Früher hat ein Hochzeitslader, wie es der Name besagt, die Gäste zum Fest gebeten. Heute sorgt er dafür, dass die Feier gesellig und wie geplant abläuft.
Christian Senftl ist Hochzeitslader und Landwirt in Oberbayern. Fast die Hälfte aller Wochenenden dieses Jahr ist er auf Hochzeiten unterwegs. Er lebt den Brauch als Ausgleich zur Arbeit am Betrieb und erzählt uns, über welchen Zufall er dazu kam und was für ihn der schönste Lohn dabei ist.
Steckbrief von Progoder Christian Senftl
Wie alt bist Du? Ich bin 32 Jahre alt.
Was treibst Du? Ich bin Vollerwerbslandwirt und an mehr als 15 Wochenenden im Jahr als Hochzeitslader unterwegs.
Woher kommst Du? Ich komme aus Egglkofen im Landkreis Mühldorf am Inn.
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Es gibt in Bayern unterschiedliche Bezeichnungen für einen Hochzeitslader. Wie nennst Du Dich?
Ich sage Progoder, das ist bei uns in der Gegend die gängige Bezeichnung. Das leitet sich ab vom römischen „Prokurator“, einem Verwalter.
Du trittst auf mit Tracht und Stab in der Hand. Hat das eine besondere Bedeutung?
Die Tracht trage ich, weil das, was ich mache, ein bayerischer Brauch ist. Der Stab zeigt meine Funktion als Hochzeitslader an. Ich habe ihn damals von meinem ersten Brautpaar geschenkt bekommen. An dem Stab hängen nun verschiedene Bänder, die ich von vielen meiner Brautpaare bekommen habe. Darauf stehen der Name des Brautpaares und ihr Hochzeitsdatum.
Wie bist Du Hochzeitslader geworden?
Anders als viele andere Hochzeitslader. Da wird der Brauch oft in der Familie vom Vater an den Sohn weitergegeben. Ich bin Mitglied im Musikverein und habe 2015 die Starkbierpredigt als Bruder Christianus gehalten. Daraufhin hat mich eine Freundin angesprochen, ich könne so gut reden, ob ich bei ihrer Hochzeit der Progoder sein möchte. Aus Gaudi habe ich zugesagt. Dass sie es ernst meinte, wusste ich erst, als sie drei Wochen später mit ihrem Verlobten zur Hochzeitsplanung vor meiner Tür stand.

Als Hochzeitslader hat Christian Senftl den Tagesplan der Hochzeit unter Kontrolle. Er ist an dem Tag der Ansprechpartner für alles und entlastet damit das Brautpaar enorm.
Was macht ein Hochzeitslader?
Meine Hauptaufgabe besteht darin, dass ich die Hochzeitsgesellschaft am Hochzeitstag anleite und begleite. Ich organisiere den Tagesablauf und informiere die Gäste immer wieder darüber. Außerdem schaue ich darauf, dass die Akteure gut zusammenarbeiten: Musik, Wirt, Pfarrer, Fotograf und alle anderen Beteiligten. Damit bin ich eine enorme Erleichterung für das Brautpaar. Denn die Leute kommen mit ihren Anliegen zu mir, statt zum Brautpaar. Ich schaue auch darauf, dass alle pünktlich in der Kirche sind, alle auf den richtigen Plätzen sitzen, koordiniere einen eventuellen Hochzeitszug und so weiter. Außerdem singe ich ein paar selbst geschriebene Gstanzl zur Unterhaltung und begleite das Brautaushandeln. Ich bin aber kein Alleinunterhalter, sondern bin eher im Hintergrund aktiv.
Wie verschaffst Du Dir da einen Überblick?
Im Vorhinein muss dafür alles gut organisiert werden: Ich treffe mich vor der Hochzeit mit dem Brautpaar, um den Tagesablauf gemeinsam nach ihren Wünschen zu planen. Damit nehme ich auch etwas den Druck bei ihnen raus. Grundsätzlich läuft dann schon immer alles so ab wie geplant – dafür bin ich ja auch da.
