Ist die Kuh ein Klimakiller? Über diese Frage lässt sich vortrefflich streiten. Wie weit die Meinungen auseinandergehen, zeigen zwei kürzlich erschienene Bücher und die Standpunkte der Autoren. Das Wochenblatt vergleicht die beiden Bücher – und stellt die Positionen und spannendsten Argumente gegenüber.
Die Bücher: Hannes Jaenicke und Fred Sellin verfassten das Buch „Die große Sauerei“. Auf 272 Seiten geht es darum, was Verbraucher wissen sollten, um beim Einkauf und Essen die aus Sicht der Autoren richtige Wahl zu treffen. Die Bewertungen über das Buch gehen weit auseinander. „Vertreter der deutschen Agrarlobby haben einen Shitstorm gegen die ‚Die große Sauerei‘ gestartet“, heißt es dazu. Es gebe eine „konzertierte Verleumdungskampagne“, um das Buch „zu verreißen“. Erhältlich ist das Werk für 24,99 Euro.
Der promovierte Agrarwissenschaftler Willi Kremer-Schillings ist unter dem Namen „Bauer Willi“ bekannt. In seinem Buch will er vom „Dilemma“ der Landwirtinnen und Landwirte erzählen. Es gehe darum, Wunsch und Wirklichkeit, Anspruch und Kaufverhalten zu beleuchten. Das im Januar 2023 erschienene Buch „Satt und unzufrieden“ umfasst 277 Seiten. Es kostet 24 Euro.
Hannes Jaenicke: Eine Diskussion ausgelöst
Der 62-jährige Schauspieler und Autor Hannes Jaenicke sowie Journalist Fred Sellin widmen sich dieser Frage in ihrem umstrittenen Buch „Die große Sauerei“ (Yes Publishing). Das Buch und Aussagen des Schauspielers Hannes Jaenicke lösten nach der Talkshow 3nach9 eine große öffentliche Diskussion aus. Landwirte übten Kritik an Äußerungen von Jaenicke.
Im Buch „Die große Sauerei“ heißt es, dass die Fleischproduktion „eine der Hauptursachen“ für die Klimakrise sei. Jaenicke und Sellin schreiben: „Selbst die härtesten Klimaleugner und überzeugtesten Fleischesser können nichts an der Tatsache ändern, dass für ein Kilo Rindfleisch knapp 16 000 Liter Wasser benötigt werden.“
Doch gerade die Angabe, dass für die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch etwa 15 712 Liter Wasser entfallen würden, lohnt es sich sehr sorgfältig und differenziert zu betrachten. Das virtuelle Wassermodell hat zuletzt Wochenblatt-Redakteur Ulrich Graf beleuchtet – und so manche Aussage hierzu richtig gestellt. Den Fakten-Check lesen Sie hier.
Insbesondere Butter sei für das Klima schädlich, rechnet Jaenicke in seinem Buch vor. Um ein Kilo Butter herzustellen, würden 18 Liter Milch benötigt „sowie riesige Mengen an Wasser und Energie für die einzelnen Verarbeitungsschritte“, schreibt er. „Außerdem furzen und rülpsen die Kühe in einer Tour.“ Dabei entweichen, wie es im Buch weiter heißt, „große Mengen unterschiedlicher Gase, hauptsächlich Methan, pro Jahr und Tier an die 100 Kilo“.
Unter dem Strich würden bei der Herstellung eines Kilogramm Butter 24 Kilogramm klimaschädliche Gase entstehen, schreiben die Autoren. Für Hannes Jaenicke und Fred Sellin steht fest: „Egal wie man es dreht: Butter ist als Klimakiller der unrühmliche Spitzenreiter unter den Lebensmitteln, noch vor Fleisch.“ Über einen Zeitraum von 20 Jahren heize Methan die Erde 81 Mail stärker auf als das viel gescholtene Kohlenstoffdioxid.
Bauer Willi: Viele Forderungen sind Unfug
Auch Willi Kremer-Schillings, als bloggender „Bauer Willi“ unter Landwirten bekannt, beschäftigt sich mit der Thematik. Er nimmt sich in seinem Buch „Satt und unzufrieden“ (Westend Verlag) ebenfalls der Fragestellung an, ob die Kuh als Klimakiller eingestuft werden kann – und kommt zu einem anderen Schluss: „Diese subtil einfache, aber falsche Aussage glauben viele“, schreibt Bauer Willi. Das weitaus meiste Methan stamme, wie es in seinem Buch heißt, „aus natürlichen Quellen wie Sümpfen, Seen und ganz besonders den auftauenden Permafrost in den nördlichen Breiten“.
Gerne höre man die Forderung, dass alle Wiederkäuer abgeschafft werden sollten. Doch eine solche Forderung sei „blanker Unfug“, schreibt Bauer Willi. Doch was wäre, wenn sich alle Menschen dafür entscheiden würden, kein Fleisch zu essen? „Auch dann ginge es nicht ohne Tiere, denn viele Vegetarier essen Eier und trinken Milch.“ Außerdem würden Millionen von Hektar für die menschliche Ernährung verloren gehen, denn 1,45 Milliarden ha Ackerland würden 3,55 Milliarden ha Grünland gegenüberstehen, „die nur über den Tiermagen für den menschlichen Verzehr genutzt werden können“.
Sein Fazit: „Wenn also die Verwertung von Grünland nur über den Tiermagen geht, dann ist es zwingend, die Tiere und ihre Produkte zu verzehren.“
Die Rolle der Landwirtschaft beim Klimawandel
Die Tierhaltung werde immer wieder als einer der Hauptursachen für den menschengemachten Klimawandel genannt, heißt es bei Willi Kremer-Schillings weiter. Die Landwirtschaft sei in einem Papier des Bundesumweltministeriums mit 2,9 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Ausstoß beteiligt. „Dies entspricht einem prozentualen Anteil von 0,4 % an der Gesamt-C02-Menge in Deutschland. Diese erstaunlich niedrige Zahl ist so in den Medien kaum zu finden. Und noch mal zur Verdeutlichung: Allein die Energiewirtschaft emittiert das Hundertfache, der Verkehr mehr als das 55-Fache.“
Auch Daten des Umweltbundesamtes widerlegen die Aussagen, dass Landwirte maßgeblich für den Klimawandel verantwortlich sind. Die deutschen Landwirte haben die Treibhausgas-(THG)-Emissionen in 2021 erneut senken können. Alle Informationen dazu hat Wochenblatt-Redakteur Josef Koch zusammengefasst.
Positiver Anteil der Land- und Forstwirtschaft
Bauer Willi betont, dass die Tabelle des Bundesumweltministeriums aber lediglich aufführt, welche Mengen von der jeweiligen Branche in die Atmosphäre entlassen haben. „Die Land- und Forstwirtschaft dürfte wohl die einzige Branche sein, die CO2 bindet, also aus der Atmosphäre entnimmt.“
Bei der Diskussion um den Klimawandel sollten seiner Meinung nach „auch die positiven Effekte jeglicher Landbewirtschaftung einfließen. Landwirtschaft produziert nicht nur Lebensmittel, sondern auch Sauerstoff. Und der ist für das Leben auf der Erde essenziell.“
Im Artikel wurde aus den beiden erwähnten Büchern zitiert:
- Hannes Jaenicke, Fred Sellin: Die große Sauerei – Wie Agrarlobby und Lebensmittelindustrie uns belügen und betrügen – und was das für unsere Ernährung bedeutet. Yes Publishing, 2022.
- Willi Kremer-Schillings: Satt und unzufrieden – Bauer Willi und das Dilemma der Essensmacher. Westend Verlag, 2023.