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Interview

Maßgeschneidert zur Jagd

Katja-Bolsinger-Schneiderin-Jagdkleidung: Eine junge Frau hockt auf einer Wiese uns spielt und lacht mit ihren zwei Jagdhunden.
Carmen Knorr
Carmen Knorr
am Montag, 31.01.2022 - 14:40

Katja Bolsinger ist Maßschneiderin. Am Bauernhof hat sie sich ein professionelles Näh-Atelier eingerichtet und sich auf Jagdkleidung aus Wolle spezialisiert.

Steckbrief von Maßschneiderin Katja Bolsinger

Wie alt bist Du? Ich bin 27 Jahre alt.

Was treibst Du? Ich bin gelernte Herren-Maßschneiderin und betreibe seit zwei Jahren ein eigenes Schneider-Atelier (www.bolsinger-herrenschneiderei.de) mit Spezialisierung auf Jagd-Kleidung.

Woher kommst Du? Ich wohne in Lauchheim in Baden-Württemberg, mein Atelier ist auf dem elterlichen Hof in Westerhofen.

Interview: Jägerin, Schneiderin, Landkind

Wochenblatt: Du bist Maßschneiderin für Jagdkleidung, wie kam diese Spezialisierung?

Katja Bolsinger: Ich bin Jägerin und ziehe auch selber gerne Baumwoll- oder Naturstoffe wie Loden an. Auf der Jagd habe ich gelernt, dass man mit Kunststoff-Kleidung nichts anfangen kann. Also habe ich mir in den letzten zwei Jahren selbst meine Jagdkleidung genäht und mich mit verschiedensten Materialien und Schnitten ausprobiert. Ich bin froh, dass ich mittlerweile mit meiner Jagdkollektion so erfolgreich bin. Natürlich biete ich auch weiterhin das Schneidern von Herren-, Trachten- und Theaterkleidung an.

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Katja-Bolsinger-Jagdkollektion-Poncho: Eine junge Frau steht vor einem Fachwerkhaus und trägt einen braunen Poncho der sich leicht bewegt.

Wochenblatt: Was macht Walk-, Loden- oder andere Naturstoffe so geeignet für die Jagd?

Katja: Diese Natürlichkeit, die wir überall im Wald haben, soll auch in meine Kleidung übergehen. Man soll sich darin einfach rundum wohlfühlen können. Die wenigsten wissen, dass Wolle sowohl im Sommer als auch im Winter schützt. Unser Körper kommt mit den Naturstoffen ideal klar: Im Sommer schwitzt man damit nicht und im Winter friert man nicht. Die klassischen Wollstoffe haben sich schon seit Jahrhunderten bewährt, das Wissen geht aber immer mehr verloren. Gerade bei der Jagd kommt noch ein enormer Vorteil durch die Wollkleidung hinzu: Die Kleidung hört man nicht, sie macht keine Geräusche, wenn man sich bewegt. Das ist natürlich super, weil man damit schon zu Beginn der Jagd so leise wie möglich zu seinem Sitz kommt.

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Wochenblatt: Wie hast Du Deine Schnitte zum Vorteil der Jagd angepasst?

Katja: Viele Jäger und Jägerinnen greifen zu engen Klamotten, wie Thermo-Leggings. Ich vertrete da ein anderes Prinzip: Es braucht Luft zwischen Bein und Hose. Ich habe mich bei meiner klassischen Jagdhose für eine Breeches entschieden, die erinnert an eine alte Uniformhose. Durch ihren weiten Schnitt entsteht an den Oberschenkeln eine Luftkammer. Die schützt sowohl bei 30 Grad im Sommer vor Hitze als auch bei minus zehn Grad im Winter vor Kälte. An den Waden ist sie trotzdem schön eng, damit sie in die Stiefel passt. Zudem sitzt man als Jäger relativ viel. Bei der Hose hat man viel Platz am Knie und Oberschenkel. Da zwickt bei vier Stunden Sitzen nichts und durch die Lufträume kann ich meine Wärme oder Kühle speichern. Was ich im Wald anhabe, soll Sinn machen und die Natürlichkeit widerspiegeln, welche wir im Wald haben und das Jagen auch vertritt.

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Katja-Bolsinger-Schneiderin-Jagdkleidung: Eine junge Frau steht mit grauem Wollpullover und brauner, weiter Wollhose am Waldrand.

Wochenblatt: Warum hast Du Dich für ein historisches Design entschieden?

Katja: Ich habe bei meiner Ausbildung am Theater meine Vorliebe dafür entdeckt. Die Menschen damals haben sich schon nützliche Sachen überlegt. So sind deren Hosen am Rücken auch beispielsweise über die Nieren hoch geschnitten. Das habe ich auch bei meiner Hose übernommen: Wenn man sitzt, hat man damit gleich einen Nierenschutz.

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Wochenblatt: Ist diese spezielle Hose nur für Männer geeignet?

