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Nachfolgeregelung

Hofübergabe: Es muss nicht immer ein Familienmitglied sein

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Hans Dreier
Hans Dreier
am Donnerstag, 02.06.2022 - 09:44

Damit der Hof auch dann weiterbewirtschaftet wird, wenn die eigenen Kinder die Nachfolge nicht antreten, sind viele Landwirte zur Übergabe an jemanden außerhalb der Familie bereit. Welche Erfahrungen gibt es dazu?

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Leonhard Mertenschlager fühlt sich sichtlich wohl in seiner Haut. Zufrieden sitzt er neben seiner Hofnachfolgerin Petra Sollmann, die nicht seine Tochter ist, am Tisch. Voller Stolz erzählt er, wie er es geschafft hat, seinen Hof in Feinschluck, Mittelfranken, in gute Hände zu geben, die das Anwesen in seinem Sinne fortführen. Damals, vor rund zehn Jahren, trieb ihn die Sorge um die Zukunft um. Denn er wollte etwas Außergewöhnliches wagen, das bis dahin nur für wenige Landwirte vorstellbar war. „Meine Frau Erna und ich standen vor einem Riesenproblem“, sagt der Austragsbauer, „denn keines der Kinder wollte den landwirtschaftlichen Betrieb fortführen“.

Das Ehepaar wollte den Hof jedoch unbedingt am Leben erhalten, die Betriebsaufgabe und die Verpachtung der Flächen kamen für sie nicht infrage. Stattdessen reifte der Gedanke heran, den Schluckerhof an jemand außerhalb der Familie zu übergeben. Doch wie findet man junge Leute, die auf der Suche nach einem Hof sind?

Wie findet man geeignete Nachfolger

Vor dieser Frage stehen heute nicht wenige bayerische Landwirte. Nur auf jedem dritten landwirtschaftlichen Betrieb ist die Nachfolge gesichert. Eine umfangreiche Befragung von Betrieben durch die Fachhochschule Weihenstephan-Triesdorf hat ergeben, dass 25 Prozent der Höfe voraussichtlich aufgegeben werden, bei 33 Prozent sei die Hofnachfolge noch ungeklärt.

Vor dem Problem der ungeklärten Nachfolge stehen nicht nur kinderlose Betriebsleiter. Auch wenn mehrere Kinder in der Familie vorhanden sind, ist das keine Garantie für die Fortführung des Betriebes. Doch viele Landwirte im Übergabealter wollen nicht der Letzte sein, der das Licht ausknipst, und machen sich außerhalb der Familie auf die Suche nach einem Hofnachfolger.

„Auch an der Landvolkshochschule Niederalteich spüren wir diese Entwicklung“, berichtet Bildungsreferentin Annette Plank. Um die Möglichkeiten der außerfamiliären Hofübergabe zu beleuchten, lud sie kürzlich zusammen mit der Katholischen Landvolk Bewegung (KLB) zu einer Tagung ein. „Wir wollen hier nicht nur Wissen vermitteln, sondern potenziellen Übergebern und Übernehmern die Gelegenheit geben, miteinander ins Gespräch zu kommen“, erklärt KLB-Geschäftsführer Martin Wagner.

Wenn sich innerhalb der Familie niemand für die Nachfolge findet, ist das zunächst eine große Belastung. Die Angst, dass der Hof später aufgegeben oder von einer Erbengemeinschaft zersplittert wird, lässt die Betroffenen nach neuen Wegen suchen. „Für viele steht dabei die Erhaltung des Hofs als Arbeits- und Lebensplatz an oberster Stelle“, beobachtet Isidor Schelle vom Bayerischen Bauernverband in München. Gleichzeitig müsse jedoch die finanzielle und wirtschaftliche Sicherung für Übergeber und Übernehmer erreicht werden.

Die klassische Hofübergabe als Schenkung bei gleichzeitiger Vereinbarung von Gegenleistungen (Kost und Wohnung, Altenteilszahlungen, Leibrente etc.) ist auch mit einem nicht verwandten Nachfolger möglich. Wer zu lange bei der Suche nach einem Nachfolger zögert, verschenkt wertvolle Zeit, warnt Schelle. „Einen Nachfolger gibt es nämlich sowieso: Wenn man ihn nicht selbst auswählt, bestimmt ihn nach dem Tod das Gesetz. Wenn dem so ist, worauf soll man dann noch warten?“, fragt Schelle.

Verschiedene Möglichkeiten der Suche

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Für die Suche eines Nachfolgers gibt es verschiedene Möglichkeiten: Man kann eine Anzeige im Wochenblatt oder auf einer Hofbörse im Internet schalten. Man kann sich aber auch an Fachschulen, die Landsiedlung oder einen Makler wenden.

