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Kreisbäuerinnenseminar

Arbeit der Frauen wird unzureichend gewürdigt

Konzentrierte Workshop-Atmosphäre: Mit Hilfe der Broschüre „Mein roten Faden“ erarbeiteten sich die Landfrauen in der Gruppe neue Projekte und sammelten Ideen.
Ilka Mittendorf
am Freitag, 24.03.2023 - 14:40

Ein wichtiges Thema beim Kreisbäuerinnenseminar in Herrsching war die Außenwahrnehmung der Frauen in der Landwirtschaft.

Diskussionsrunde zu den Ergebnissen der bayerischen und der bundesweiten Bäuerinnenstudie: (v. l.) Brigitte Scholz, Fachredakteurin BBV, Christine Reitelshöfer, Stellvertretende Landesbäuerin, und Regine Wiesend, Referatsleiterin, Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

Es ist ganz still im Saal. Jetzt geht es um sie – als Frauen, und um ihre Rolle in der Landwirtschaft. Regine Wiesend, Referatsleiterin im Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten berichtet zusammen mit Christine Reitelshöfer, der Kreis-, Bezirks- und stellvertretenden Landesbäuerin, über die Ergebnisse zweier Bäuerinnenstudien. Zum einen ist das die bundesweite Studie Frauen.Leben.Landwirtschaft, die der Deutsche Landfrauenverband zusammen mit dem Thünen-Institut und der Universität Göttingen aufgelegt hat. Zum anderen die Bäuerinnenstudie Bayern von 2019.

„Wir waren sehr überrascht, als wir die ersten Ergebnisse hatten“, erläuterte Regine Wiesend, „wir wussten, dass ihnen die öffentliche Wahrnehmung auf die Seele drückt. Aber wir waren dann doch überrascht: 80 Prozent sagen, dass die Darstellung der Landwirtschaft so negativ ist, dass es sie sehr belastet. Und 86 Prozent haben gesagt, dass für sie der Auftritt in der Öffentlichkeit ein echtes Problem ist, dass man einfach nicht richtig wahrgenommen wird in der Gesellschaft.“ Trotzdem würden sich die Bäuerinnen in Bayern für die Gesellschaft engagieren, auch ohne dass sie etwas zurückbekämen. „Es ist Wahnsinn, was die Bäuerinnen da voranbringen.“

Auch auf Bundesebene würde die Arbeit der Bäuerinnen nur unzureichend gewürdigt, erklärte Christine Reitelshöfer: „Wir müssen es schaffen, dass es sichtbar wird, was die Frauen in der Landwirtschaft leisten. Und wir müssen ein Bewusstsein dafür schaffen, dass Frauen in der Hofnachfolge genauso berücksichtigt werden, dazu gehört auch das Thema Absicherung.“

Mehr Zusammenarbeit mit den Schulen

Christine Singer begrüßte herzlich die Kreisbäuerinnen und stellvertretenden Kreisbäuerinnen der 17. Wahlperiode zum Seminartag in Herrsching.

Zum Thema Außenwahrnehmung gibt es bereits erste Maßnahmen. Zum Beispiel soll es verstärkt eine Zusammenarbeit mit den Schulen geben. Der neue Lehrplan für die Landwirtschafts- und Hauswirtschaftsschulen sieht eine höhere Stundenzahl im Fach Landwirtschaft vor. Über den Unterricht hinaus sollen auch die Schulbücher zum Thema geprüft werden.

Auch auf Bundesebene kommt in das Thema Bewegung. Reitelshöfer sieht hier die Themen Hofnachfolge und traditionelle Rollenvorstellungen als wichtigen Punkt: „Wir erwarten von der Politik, dass auch der ländliche Raum – was Kinderbetreuung anbelangt – gut abgedeckt ist. Es kann nicht sein, dass viele Bäuerinnen als Mutter in die Care-Arbeit zurückfallen.“

Absicherung der Bäuerinnen deckt ihre Leistung nicht ab

Eng zusammen hängt damit auch die Absicherung der Bäuerinnen: Sie bildet bei weitem nicht das ab, was in den Betrieben von den Frauen geleistet wird. Christine Reitelshöfer sendet an die Kreisbäuerinnen ein klares Wort: „Sie müssen das Thema Absicherung in der Partnerschaft ansprechen, solange die Welt noch rosa ist. Lieber mal einen Tag unromantisch, als ein Leben lag unglücklich!“