Wann ist Dein Job beendet?
Wenn das Brautpaar heimgeht. Am Ende des Abends bedanke ich mich bei allen Beteiligten mit einem selbst geschriebenen Verserl. Dann kommt der letzte Tanz und anschließend begleiten wir alle das Brautpaar nach draußen. Dort beende ich dann die Hochzeit für alle. Viele Hochzeiten enden traditionell um Mitternacht.
Ansprechpartner für alles, das stelle ich mehr sehr anspruchsvoll vor.
Es ist schon so, dass ich es am Sonntag etwas ruhiger angehen lassen muss. So ein Tag geht nicht spurlos an mir vorbei. Aber ich mache es gerne und das gehört halt dazu.
Du bist hauptberuflich Landwirt, wie schaffst Du das zeitlich?
Meine Eltern unterstützen mich vollkommen. Deswegen funktioniert das momentan noch sehr gut. Trotzdem muss ich meine Arbeit aber schon gut organisieren. Die Arbeit als Progoder ist aber ein sehr guter Ausgleich zur Arbeit daheim. Mir tut es gut mal rauszukommen und auch in gewisser Weise eine Bestätigung durch die Hochzeiten zu bekommen. Ich weiß aber nicht, wie lange das noch funktioniert. Zumindest für nächstes Jahr habe ich schon für zahlreiche Anfragen zugesagt.
Wie viele Hochzeiten begleitest Du pro Jahr?
Normalerweise übernehme ich maximal 15 Hochzeiten pro Jahr. Heuer sind es durch die Verschiebungen wegen Corona ein bisschen mehr.
Nimmst Du jede Anfrage von Brautpaaren an?
Ich beschränke mich nur auf kirchliche Trauungen. Außerdem müssen die Vorstellungen des Hochzeitstages von mir und dem Brautpaar in eine gleiche Richtung gehen, das merke ich schon beim ersten Telefonat.
Warum nur kirchliche Trauungen?
Ich bin selbst gläubig und mir ist die Kombination wichtig: Wenn man sich für den traditionellen Hochzeitsablauf entscheidet, dann gehört die kirchliche Trauung dazu. Ich möchte andere Trauungen damit aber nicht verurteilen, das ist eine ganz individuelle Entscheidung eines jeden Brautpaares.

Mit Humor, Charme und selbstgeschriebenen Gstanzl moderiert Hochzeitslader Christian Senftl den Hochzeitstag.
Was macht Dir als Hochzeitslader am meisten Spaß?
Ich mag es wirklich gerne, ständig neue Leute kennenzulernen. Außerdem tanze ich narrisch gerne und eine Hochzeit ist immer ein schöner Anlass. Die Menschen sind gut drauf und die Stimmung ist jedes Mal wunderschön. Wenn dann um Mitternacht das Brautpaar zu mir sagt „unser Tag war genauso, wie wir uns das vorgestellt hatten“, freut mich das brutal. Genau das ist es, was mich für das nächste Mal antreibt.
Wie trinkfest muss man als Hochzeitslader sein?
Gar nicht. Ich bin an diesem Tag Dienstleister und muss fit sein. Außerdem will ich nach jeder Hochzeit auch noch selbst mit dem Auto heimfahren. Dass man mal nachmittags einen Schnaps oder ein Bier mittrinkt, ist in Ordnung und für die Stimmung zuträglich, aber mehr geht nicht.
Wie findet man als Brautpaar einen Hochzeitslader?
Am besten fragt man andere Brautpaare oder Musikgruppen. Ich selbst mache keine Werbung, sondern bei mir läuft alles über Empfehlungen oder Leute kommen auf mich zu, weil sie mich selbst schon als Progoder gesehen haben. Das finde ich auch gut so, weil ich einerseits merke, dass das Brautpaar zufrieden war und es aber auch den Zuschauern gefallen hat.
Kennst Du auch Hochzeitsladerinnen?
Ja, ich habe einige Kolleginnen. Die machen ihre Sache auch supergut. Gott sei Dank sind wir über den Punkt hinaus, wo man sagt „Das muss ein Mann machen“.