„Ein Nachfolger von außerhalb der Familie kann oft besser sein als Kinder, die unmotiviert sind und zur Übernahme gedrängt werden“, meint Walter Engeler von der Landwirtschaftlichen Familienberatung der Evangelischen Kirche in Bayern. „Junge, gut ausgebildete Leute von außen bringen oft tolle neue Ideen ein, die den Hof voranbringen können“, sagt der Pfarrer und Psychotherapeut.

Fortführung im Sinne des Übergebers

Damit die Zusammenarbeit zwischen Jung und Alt funktionieren könne, müssen sich die Übergeber offen zeigen für neue Ideen und Vorschläge. Nach Ansicht von Walter Engeler sei es völlig falsch, wenn man vom Nachfolger verlange, den Hof genau so wie bisher fortzuführen, „das wird nicht funktionieren“. Der Übergeber sollte sich darauf beschränken, dass der Hof „in seinem Sinne“ weitergeführt wird. Das heißt aber nicht, dass jeder Arbeitsschritt so gemacht wird wie zuvor. Wenn ständig der Kommentar kommt „Was machst Du jetzt schon wieder für einen Unsinn“, wird der Nachfolger schnell die Begeisterung verlieren.

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Umgekehrt müssen aber auch die potenziellen Interessenten genau darauf achten, wie ihre Vorschläge und wie jedes ihrer Worte beim Übergeber ankommen. „Die falsche Wortwahl kann zu tiefen Verletzungen führen und das ganze Vorhaben zum Scheitern bringen“, warnt Helga Grömer von der Ländlichen Familienberatung im Bistum Passau.

Sie hat da immer noch den Fall eines 71-jährigen Landwirts vor Augen, der als Nachfolger einen jungen Mann auserkoren hatte, der schon als kleiner Bub immer am Hof mitarbeitete. Der junge Mann zog in das große Wohnhaus ein, wollte sogar den Namen des Übergebers annehmen. Doch eines Tages macht der junge Mann eine unbedachte Äußerung, als es darum ging, eine schadhafte Stelle an einem Gebäude auszubessern. Es sei doch einiges „runtergewirtschaftet“, entfuhr es dem Anwärter, „da müsse noch so viel repariert werden“. Der Ausdruck „runtergewirtschaftet“ kränkte den Übergeber schwer, obwohl der Junge das gar nicht als Vorwurf gemeint hatte. Helga Grömer konnte die Wogen zwischen den beiden nur mit Mühe wieder glätten.

Steuerliche Verschonungsregeln für die Übergabe

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Eines der größten Hindernisse bei der außerfamiliären Hofübergabe war lange Zeit die Erbschaft- und Schenkungsteuer. Hier kann Maria Janker, Steuerberaterin bei der WTG-Wirtschaftskanzlei in Straubing, jedoch Entwarnung geben. Denn der Gesetzgeber hat für die Übertragung von landwirtschaftlichen Betrieben umfangreiche Verschonungsregelungen erlassen, die auch bei der Übergabe an Fremde gelten.

Voraussetzung ist, dass der Nachfolger alle Teile des übernommenen Betriebes mindestens fünf bzw. sieben Jahre lang weiterhin landwirtschaftlich nutzt. In dieser Zeit darf keine Umnutzung zu nichtlandwirtschaftlichen Zwecken vorgenommen werden. Solange dieses zeitlich begrenzte Umnutzungsverbot eingehalten wird, bleibt auch die Übergabe an einen familienfremden Hofnachfolger komplett von der Erbschaft- und Schenkungsteuer befreit.

Eine Steuerbelastung könne es allerdings im Bereich der Grunderwerbsteuer geben, die in Bayern 3,5 % beträgt. Befreit seien hier nur Schenkungen an Abkömmlinge, die in direkter Linie verwandt sind (z. B. Kinder, Enkelkinder). Alle anderen Schenkungen von Grundstücken unterliegen der Grunderwerbsteuer. Bemessungsgrundlage dafür seien die Gegenleistungen, die der familienfremde Hofübernehmer im Zuge der Übertragung übernimmt. Werden beispielsweise monatliche Austragsleistungen oder eine Leibrente vereinbart, unterliegt deren Kapitalwert der Grunderwerbsteuer.

Die Angst vor möglichen Steuerbelastungen ist also kein Grund, um vor einer Hofübergabe außerhalb der Familie zurückzuschrecken. „Wichtig ist jedoch, dass man mit den Planungen dafür frühzeitig beginnt, am bestens schon fünf Jahr zuvor“, rät Maria Janker. „Dann bleibt genügend Zeit, um die optimale steuerliche Lösung zu finden.“

Wie die außerfamiliäre Hofübergabe gelingen kann

Das haben die Familien Sollmann und Mertenschlager vorgemacht. Petra und Stephan Sollmann, die sich beim Studium an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf kennengelernt haben und beide selbst von einem Hof stammen, hatten nach ihrem Abschluss 2012 den Traum, einmal selbst einen Bauernhof zu bewirtschaften.

