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Brauchgeschichte

Lichtmess: Kerzenweihe, Dienstwechsel und grausamer Lichterbrauch

Die Ausrüstung für die Messe an Mariä Lichtmess: Ein Hut als Festtagsgewand, Wachsstock, Rosenkranz und Kerzen zum Weihen.
Klaus Oberkandler
am Mittwoch, 01.02.2023 - 13:11

Mariä Lichtmess war früher für die Bauern einer der wichtigsten Tage des Jahres. Wir gehen etwa hundert Jahre zurück in der Geschichte und erzählen, warum der 2. Februar damals ein bedeutender Feiertag auf den Bauernhöfen war.

Mariä Lichtmess war früher einer der wichtigsten Tage im bäuerlichen Jahreslauf. Am 2. Februar begann nicht nur das bäuerliche Dienstjahr, es wurden auch viele Bräuche gepflegt. An Lichtmess, so berichtet Franziska Hager in ihrem Buch „Drudenhax und Allelujawasser“, brannten daheim zumindest so viele Lichter, wie Beter in der Stube waren. Unter dem Tisch flackerte das Licht für die ungetauft verstorbenen Kinder. Auf dem Fußschemel stand die Kerze für die Toten, die vergessen waren. Auf dem Weihwasserkessel an der Tür leuchtete die rote Kerze für den toten Großvater, die weiße für die Großmutter.

Lichterbrauch fast wie Russisch Roulette

Auf der Türklinke brannte ein Licht für alle, die einmal im Haus gelebt haben, damit sie zum Rosenkranz an Lichtmess wieder zurückfinden konnten. Die Kerze sollte der „armen Seele“ beim Gang über die Türschwelle leuchten. Das Licht an der Tür schließlich sollte den Feind vom Haus fernhalten.

Wenn die Zeit für den Rosenkranz in der Stube gekommen war, schraubte der Hausvater den Docht der Lampe herunter. Er blies die Flamme aus und alle knieten nieder. Vor jedem Betenden brannte ein Licht. Es war ein grausamer Brauch; fast wie Russisch Roulette: Der, dessen Kerze als erstes erlosch, sollte als erstes sein Lebenslicht verlieren. So kam es, dass einer aus der Hausgemeinschaft vom Lichtmesstag an in Angst lebte. Und doch holten die Menschen aus dem Glauben wieder Kraft.

Lichtmess-Bräuche gesundheitlich bedenklich

Nach heutigem Wissen nicht empfehlenswert, dürften die von Hager überlieferten Lichtmessbräuche sein: Drei Tropfen Lichtmesswachs aufs Brot galt als Hausmittel gegen Halsschmerzen, Kopfweh und Fieber. Im selben Glauben verschluckte man den Dochtrest der Kerzen. Eine Pillenkugel Lichtmesswachs, vermischt mit drei Korn Schießpulver, sollte Jäger und Wilderer vor Wundbrand schützen, sofern sie von einem Schuss getroffen wurden.

Lichtmess als Tag des Abschieds für Dienstboten

Für viele Dienstboten war Lichtmess ein Tag des Abschieds. An diesem Tag war Arbeitsplatzwechsel. Neben dem Jahreslohn bekamen die Dienstboten vom Bauern ihre Dienstbücher zurück. Was da drinstand, hat Paul Ernst Rattelmüller in dem Band „Der oane kommt, der ander geht“ festgehalten.

Eine gesetzliche Kündigungsfrist wie heute hat es damals nicht gegeben. Ein Stellenwechsel war nur am Lichtmesstag möglich. Welche Rechte ein Dienstbote damals hatte, stand in der 1781 erlassenen Dienstbotenordnung von Kurfürst Karl Theodor. Paragraf Eins lässt ahnen, welche Stellung die Dienstboten hatten: „Alle Dienstboten auf dem Land müssen wenigstens ein Jahr im Dienst aushalten. Tritt er aus dem Dienst, hat er keinen Anspruch auf Lohn.“

Auch heute noch Kerzenweihe an Mariä Lichtmess

Was an der Schwelle zum 21. Jahrhundert in Altbayern von den alten Lichtmessbräuchen geblieben ist, sind höchstens noch die Kerzenopfer und die Kerzenweihe. Nur noch wenige registrieren, dass die Tage jetzt langsam wieder heller, lichter werden. Licht ist heute selbst auf dem entlegensten Bauernhof eine Selbstverständlichkeit und längst kein wertvolles Gut mehr wie noch vor hundert Jahren.

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