Am Nachmittag schien das Thema bereits in weite Ferne gerückt. Nach Kaffee und Kuchen berichtete Stefan Meier, Referent der BBV-Rechtsabteilung über „Beiträge und Leistungen im gesetzlichen Sozialversicherungssystem für Bäuerinnen“. Viele Landfrauen, die dem Vortrag folgten, ließen es jedoch dabei nicht bewenden: Es wurden konkrete Fragen zu Rentenanspruch, aber auch zur Betriebshilfe gestellt.

Anrechnung von Erziehungzeiten

Weitaus politischer wurde es, als schließlich Ulrike Scharf, Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales, im Saal zum Online-Austausch zugeschaltet wurde. Landesbäuerin Christine Singer überbrachte die Anliegen der BBV-Landfrauen zur Landtagswahl: „Es sind soziale Themen, die uns Landfrauen sehr bewegen. Wir verstehen Sie als Botschafterin des ländlichen Raums.“ Scharf äußerte sich klar dazu, dass die Mütterrente 3 kommen muss und auch die Anrechnung der Müttererziehungszeiten müssten unabhängig der Geburtsjahre angerechnet werden.

Diskussionswürdig war dann der Punkt Ehrenamt. Hier machte die Staatsministerin klar, dass sie um die Bedeutung des Ehrenamts insbesondere auf dem Land weiß. Bei dem Wunsch, ein verpflichtendes soziales Gesellschaftsjahr einzuführen, sagte sie aber: „Ich bin da nicht ganz mit Ihnen auf einer Linie, insbesondere was das Thema verpflichtend anbelangt.“ Sie verwies darauf, dass es das freiwillige soziale Jahr bereits gebe, zu dem sich jedes Jahr mehr als 4000 Menschen entschließen würden.

Rentenpunkte als Form der Wertschätzung

Christine Singer zeigte sich erstaunt über die Zweifel, denn vor allem junge Menschen hätten sich zu diesem Thema bereits positiv geäußert. Wichtig war ihr in diesem Zusammenhang, dass das Ehrenamt bei den Rentenpunkten angerechnet werden sollte. Christine Singer erläuterte: „Wir sind der soziale Kitt. Und eine Wertschätzung in Form von Rentenpunkten wäre da gut und richtig.“ Scharf machte dann aber deutlich, dass sie keine Möglichkeit der Anrechnung sieht: „Die Rente orientiert sich an der Erwerbstätigkeit.“

Reitelshöfer stellte die Forderung nach dem einer Anerkennung der Kindererziehung bei der Rente unabhängig vom Geburtsjahr sowie der Anerkennung von Arbeit in der Hauswirtschaft. Christiane Ade, 2. Stellvertretende Landesbäuerin, setzte sich dann auch nochmals für das verpflichtende Gesellschaftsjahr ein und bewertete dieses ebenfalls als Chance für junge Menschen.

Mehr Alltagskompetenz in den Schulen vermitteln

Aus der Kreisbäuerinnenrunde kam zudem das Thema Alltagskompetenzverpflichtung in den Schulen auf, das bislang im Projekt Schule fürs Leben aufgefangen wird. „Wir fordern weiterhin, die Einführung eines Schulfaches in diesem Bereich“, sagte Christiane Ade. Ulrike Scharf kann sich das jedoch nicht vorstellen.

Beim Thema Alltagskompetenzen lobte die Staatsministerin das Engagement der Kreisbäuerinnen. Jedoch: „Dieses als Schulfach hinzuzunehmen, sage ich ihnen offen, ist schwierig; es ist ein weiteres Fach und käme zu dem hinzu was wir an Grundrüstzeug in unserer Schule bereits vermitteln sollen. Ich geben das aber weiter.“

Landesbäuerin Christine Singer und alle anwesenden Kreisbäuerinnen sehen sich bei diesen wichtigen Themen auch weiterhin im Dialog, mit der Gesellschaft und der Politik, denn, so formulierte es Regine Wiesend treffend: „Landfrauen schieben ihre Verantwortung nicht ab. Das imponiert der Ministerin total!“