Wer abends auf dem Sofa liegt, einen Film schaut und gemütlich eine Tüte Chips öffnet, denkt meist nicht daran, dass er da gerade Kartoffeln in der Hand hält. Das wollen Jakob und Eva Zwingel ändern: Man soll wieder mehr Kartoffel statt Paprikagewürz und Fett schmecken, wenn man Chips isst. Gesagt, getan: Die beiden Jungunternehmer gründeten vor einem Jahr die Marke „Grischberli“. Der Name steht für besonders knusprige Chips, direkt vom Landwirt, angebaut in Franken.
„Grischberla“ ist ein typisches fränkisches Wort. Im fränkisch-deutschen Wörterbuch steht dazu, dass das eine „dürre Gestalt“ ist. „Das passt nur teilweise zu unseren Chips“, erklärt Eva. Warum sie das Wort trotzdem nutzen? „Grischberli klingt vor allem sehr knusprig“, sagt Eva. Außerdem war es ihnen wichtig, dass die Marke die fränkische Herkunft unterstreicht. Wie Eva von sich selbst sagt: „Wir sind tief eingesessene Franken und fühlen uns der Region sehr verbunden.“ Selbst nach dem Studieren sind sie beide wieder in die Heimat zurückgekommen, „weil es hier einfach am schönsten ist“, fügt Eva an. Der fränkische Rechen ist sogar mit auf der Chips-Verpackung.
Die Marke Grischberli entwickelt neben Pandemie und Masterstudium

Jakob hat Landwirtschaft im Bachelor studiert, Eva Produktdesign. Nach dem Bachelor wollten die beiden erst einmal Auslandserfahrungen sammeln und gingen nach Holland. Doch der erste Corona-Lockdown zwang beide ins Homeoffice. Vor allem Jakob hatte dabei sehr viel freie Zeit und steckte diese in die Entwicklung eines Chips-Start-up.
Aktuell stecken die beiden 26-Jährigen noch in ihrem Masterstudium. Doch das hielt sie nicht davon ab, im Oktober 2021 mit dem Verkauf ihrer Grischberli zu starten. Zuvor unternahmen sie einen sogenannten Prelaunch, also den Verkaufsversuch in 15 Hofläden und zwei Supermärkten. Damit wollten sie vor allem herausfinden, ob die Kunden das Produkt auch annehmen. Denn die Grischberli-Chips sind teurer als andere Marken. Im Supermarkt habe keine Tüte Chips mehr als zwei Euro gekostet. Mit dem Einführungspreis von 3 Euro seien sie da weit darüber gelegen.
Verbraucher zahlen gerne mehr für regionale Produkte
Doch die Nachfrage war „überwältigend“, berichtet Jakob. Der Verkauf boomte und auch langfristig blieb die Nachfrage bestehen. Also gingen sie in Produktion und weiten diese und den Verkauf seit einem Jahr stetig aus. Die Rückmeldungen der Verbraucher sind durchweg positiv. Viele würden gerne den hohen Preis für die Chips bezahlen, weil sie einerseits „direkt vom Landwirt“ stammen und weil sie einen fränkischen Namen tragen, erzählen Jakob und Eva von ihren Gesprächen mit Verbrauchern.
„Wir haben gemerkt, die Leute sind bereit den Preis zu bezahlen, wenn die Qualität stimmt“, resümiert Jakob. Er betont aber auch, dass das selbstverständlich nicht auf alle Bevölkerungsschichten zutrifft, sondern es vor allem diejenigen sind, die beim Einkaufen Wert auf hochwertige, regionale Lebensmittel legen.
Geschmacksrichtung "Paprika", "Kartoffelsalat" und "Zwiebelliebe"