Katja: Der Schnitt dieser Hose ist unisex. Da ist es egal, ob man Frau oder Mann ist.

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Katja-Bolsinger-Jagdkleidung: Detailansicht einer jungen Frau auf den Bereich des Nacken. Sie trägt einen Poncho mit Rollkragen. Am hohen Kragen ist ein Hirsch aufgestickt.

Wochenblatt: Du testest jedes Deiner Designs selbst bei der Jagd?

Katja: Ja. Außerdem habe ich zwei Stammkunden, die auch Jäger sind und mit Begeisterung fleißig mittesten. Das Schöne am Maßschneidern ist, dass man jegliche Form und Idee umsetzten kann. Der Maßschneider kann auf jeden Kundenwunsch eingehen und diesen umsetzen. Dieses Bewusstsein für das Handwerk ist in der Gesellschaft leider verloren gegangen. Mein Grundding: Wolle, passendes Futter und ideale Einlage bleiben aber immer gleich. Da kann ich sagen, ich habe es getestet und es funktioniert im Wald. Den Rest passe ich individuell an die Maße des Kunden an, nach dem Maßnehmen.

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Wochenblatt: Gehst Du mit Deiner Jagdkollektion auch auf Modenschauen?

Katja: Im Moment ist das mit Corona schwierig, aber in Zukunft lässt sich da wieder mehr machen. In Bayern gibt es zum Beispiel die internationalen Jagdtage, wo ich teilnehmen möchte. Ich denke, auch auf der ein oder anderen Messe wird man mich finden. Was aktuell noch schwierig ist: Im Moment bin ich ein Ein-Frau-Betrieb. In diesen schwierigen Zeiten will ich auch gerade niemanden einstellen, weil das zu unsicher ist.

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Wochenblatt: Wie viel kostet eine Jagdausrüstung bei Dir?

Katja: Ich habe meinen festen Stundensatz und bin Handwerkerin, das muss man immer bedenken. Die Kleidung, die man bei mir bekommt, ist meist aber nicht teurer, als wenn man bei einer großen Marke einkauft. Der große Unterschied ist: Bei mir passt sie! Wenn man sich bei mir für die Jagd komplett ausstattet, ist man in etwa bei 3000 Euro. Wer aber noch fünf Taschen dazu möchte, kommt teurer. Wer mit einer Tasche zufrieden ist, bei dem wird es günstiger.

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Katja-Bolsinger-Jagdkleidung: Eine junge Frau steht in warmer, dunkelgrüner Jagdkleidung aus Wolle im verschneiten Wald. An ihrer Hand sind zwei Jagdhunde an der Leine.

Wochenblatt: Warum passen für Dich die Jagd, das Schneidern und das Leben auf dem Land so gut zusammen?

Katja: Ich bin aufgewachsen auf dem Bauernhof und habe dann in München gelernt. Ich habe zwar gerne in der Stadt gelebt, das Landleben hat mir aber schon gefehlt. Nach meiner Ausbildung bin ich beruflich auch viel gereist. Ich habe drei Jahre lang auf Kreuzfahrtschiffen als Ankleiderin gearbeitet. Das war ein super Job, bis ich im ersten Lockdown auf einem Schiff festgesessen bin. Das war eine Erfahrung, die mich geprägt hat: Als Landkind wochenlang auf dem Meer festsitzen, ohne weder Bäume noch Wiesen zu sehen. Da ist mir erst bewusst geworden, wie wichtig mir das Landleben ist. Jetzt bin ich in fünf Minuten im Wald. Das ist für mich der absolute Luxus. Um mir ein großes Label in der Stadt aufzubauen, dafür lebe ich viel zu gerne.

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Wochenblatt: Warum hast Du Dich damals für die Ausbildung als Herren-Schneiderin entschieden?

Katja: Ich habe in meiner Jugend schon Theater gespielt und gleichzeitig viel und gerne etwas mit der Hand gemacht. Ein Praktikum bei den Festspielen in Schwäbisch Hall hat mich dann von dem Beruf überzeugt und so habe ich mich in München am Residenztheater beworben und wurde genommen. Es gibt heute nur noch wenige, die das Schneidern von der Pike auf gelernt haben. Ich persönlich mache viele Dinge gerne mit der Hand. Selbstverständlich gibt es auch rationellere Verarbeitungen, die kann ich auch, aber klassische Maßschneider gibt es in Deutschland nur noch wenige – zumindest für Herren. Gerade der Beruf der Damenschneider ist aktuell wieder hipp bei jungen Frauen, weil sie sich da auch selbst was nähen können. Aber dieses Wissen, wie man ohne Abnäher eine Form in ein Sakko bekommt, kann man sich nicht selbst beibringen, das muss man lernen. Und offensichtlich ist es auch nicht so, dass man sich als Herren-Schneiderin keine eigene Kleidung als Frau nähen kann.

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