Das ist ein Artikel vom Top-Thema:

Kenia-Projekt

Ein Beruf – zwei Welten

Der Mitintiator: Bundesminister Dr. Gerd Müller im Gespräch mit den kenianischen Kleinbäuerinnen.
Ilka Mittendorf
am Montag, 09.01.2023 - 08:26

Mit Fachwissen und emotionaler Unterstützung helfen bayerische Landfrauen kenianischen Bäuerinnen hier und vor Ort. Es ist gelungen, in Afrika erfolgreich zusätzliche Einkommensquellen zu erschließen.

Erfolg wird sichtbar: Kongress der Women Farmer Association of Kenia. Mit dabei unter anderem Christine Singer, Christiane Ade und Anneliese Göller.

Milima haikutani, lakini binadamu hukutana“, heißt es in einem kenianischen Sprichwort; was so viel bedeutet wie: Berg und Tal kommen nicht zusammen, aber Menschen. Die kenianischen und bayerischen Landfrauen sind schon zusammengekommen.

Eben hingen die 40 Hühner noch zappelnd am Motorrad, jetzt füllen sich die Teller auf den Tischen mit Hühnchen, Reis und einer Art Krautsalat. „Dass wir gerne gegessen haben, was sie essen, hat die Kenianerinnen überrascht und sehr gefreut“, sagt die ehemalige Landesbäuerin Anneliese Göller, „und dass wir zusammen getagt haben.“

2017 der erste Landfrauenverband

Rüstzeug geholt: Kenianische Landfrauen zu Besuch im BBV-Generalsekretariat in München.

Es ist Ende Januar 2018 als sie zusammen mit ihrer zweiten Stellvertreterin, Christine Reitelshöfer und zwei weiteren bayerischen Bäuerinnen in Westkenia den 20 Teilnehmerinnen von ihren Erfahrungen in der Milchviehhaltung berichten und über den Aufbau eines Landfrauenverbandes informieren. Das Motto: „Gleicher Beruf – zwei Welten“. Anneliese Göller: „Wir haben den gleichen Beruf. Wir sind Bäuerinnen und leben doch in unterschiedlichen Welten. Indem wir uns austauschen, lernen wir voneinander.“

Ein Jahr zuvor hatte der damalige Bundesentwicklungsminister Gerd Müller das Projekt ins Leben gerufen. Seit seinem Amtsantritt hatte sich Müller auf den afrikanischen Kontinent fokussiert, mit Wissen und neuen Technologien sollte dort der landwirtschaftliche Ertrag vervielfacht werden. Müller, selbst auf dem Bauernhof aufgewachsen, schätzt die Arbeit der Landfrauen. Dass die „Heldinnen unserer Zeit“, wie er die Bäuerinnen oft nennt, dieses Kenia-Projekt mit Leben füllen, und so zu einem Erfolg machen können, da ist er sich sicher.

Austausch: Kenianische Frauen informieren über ihre Produkte und Essgewohnheiten.

Ein erster Meilenstein führt im Herbst 2017 zur Gründung des Landfrauenverbands in Kenia: „Women Farmers Association of Kenia“ (WoFaAK). Während einer jährlichen Konferenz entstand die Idee. Seitdem setzt sich Gründerin und Geschäftsführerin Daphne Muchai für kenianische Bäuerinnen ein, mit dem Ziel: „die Kapazitäten der Bäuerinnen in Kenia auszubauen, damit sie den Mut haben und Möglichkeiten suchen, andere zu vertreten, ihre Meinung zu äußern und Führungspositionen zu übernehmen, um positive Veränderungen im Land und darüber hinaus zu bewirken“.

Und die 58-Jährige ist überzeugt: „Wenn Frauen ihre Stärke einsetzen und an sich glauben, können sie erfolgreich sein.“

Zum Ein- und Ausstieg jeweils einen Tanz

Praxis ist gefragt: Beim Kenia-Projekt wird nicht nur geredet, sondern vor allem gehandelt.

Während der ersten Landfrauentage in den westafrikanischen Countys Bungoma, Kakamega und Siaya, geht es um Lobbyarbeit für die Wasserversorgung und darum, wie für Frauen der Marktzugang zum Vertrieb ihrer landwirtschaftlichen Erzeugnisse verbessert werden kann.

Anneliese Göller ist immer wieder überrascht: die Themen seien in Bayern und Kenia identisch, das „Drumherum“ aber so ganz anders. „Zum Beginn und Abschluss wird getanzt. Wir haben uns viel Mühe gegeben, da mitzuhalten. Und bei den Schulungen, die hätten wir wohl anders gehalten.“ Denn damit das Gelernte richtig sitzt, müssten die vorgetragenen Inhalte „immer und immer wiederholt“ werden – „das sind halt andere Lernmethoden“.

