbetrieb ansteht. Dabei ist es völlig ohne Belang, nach welcher einkommensteuerlichen Methode der Gewinn ermittelt wird. Grundsätzlich wäre der Gesamtumsatz (Nettobeträge beider Betriebe) des Kalenderjahres 2021 nach dem Prinzip der Soll-Besteuerung zu ermitteln.
Für sein Unternehmen (Handwerksbetrieb und Landwirtschaftsbetrieb) muss Franz Regler im Kalenderjahr 2022 einheitlich die Soll-Besteuerung anwenden. Wegen der hohen Gesamtumsätze würde ein Antrag auf Ist-Besteuerung abgelehnt. Eine Begrenzung der Ist-Besteuerung auf den LuF-Betrieb ist nicht zulässig.
Eingangsrechnungen müssen fehlerfrei sein
Ein weiterer Punkt ist, dass bei der Regelbsteuerung die Eingangsrechnungen wegen des nunmehr möglichen Vorsteuerabzugs gründlich auf Korrektheit zu prüfen sind. Ansonsten kann die in den Eingangsrechnungen enthaltene Umsatzsteuer möglicherweise nicht als Vorsteuer abgezogen werden. Wie eine korrekte Rechnung aussehen muss, zeigt das abgebildete Muster.
Pflichtangaben in einer Rechnung
Wie muss eine korrekte Rechnung aussehen? Sie muss – dies trifft im Übrigen auch für Ausgangsrechnungen zu - folgende Angaben enthalten:
(1) den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers
(2) den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des Leistungsempfängers
(3) die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer
(4) das Ausstellungsdatum
(5) den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung
(6) eine Rechnungsnummer (fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der Rechnung vom Rechnungsaussteller einmalig vergeben wird)
(7) die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung
(8) das nach Steuersätzen und einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsselte Entgelt,
(9) den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag (im Fall einer Steuerbefreiung ist ein entsprechender Hinweis anzugeben)
(10) in den Fällen der Ausstellung der Rechnung durch den Leistungsempfänger die Angabe „Gutschrift“.
Wenn der Rechnungsbetrag nicht über 250 € liegt (sogenannte Kleinbetragsrechnung), ist es ausreichend, wenn Entgelt und Steuerbetrag in einer Summe als Bruttobetrag ausgewiesen werden und der korrekte Steuersatz angegeben ist.
Korrekte Eingangsrechnungen sind eine notwendige Voraussetzung, um den Vorsteuerabzug zu sichern. Daher ist die Prüfung der Eingangsrechnungen ganz wichtig und notwendige Fehler sollten dem Rechnungsabsender umgehend mitgeteilt werden, damit er die Rechnung korrigieren kann. Die eigenständige „Berichtigung“ einer fehlerhaften Rechnung durch Empfänger ist nicht zulässig.
Zusätzliche Pflichten für Aufzeichnungen
Neben den Aufzeichnungspflichten, die sich aus dem Einkommensteuerrecht und der Abgabenordnung ergeben, sind für die Umsatzsteuer weitere Details vorgeschrieben. Bezüglich Umsatzsteuer ist für die häufigsten Vorgänge folgendes bei den Aufzeichnungen zu beachten:
- Die vereinbarten Entgelte für ausgeführte Lieferungen und sonstige Leistungen müssen getrennt nach Steuersätzen und steuerfreien Umsätzen aufgeführt werden.
- Die vereinnahmten Entgelte und die vereinnahmten Teilentgelte für noch nicht ausgeführte Lieferungen und sonstige Leistungen sind gesondert und getrennt nach Steuersätzen und steuerfreien Umsätzen aufzuzeichnen.
- Die Bemessungsgrundlage für unentgeltliche Wertabgaben (d. h. für private Entnahmen) müssen erfasst und aus den Aufzeichnungen zu ersehen sein.
- Die Bemessungsgrundlage für die Einfuhr von Gegenständen sowie die dafür entstandene Einfuhrumsatzsteuer sind gesondert in den Aufzeichnungen zu vermerken.
- Die Bemessungsgrundlage für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie die hierauf entfallenden Steuerbeträge müssen aus den Aufzeichnungen hervorgehen.
Hinweis: Bei den Entgelten und Bemessungsgrundlagen handelt es sich jeweils um Nettobeträge (d. h. ohne Umsatzsteuer).
Hinsichtlich der Vorsteuer müssen aus den betrieblichen Aufzeichnungen die Entgelte (Nettobeträge) für bezogene steuerpflichtige Leistungen anderer Unternehmer und die darauf entfallenden Steuerbeträge ersichtlich sein. Grundlage für diese Aufzeichnungen sind in der Regel die Eingangsrechnungen oder Verträge. Diese müssen wiederum zwingend die Bestandteile einer Rechnung enthalten. Sind diese nicht korrekt vorhanden, wird das Finanzamt bei einer Betriebsprüfung den Vorsteuerabzug streichen.
Regelmäßige Abrechnung mit dem Finanzamt
Der Unternehmer muss bis zum 10. Tag nach Ablauf jedes Voranmeldungszeitraums eine Umsatzsteuer-Voranmeldung elektronisch an das zuständige Finanzamt übermitteln. Der Übermittlungstag kann um einen Monat auf den Folgemonat verschoben werden, wenn ein Antrag auf Dauerfristverlängerung gestellt und ggf. eine Sondervorauszahlung entrichtet wird.
Die Steuer für einen Voranmeldungszeitraum (Vorauszahlung) muss selbst ermittelt werden. Sie ergibt sich als Differenz aus Umsatzsteuer und Vorsteuer. Die berechnete Vorauszahlung ist auch gleichzeitig fällig. Will man sich den Zeitaufwand für das Überweisen sparen, kann man dem Finanzamt eine Einzugsermächtigung erteilen.
Wie oft Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben sind, hängt von der Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr ab. Nimmt der Unternehmer seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit auf, ist zudem einiges zu beachten.
Beispiel: Da der Unternehmer Franz Regler für das Kalenderjahr 2021 mehr als 7500 € Steuer an das Finanzamt gemeldet hat, muss er in 2022 monatlich Voranmeldungen abgeben. Im Gegensatz zu 2021 muss aber in 2022 auch der Umsatz aus dem Landwirtschaftsbetrieb gemeldet werden.
Dies bedeutet, dass die Buchführung des Landwirtschaftsbetriebes monatlich zu erledigen ist. Wegen des Handwerksbetriebes hat Franz Regler allerdings die Dauerfristverlängerung beantragt, so dass etwas mehr Zeit bleibt, um die Buchführung zu erledigen.