Wochenblatt: Wie oft kommt es vor, dass eine Frau den Beruf Besamerin ausübt?
Sophia Völkel: Das ist tatsächlich sehr ungewöhnlich. In meinem Fachagrarwirtelehrgang bin ich die einzige Frau, von insgesamt 15 Teilnehmern. Auch im Besamungsbeauftragten-Lehrgang 2015 waren bei 40 Teilnehmern nur sechs Mädels dabei – mit weitläufigem Einzugsgebiet, inklusive Österreich. Für mich war es anfangs schwierig als junge Frau. Gerade ältere Landwirte musste ich von mir überzeugen und mich oft erst beweisen, bevor sie mich akzeptierten.
Wochenblatt: Warum hast Du Dich für den Beruf entschieden?
Sophia: Ich habe eine Berufsausbildung zur Tiermedizinischen Fachangestellten bei einem Tierarzt gemacht, der für Klein- und Großtiere zuständig ist. Da habe ich meine ersten Einblicke in die Landwirtschaft und in die Besamungstechnik bekommen. Weil die Leidenschaft zu den Großtieren größer war, wollte ich mich dahingehend weiterbilden: Also habe ich den Besamungsbeauftragten-Lehrgang gemacht. Gerade mach ich meine Ausbildung zum „Fachagrarwirt Fachrichtung Besamungswesen Rind und Schwein“.
Wochenblatt: Würdest Du den Beruf weiterempfehlen?
Sophia: Ich würde ihn auf jeden Fall weiterempfehlen. Der Beruf ist absolut vielseitig und für Leute, die eine große Liebe für und vor allem ein Interesse an Großtieren und Leidenschaft zur Landwirtschaft haben. Eine große Voraussetzung ist aber, dass man sich gut selbst organisieren kann. Ich bin in meiner täglichen Arbeit grundsätzlich alleine unterwegs und weiß in der Früh noch nicht, was mich erwartet. Es sollte klar sein, dass die Besamungstechnik auch Sonn- und Feiertags durchgeführt wird, je nachdem wann die Kuh Brunstsymptome zeigt. Es kommt auch auf die Fähigkeit an, mit Menschen umzugehen. Wir kommen auf die Höfe, lernen die Familien kennen, sind vor Ort ein fester Bestandteil. Dadurch bekommen wir auch viel privates von den Familien mit, weswegen auch Diskretion zum Job gehört. Ich liebe die Kombination: Umgang mit Mensch und Tier.
Wochenblatt: Wird der Job deshalb oft unterschätzt?
Sophia: Viele Leute wissen nicht, dass der Job nicht nur die Besamung an sich ist. Dazu kommen viele beratende Tätigkeiten, zum Beispiel Aufklärung über die Brunstsymptome, Ratschläge zum Fruchtbarkeitsmanagement, Tipps zur Fütterung und Hinweise zur Genetik von Kuh und Bulle. Außerdem sollte man in der Lage sein Fruchtbarkeitsleistungen der Betriebe bewerten zu können, deren Kennzahlen analysieren und demnach den Besamungserfolg optimieren. Man ist als Besamungstechniker maßgeblich am Erfolg des landwirtschaftlichen Betriebs beteiligt. Zudem darf man nicht unterschätzen, dass es körperlich sehr anstrengend ist – gerade in der Stückzahl, die ich am Tag habe. Trotz alledem mache ich meine Arbeit sehr gern.
Steckbrief der Besamungstechnikerin
Wie heißt Du? Ich heiße Sophia Völkel.
Wie alt bist Du? Ich bin 28 Jahre alt.
Was treibst Du? Ich arbeite seit sieben Jahren als Besamungsbeauftragte für Rind und Schwein bei der Besamungsgenossenschaft Wölsau – Marktredwitz und mache gerade meine Weiterbildung zur Fachagrarwirtin im Besamungswesen.
Woher kommst du? Ich komme aus Helmbrechts, im Landkreis Hof (Oberfranken).
Wochenblatt: Bist Du immer auf den gleichen Betrieben unterwegs?
