Es ist mit Gold nicht zu bezahlen, was die beiden machen“, schwärmt die 88-jährige Rita Eschenbach und ihre Augen strahlen dankbar. Das, worüber sie spricht, ist der Seniorennachmittag, den die Bäuerin Anita Reß seit 14 Jahren zusammen mit ihrer Freundin Brigitte Sobisch ehrenamtlich organisiert. Jeden dritten Mittwoch im Monat laden die beiden Frauen die Senioren von Stadtlauringen (Lks. Schweinfurt) ab 14 Uhr in das Dorfgemeindehaus im Ortsteil Sulzdorf ein. Alle Menschen ab 60 sind willkommen.
Dort wird vier Stunden lang bei Kaffee und Kuchen gelacht und geratscht, gesungen und Gedichten gelauscht. Den Kuchen backen die älteren Menschen selbst, das Abendessen, das die Senioren besonders schätzen, kocht die Bäuerin vor. Manchmal werden Andachten abgehalten, es wird Fasching gefeiert und im Sommer gibt es ein Grillfest. Reß bietet sogar an, die Senioren nach den Treffen nach Hause zu bringen, falls ihre Angehörigen keine Zeit haben, sie abzuholen.
Viele wollen einfach nur reden
Reß genießt die Geselligkeit, die Fröhlichkeit, die in der munteren Runde mit momentan etwa 20 Teilnehmern herrscht. „Corona hat gezeigt, wie furchtbar es ist, wenn die Menschen in den Dörfern nicht mehr zusammenkommen können“, erinnert sich die Bäuerin. Als man sich wieder treffen konnte, hätten die Senioren anfangs kein Programm gewollt, sie wollten einfach nur reden. Für die 65-Jährige ist dieses Ehrenamt eine Herzensangelegenheit – es macht ihr Spaß anderen Menschen eine Freude zu bereiten, sie empfindet es als Bereicherung für ihre Seele.
Zusammen mit ihrem Mann Walter lebt die Austraglerin zu Fuß keine fünf Minuten von dem Dorfgemeindehaus entfernt. Den landwirtschaftlichen Betrieb haben die beiden ab dem Jahr 1983 aufgebaut. Sie waren damals beide berufstätig und starteten mit neun Kühen und zehn Hektar. Über die Jahre haben sie einen Haupterwerbsbetrieb geschaffen – inzwischen mit weiblicher Färsenmast, Biogasanlage, Lohnbetrieb und Ackerbau. Vor vier Jahren haben ihre beiden Söhne zusammen den Betrieb übernommen, die beiden Töchter arbeiten außerhalb der Landwirtschaft.
Neue Aufgabe im Hofladen
Die Milchviehhaltung mit zuletzt 100 Kühen hat die Familie im Jahr 2019 aufgegeben – bis dahin die Aufgabe der Bäuerin. „Ohne die Tiere bin ich erstmal in ein Loch gefallen“, erinnert sie sich. Doch es tat sich eine neue Perspektive auf: Ihr Bruder Bertram Hußlein bat sie, in seinem Hofladen mitzuhelfen. Der kleine Laden mit eigener Metzgerei und Partyservice wurde 2020 in Stadtlauringen eröffnet. Er ist ein Gewinn für das Dorf, die Kunden geben sich die Türklinke in die Hand. Besonders das Mittagsangebot, das nur noch der Hofladen anbietet, ist begehrt.
Neben der Arbeitseinteilung der anderen Verkäuferinnen, die sie plant, steht Reß auch selbst hinter der Theke. Sie ist dabei in ihrem Element, scherzt mit den Menschen, hält gerne ein „Pläuschle“. Die Kunden freuen sich über diese Herzlichkeit, besonders die Senioren werden gerne von ihr bedient. Reß reflektiert: „Es hat mir gut getan, gebraucht zu werden und eine neue Aufgabe zu haben.“
Bindeglied zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft
Ihre Offenheit und ihr Engagement bringt die Bäuerin auch seit 30 Jahren als Ortsbäuerin und seit 20 Jahren als Ernährungsfachfrau beim BBV ein. Als Ortsbäuerin setzt sich sie für den Berufsstand ein und organisiert Fahrten mit den Landfrauen. Diese Rolle sieht Reß auch als Bindeglied zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft. Es ist ihr ein großes Anliegen, dass sich Landwirte und die Menschen im Dorf bei allen Themen auf Augenhöhe begegnen, Rücksicht aufeinander nehmen. Etwa, wenn es um die Mitbenutzung von Wirtschaftswegen durch Radfahrer geht oder beim Thema Sonntagsarbeit. Sie betont: „Mir ist wirklich wichtig, dass wir in der Dorfgemeinschaft ein Füreinander und Miteinander leben!“
Doch sie bringt sich nicht nur gerne als Gestalterin im Vordergrund ein, sondern auch bei vielen Kleinigkeiten, die im Dorfleben immer wieder anfallen. Denn Hilfsbereitschaft liegt der ganzen Familie Reß sehr am Herzen. Wenn jemand Hilfe braucht, ist die Familie gerne mit Arbeitskraft oder mit Maschinen zu Stelle. Für die Bäuerin eine Selbstverständlichkeit: „Man hilft zusammen, wo man kann. Es wäre doch traurig, wenn jeder nur für sich selbst dahinwurschtelt.“ Die Kraft für ihre vielen Ehrenämter findet Reß in der Kirche, die Messe schenkt ihr Ruhe und innere Zufriedenheit. Manchmal hat sie dort auch gute Gedanken und sie ist sich sicher: „Ohne Gottes Segen gelingt es nicht.“
Wochenblatt-Serie: Beispielhaftes Engagement der Landfrauen
Lesen Sie hier von zwei weiteren Landfrauen und ihre Arbeit für ein lebendiges Dorfleben: Heidi Sulzauer aus Oberbayern und Rita Blümel aus der Oberpfalz