Sie schalteten Anzeigen im Wochenblatt und auf Hofbörsen im Internet. Auf diesem Weg lernten sie Leonhard Mertenschlager kennen, der Nachfolger für seinen Hof in Feinschluck suchte. Dabei zeigte sich, dass das Glück oft so nah liegen kann. Denn der Schluckerhof liegt nur 5 km von Petra Sollmanns Elternhaus entfernt.

Leonhard Mertenschlager hatte damals gerade einen Rückschlag zu verkraften. Ein interessiertes Paar, das 2011 die Nachfolge antreten wollte und den Hof pachtete, gab im November 2012 den Betrieb wieder zurück. Für Petra und Stephan Sollmann bot sich jetzt die Gelegenheit, ihren Traum zu verwirklichen.

Der Schluckerhof schien ideal für die beiden. Leonhard Mertenschlager hatte den 20 ha großen Hof bereits im Nebenerwerb geführt und arbeitete im Hauptberuf als Milchprüfer. Hauptbetriebszweig war die Mutterkuhhaltung mit Direktvermarktung des Fleisches. „Für uns war die Ausrichtung auf Nebenerwerbslandwirtschaft perfekt“, sagt Petra Sollmann, „da mein Mann und ich ja studiert haben, wollten wir das natürlich auch noch irgendwie nutzen“.

Erstes Treffen an einem neutralen Ort

Für das erste Kennenlernen verabredeten sich die Familien Mertenschlager und Sollmann in einer Gaststätte. „Das Treffen an einem neutralen Ort ist unbedingt zu empfehlen“, rät Petra Sollman, „man kann sich dann voll auf das Persönliche konzentrieren“. Man spüre dann sofort, ob die Wellenlänge passt. Wenn man sich beim ersten Mal auf dem Hof trifft, stehen dagegen schnell fachliche Dinge im Vordergrund und die Personen selbst treten in den Hintergrund.

Auf das erste Kennenlernen sollte man sich sehr sorgfältig vorbereiten, rät Petra Sollmann. „Ich hatte mir für das erste Zusammenkommen eine Liste mit Fragen aufgeschrieben, um von Anfang an die Ernsthaftigkeit unseres Interesses zu betonen.“ Beim Kennenlernen in der Gaststätte hatte es zwischen den beiden Paaren sofort „gefunkt“, schnell war klar, dass es bei ihnen menschlich funktionieren könnte. Dann ging es Schlag auf Schlag.

Man holte Isidor Schelle vom Bauernverband und den Steuerberater ins Boot, um den Übergabeprozess zu moderieren und den Übergabevertrag vorzubereiten. Zunächst wurde ein Pachtvertrag zum 1. Juli 2013 geschlossen. Petra und Stephan Sollmann heirateten am 21. Juni 2013 und zogen am 1. Juli auch auf den Hof.

Jung und Alt wohnen gemeinsam auf dem Hof

Die Eigentumsübergabe war für den 1. Juli 2015 angesetzt. Schnell wurde klar, dass es eine klassische Hofübergabe werden sollte: Jung und Alt wohnen gemeinsam auf dem Hof. Die Jungen erhalten das Eigentum am Hof übertragen und sorgen im Gegenzug für die Altenteiler. Weil der Kauf des Hofes von Petra und Stephan Sollmann finanziell nicht zu stemmen gewesen wäre, einigte man sich auf die Zahlung einer Leibrente.

Leonhard Mertenschlager und seine Frau Erna leben jetzt gut versorgt auf ihrem früheren Hof. Neben der Leibrente beziehen beide noch eine Rente aus ihren früheren Arbeitsverhältnissen, dazu kommt noch ein Minijob-Gehalt aus Leonhard Mertenschlagers früherer Tätigkeit als Milchprüfer.

Finanziell gut abgesichert können die beiden jetzt mit Freude mitverfolgen, wie die Nachfolger voller Elan den Hof weiterentwickeln. Der Betrieb wurde auf ökologische Wirtschaftsweise umgestellt. Petra brachte zwei Kinder zur Welt und absolvierte noch eine Ausbildung als Erlebnisbäuerin, um zusätzliches Einkommen zu erzielen. Neue Maschinen wurden angeschafft und die Wirtschaftsgebäude laufend erneuert und umgebaut.

Finanzielle Anforderungen einplanen

Petra Sollmann warnt jedoch davor, die finanziellen Anforderungen, die mit der Übernahme eines Hofes verbunden sind, zu unterschätzen. Neben der Leibrentenzahlung musste gleichzeitig in Maschinen und Gebäude investiert werden. „Ohne Eigenkapital wäre das nicht zu stemmen gewesen“, stellt die Bäuerin rückblickend klar.

Dennoch kann Petra Sollmann alle, die den Weg der außerfamiliären Hofübergabe gehen wollen, dazu nur ermutigen. „Ein Übergabeprozess ist langwierig und mit viel Bürokratie verbunden. Aber es ist machbar, halten Sie durch!“, sagt die junge Bäuerin und blickt dankbar über den Tisch zu Leonhard, dem Austragsbauern.

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