Sophia: Ja, ich habe eine feste Tour. Als Stamm-Technikerin betreue ich circa 85 Betriebe mit rund 6000 bis 6500 weiblichen Tieren. Das ist recht viel. Ich mache auch nicht nur Besamung, sondern auch Sterilitätskontrollen bei den Tieren und Trächtigkeitsuntersuchungen. Im Schnitt mache ich je circa 20 Besamungen und Untersuchungen am Tag.
Wochenblatt: Wie lang ist da Dein Arbeitstag?
Sophia: Ich fange kurz nach sieben Uhr auf dem ersten Betrieb an, weil ich auch eine längere Strecke zum Fahren habe. Unterwegs bin ich meistens bis etwa drei Uhr. Somit arbeite ich meine acht Stunden am Tag. Das ist aber variabel.
Wochenblatt: Auf was muss man bei der Anpaarung achten?
Sophia: Es gibt mittlerweile mehr als 50 verschiedene Zuchtwerte. Man möchte einen möglichst guten genetischen Zuchtfortschritt erreichen und so die Mängel der zu besamenden Kuh gezielt ausgleichen. Jeder Landwirt legt auf etwas anderes wert: Der eine möchte auf ein stabiles, langlebiges Fundament setzen – für ihn ist es wichtig, dass die Kühe laufen. Ein anderer möchte vereinzelt weg von der Leistung und eine „Schaukuh“ züchten. Mittlerweile gibt es Apps, bei denen die Anpaarungsberater oder die Landwirte selbst die Pros und Kontras der jeweiligen Kuh eingeben. Das Programm gibt dann Auskunft über mögliche passende Bullen und optimale Werte.
Wochenblatt: Wie oft musst Du die Entscheidung für Landwirte übernehmen?
Sophia: Mittlerweile immer weniger, weil es immer mehr Zuchtberater und Jungzüchter gibt. Die Landwirte fällen ihre Entscheidung oft selbst und ich entscheide dann je nach Fruchtbarkeitsleistung des Bullen. Auf meiner Tour überlassen mir etwa 30 % die komplette genetische Anpaarung.
Wochenblatt: Hast Du immer jedes Sperma aus eurem Katalog dabei?
Sophia: Ja, ich habe einen Stickstoff-Container in meinem Auto, wo ich unser komplettes Zuchtprogramm dabeihabe.
Wochenblatt: Wie bekommst Du die Rückmeldung, ob Deine Besamung erfolgreich war?
Sophia: Die Trächtigkeitsuntersuchungen mache ich bei fast allen Betrieben selbst und kontrolliere damit meine Arbeit selbst. Das empfinde ich als schönen Arbeitsschritt, denn das ist ja das Wichtigste: dass die Kuh zum Schluss ein Kalb bekommt.
Wochenblatt: Würdest Du sagen, dein Job ist gefährlich?
Sophia: Natürlich ist er gefährlich. Wir arbeiten mit Lebewesen. Die haben ihren eigenen Willen, aber sind teilweise unberechenbar. In Sachen Arbeitsschutz hat sich in den letzten Jahren schon viel getan. Wir weisen die Landwirte darauf hin, dass die Tiere fixiert sein müssen und es ist klar, dass wir mit in die Herde müssen. Dabei sind wir meist in Begleitung des Landwirtes. Ansonsten selektieren uns die Landwirte die Tiere. Dadurch habe ich nur das zu besamende Tier, auf das ich mich konzentrieren muss. Es ist immer ein Zusammenspiel zwischen Landwirt und mir. Es kann mal vorkommen, dass der Landwirt vergisst, das Tier einzusperren, weil er genug zu tun hat. Wichtig ist, dass man menschlich und verständnisvoll bleibt, nur so kann es funktionieren.
Wochenblatt: Was sind die schönsten Momente in Deinem Berufsalltag?
Sophia: Was immer schön ist, wenn ich direkt zu einer Geburt dazukomme. Dann ist mein Arbeitserfolg offensichtlich: Wenn sich der Landwirt freut und sowohl Kuh und Kalb fit sind. Ich freue mich auch, wenn Landwirte mir sagen, dass sie mit meiner Arbeit sehr zufrieden sind.