Reiches Angebot: Kenianische Landfrauen mit ihren Produkten auf dem Markt.

Neben Schulungen zur Verbandsführung, geht es auch um Themen zu häuslicher Gewalt oder wie in der Küche ressourcenschonend gearbeitet werden kann. Bis heute werden alle Aktivitäten mit lokalen Partnern sowie mit dem Grünen Innovationszentrum der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) entwickelt und umgesetzt. Organisiert und gestützt wird der länderübergreifende Austausch auf bayerischer Seite durch Dr. Andrea Fuß, Geschäftsführerin der BBV-Landfrauen Internationale Zusammenarbeit gGmbH sowie Projektleiterin Angelika Eberl.

Einblick in die Praxis: Die kenianischen Landfrauen informierten sich auf dem Thomahof in Königsdorf im Landkreis Bad Tölz über Direktvermarktung. Bäuerin Heidi Seidl (M.) stand ihnen Rede und Antwort.Einblick in die Praxis: Kenianische Landfrauen informieren sich auf dem Thomahof in Königsdorf im Landkreis Bad Tölz.

Nachdem die Projektphase I erfolgreich abgeschlossen wurde, verlängerte Bundesentwicklungsminister Gerd Müller das Projekt, zunächst bis März 2022. Daphne Muchai, die 25 Jahre als Beraterin für das kenianische Landwirtschaftsministerium tätig war, ist stolz auf die gelungene Zusammenarbeit und was in der zweiten Projektphase bislang erreicht wurde: „WoFaAK hat mit der Unterstützung der BBV-Landfrauen starke Zweigstellen in Westkenia gegründet und nun auch in Kisumu und Migori einige Fortschritte gemacht. Derzeit sind wir dabei, Ortsgruppen in Meru, Tharaka-Nithi, Embu und Muranga – im östlichen und zentralen Teil Kenias – zu gründen.“

Wächst: Tröpfchenbewässerung ist eine wassersparende Methode.

Angelehnt ist das Kenia-Projekt an die Agenda 2030 der Vereinten Nationen. Darin werden siebzehn Ziele für nachhaltige Entwicklung definiert. Eines davon ist SDG5, die Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung der Selbstbestimmung von Frauen. Im Frühjahr 2022 hat Entwicklungsministerin Svenja Schulze einen Paradigmenwechsel angekündigt. Sie will hin zu einer feministischen Entwicklungspolitik, angelehnt an SGD5, aber deutlich umfassender in der Ausrichtung.

Die Jugend packt vor Ort mit an

Im August besuchten zwei junge Frauen aus dem Kenia-Projekt, Lynette Gakii und Irene Sikuku, das 30. Internationale Seminar für Führungskräfte der Landjugendarbeit in Herrsching. Thema: „Bereit zum Handeln – Herausforderungen annehmen.“ Lynette Gakii fasst ihre Teilnahme so zusammen: „Mein Plan ist es, die Jugendabteilung von WoFaAk zu stärken und mit anderen Jugendorganisationen in Kenia und Uganda zusammenzuarbeiten.“ Und Irene Sikuku fügt ergänzend hinzu: „Alles ist möglich. Es gibt Lösungen für die Herausforderungen, mit denen wir konfrontiert sind. Wenn wir in unserem Einflussbreich mit Veränderungen beginnen, werden wir etwas erreichen, sei es in der Gemeinde, in der Region oder sogar im ganzen Land.“

Es scheint, dass die jungen Kenianierinnen bereits die neuen politischen Ansätze des BMZ in ihr Handeln übersetzt haben. Ihre „Tu Du‘s“, wie es auf der Internetseite „Ziele für nachhaltige Entwicklung des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik“ erläuternd heißt, haben die zwei längst verinnerlicht: „Erkenne und hinterfrage Machtstrukturen und sozial konstruierte Rollenbilder. Fördere und unterstütze Frauen, Mädchen und andere marginalisierte Identitäten in deinem Umfeld“.

* Pflichtfeld. Mit der Anmeldung für den Newsletter haben Sie den Hinweis auf die Datenschutzhinweise zur Kenntnis genommen. Sie erhalten den forstpraxis-Newsletter bis auf Widerruf. Sie können den Newsletter jederzeit über einen Link im Newsletter abbestellen.

Auch interessant