Das ist ein Artikel vom Top-Thema:

Betriebsentwicklung

Agrarfamilie 2021: Mut verleiht Flügel

Huettinger-Siegerfoto-agrarfamilie-buxlhof
Barbara Höfler
am Freitag, 22.10.2021 - 11:56

Sieger in der Kategorie Betriebsentwicklung: Der Buxlhof von Familie Hüttinger im Altmühltal besteht aus zwei Betrieben: Die „Alten“ vermarkten Geflügel, die „Jungen“ Eier. Beide Generationen wirtschaften Hand in Hand und entwickeln sich gemeinsam immer weiter.

Hören wir doch mit den Kühen auf“, sagte Roswitha Hüttinger eines Tages zu ihrem Mann Matthäus. Damit fing alles an. Den in fünfter Generation geführten Ackerbau- und Milchviehbetrieb von Matthäus‘ Eltern fuhren sie ein wenig zurück, belegten Schlachtkurse, bauten um und starteten neu – mit Geflügel.

BLW_Freilandhühner Hüttinger

„Wir wollten einfach nicht mehr so stark von den schwankenden Milchpreisen abhängig sein“, erklärt Roswitha Hüttinger in der Stube des Buxlhofs in Rapperszell/Lks. Eichstätt, hinter ihr eine ganze Wand mit Fotos ihrer fünf Kinder und elf Enkelkinder. Ein zusätzliches, von der Macht des Einzelhandels unabhängiges Standbein sei das Ziel gewesen. Und so hatte sich die rührige Bäuerin während ihrer Ausbildung an der Landsberger Meisterschule für Hauswirtschaft etwas überlegt.

Das Betriebskonzept für den 2011 gegründeten „Jura-Geflügel“-Hof war Roswitha Hüttingers Meisterprojekt. Matthäus und sie füllten damit eine Marktnische, denn Geflügel gab es in nächster Nähe so noch nicht. Die Hüttingers bauten Schlachträume und einen Hofladen, sie fingen mit 1500 Hähnchen, Enten und Gänsen im Jahr an und vermarkten heute 4500 Tiere, inzwischen auch Wachteln, Perlhühner und Puten.

Die perfekte Nische – auch fürs Tier

BLW_Hofladen Detail Regal alternativ

Zu den Kunden gehören neben der Direktvermarktung andere Dorf- und Hofläden sowie Slowfood-Restaurants. Denn Tierwohl ist auf diesem Hof keine Phrase. Alles Federvieh steht auf Stroh, hat Weidegang und kürzer könnte der Weg von der Wiese zur Kühltheke nicht sein. Den Preis in der Kategorie „Betriebsentwicklung“ im Wettbewerb „Agrar-Familie“ hätten die Hüttingers schon damit verdient. Bekommen hat die Familie ihn aber, weil der Buxlhof beim Erreichten nicht stehengeblieben ist.

Mit in der Stube sitzen Sohn Bernhard (37) und seine Frau Alexandra Hüttinger (33), Eltern von Paul (6), Felix (4) und Lilli (2). 2014 traten die beiden die Hofnachfolge an und machten sich abermals viele Gedanken über die Zukunft. Alexandra hatte Mechatroniktechnikerin, Bernhard im Schweinemastbetrieb gelernt, seinen Meister machte er in der Milchviehhaltung und da standen ja noch immer 20 Milchkühe in Anbindehaltung auf dem Hof. Die Jungen entschieden sich dafür, den Geflügelbetrieb von Roswitha und Matthäus weiter auszubauen.

Aus 150 Legehennen wurden 1200

BLW_Familienfoto Agrarfamilie Hüttinger Alternative

Der alte Kuhstall ist seitdem das Winterquartier für die Hähnchen und Puten. Am Ortsrand baute die Familie eine komplette zweite Hofstelle. Sie umfasst ein Getreidelager mit Reinigung und Silo, eine Maschinenhalle und Ställe für Hühner, Enten und Gänse, die dort auch Zugang zur Weide haben.

150 Legehühner hatten Roswitha und Matthäus schon vorher. Alexandra und Bernhard machten 1200 daraus und damit einen eigenständigen Betriebszweig. Die Idee war so naheliegend wie großartig: Beide Betriebe – die Geflügelvermarktung der Altenteiler und die Eiervermarktung der Jungen – laufen komplett getrennt, aber mit zahlreichen Synergieeffekten. Nicht nur bei der Haltung und Fütterung mit hofeigenem Getreide und Soja, sondern auch bei der Vermarktung greifen die beiden Betriebe ineinander wie Zahnräder.

Eigenständige Betriebe, die sich ergänzen

Wenn Alexandra und Bernhard alle 1 – 1,5 Jahre ausstallen, weil die Eierschalen der Hühner dann brüchig werden, vermarkten Roswitha und Matthäus die Tiere als Suppenhühner. „So können wir alle Tiere am Hof selbst schlachten und verkaufen und sind von keinem weiteren Handel abhängig“, erklärt Bernhard.
Die Hofstelle am Ortsrand haben die Jungen um einen Legehennenstall mit Freilandhaltung und Wintergarten erweitert. Seit 2020 steht auf wechselnden Flächen ein mobiler Hühnerstall für 600 Legehennen, die auf diese Weise immer frisches Gras bekommen. Außerdem richteten Alexandra und Bernhard eine EU-zertifizierte Eierpackstelle auf dem Hof ein und bauten das viel zu kleine „Eierhäusl“ aus den ersten Betriebstagen aus – zu einem designpreis-verdächtigen 24/7-Hofladen in Würfelform aus eigenem Fichtenholz.

In diesem Hofladen gibt es nicht mehr nur Eier und ein paar Backwaren, sondern ein Feinschmeckersortiment mit Nudeln, Ölen, Bauernhofeis, Brot, Mehl und Milch von regionalen Partnern und natürlich Geflügel aus der Produktion von Roswitha und Matthäus. 50 % ihres Geflügels vermarkten sie auf Bestellung. Bleibt aber dennoch etwas übrig, können sie es vakuumiert an den Hofladen der Jungen verkaufen.

Die Wertschöpfung voll ausschöpfen

BLW_Eier  Hüttinger

Weil Eier an Ostern immer zu wenig sind, im Rest des Jahres aber manchmal zu viel, machen Alexandra und Bernhard aus dem Überschuss zum Beispiel Nudeln oder Eierlikör. Und weil Geflügel an Kirchweih und Weihnachten immer zu wenig ist, Suppenhühner gerade zur Ausstallungszeit manchmal zu viel, haben die beiden auch dafür eine Lösung. Zusammen mit dem Koch Uwe Rühl entwickelten sie Convenience-Produkte, in denen das Fleisch verarbeitet wird: Geflügel-Bolognese und -Curry, beides oftmals ausverkauft, außerdem Hühnerbrühe und -fond.

Über dem Hofladen steht heute in großen Lettern „Buxlhof. Gutes aus Rapperszell“. Die beiden Betriebe – das „Jura-Geflügel“ und die Eiervermarktung – werden künftig gemeinsam unter diesem Namen firmieren. Alexandra hat das Marketingkonzept dazu erarbeitet. Eine Grafikerin gestaltete das neue Logo: ein gelbes Ei auf braunem Grund.

Dass gutes Marketing heute mindestens so wichtig ist wie Qualität, ist am Buxlhof bei allen angekommen. „Man muss sich abheben von den anderen“, sagt Alexandra. Denn Ei ist Ei. Aber manche Kunden kämen allein wegen der schönen Eierschachteln, kartoniert, in Logofarben.
Alexandra pflegt auch mit großer Liebe den Facebook- und Instagram-Account des Buxlhofs, die miteinander 1500 Abonnenten haben und zusammen mit der schön gestalteten Webseite auch Urlaubsgäste anlocken. Es gibt auch ein paar Camping-Stellplätze am Hof. Regelmäßig seien die Gäste dann überrascht, dass der Hof gar kein Biobetrieb sei, erzählt Roswitha Hüttinger. „Die können gar nicht glauben, dass konventionelle Landwirtschaft so aussieht und arbeitet.“
Das nächste Projekt ist schon aufgegleist: Seit diesem Sommer steht in Rapperszell der wohl erste Wachtelmobilstall Deutschlands. Wachteleier kommen am Buxlhof ab sofort von hundert Legewachteln direkt von der Wiese. Alexandra Hüttinger hält es mit ihrer Schwiegermutter: „Stillstand ist Rückstand“, pflege sie zu sagen. Ein Motto, das in jedem Fall nur in eine Richtung führt: vorwärts.