Bei den Gewürzen haben es Jakob und Eva einerseits sehr klassisch gehalten, mit der Geschmacksrichtung „Paprika“. Bei der zweiten Sorte kommt der Frankenbezug aber wieder durch: Sie heißt „Kartoffelsalat“. Zusätzlich gab es im Sommer noch eine Sonderedition namens „Zwiebelliebe“ – zur Hochzeit der beiden.
Prinzipiell mischen sie jede ihrer Gewürzmischungen selbst zusammen. Im Keller ihres Wohnhauses haben sie sich dafür ein Labor eingerichtet. Im Regal stehen mittlerweile mehr als 50 Gewürze. „Wir probieren mit unsren Pülverchen einfach so lange aus, bis die Mischung rund ist im Geschmack und vollmundig schmeckt“, erklärt Jakob den Vorgang. Anfangs habe ihnen dabei ein befreundeter Koch geholfen.
Chipsverarbeiter in Deutschland schwierig zu finden
Als schwierig stellte sich heraus, überhaupt einen Chips-Verarbeiter zu finden. In Bayern gibt es nur große Chips-Verarbeiter, deswegen sind sie bei einem Landwirt in Norddeutschland gelandet, der sich auch selbst eine Chips-Produktion aufgebaut hat. Bei der Suche mussten sie als junges Paar aber immer wieder mit Vorurteilen kämpfen: „Ich glaube nicht, dass die uns beim ersten Treffen überhaupt ernst genommen haben“, lacht Eva. Doch mit jedem Kontakt wurde die Sache ernster.
„Wir haben uns dann für den Verarbeiter entschieden, der die besten Chips macht“, ergänzt Jakob. Die Grischberli-Chips sind daher etwas dicker als gewöhnliche Chips, die Schale der Kartoffel ist noch mit dran und sie werden im Kessel gebacken. „Dadurch schmecken sie viel knuspriger und kartoffeliger“, beschreibt Eva.
Das Roh-Produkt: Die fränkische „E-Birn“
Ihre „E-Birn“, wie sie die Knolle liebevoll fränkisch nennen, bauen Jakob und Eva auf einjährigen Pachtflächen an. Insgesamt bewirtschafteten sie dieses Jahr 6,5 Hektar. Aber die lange Trockenperiode hat ihnen einige Ernteeinbußen beschert. „Wir hatten zwar dreimal so viel Fläche wie letztes Jahr, aber nicht mal den doppelten Ertrag“, gibt Eva traurig zu. „Jedes Kartoffeljahr ist besonders“, weiß Jakob von seinem Vater, der ebenfalls einen Kartoffelanbaubetrieb mit Direktvermarktung leitet, und fügt hinzu: „Die Kartoffel ist eben die Dame der Kulturen.“
Ihre Kartoffeln bauen sie bewusst konventionell an. „Wir setzen Pflanzenschutzmittel ein, aber nur mit Bedacht“, sagt Eva. Denn so können sie zumindest etwas auf die Witterung reagieren. „Würden wir nach Bio-Standards anbauen, bräuchten wir mehr Fläche, um die gleiche Anzahl an Kartoffeln zu erhalten, das ist für mich auch nicht nachhaltig“, sagt Eva.
Stolpersteine beim Gründen, an die vorher niemand denkt

Jakob und Eva betonen dabei auch, dass es viel Mut braucht, ein Start-up zu gründen. „Es gibt viele Stolpersteine, mit denen man nicht rechnet“, sagt Eva. Sie haben zum Beispiel zwar früh ihre Marke angemeldet, doch an die Domain hatten sie nicht sofort gedacht. „Sichert euch die Webseite gleich an dem Tag, an dem ihr eure Marke anmeldet“, rät Eva. Es gebe nämlich Firmen, die sich die Domains von neu eingetragenen Marken sichern, um sie dann teuer zu verkaufen.
Auch eine Rechtsberatung für Gründer macht Sinn, „auch wenn sie Geld kostet“, raten die beiden Jungunternehmer – und zu einer Produkt-Haftpflichtversicherung. Eine Gründerberatung für Start-ups empfehlen sie ebenfalls: „Da sitzen Leute, die wissen, wie eine Firmengründung abläuft. Die geben Dir Tipps, an die man nicht denkt“, sagt Eva. Bei den Betriebskosten rät Jakob noch: „Kalkuliert auch die Weiterentwicklungskosten mit ein!“ Er habe diese zunächst vernachlässigt und musste die Kosten dann vom Gewinn abzwacken.
Träumen vom eigenen Start-Up? Einfach ausprobieren!
Trotz der vielen Hürden raten sie aber allen, die ebenfalls überlegen, ein eigenes Unternehmen zu gründen: „Probiert es zumindest aus!“ Die größte Hürde sei das Anfangen.
Die Zwingels wollen nun ihren Erfolg weiter ausbauen: „Franken haben wir erobert, jetzt wollen wir ganz Bayern abdecken“, nennt Eva ihr Unternehmensziel. Schon jetzt können Händler und Privatkunden unter www.grischberli.de ihren Chips-Vorrat aufstocken. Über den Online-Shop bestellen auch die Hofläden. „Damit können sie zu jeder Tages- und Nachtzeit unkompliziert bestellen und es läuft dann sofort in unser System rein, da können wir nichts übersehen“, fasst Eva zusammen.
Der Blick hinter die Kulissen auf Instagram
Zudem setzen sie stark auf Instagram. Eva will auf diesem Weg wieder näher an die Verbraucher herantreten und ihnen zeigen, was hinter so einem Produkt steht. So haben sie auf die Tüten einen QR-Code abgedruckt, der die Kunden auf ihre Instagram-Seite weiterleitet. So würden die Verbraucher direkt von der Couch aufs Feld mitgenommen.
Auch wenn Jakob und Eva von einem Bauernhof abstammen, bringen sie doch unterschiedliche Blickrichtungen mit in ihr gemeinsames Unternehmen. „Eva sieht die Landwirtschaft mehr von der kreativen Seite“, beschreibt Jakob, „ich sehe sie eher von der fachlichen und betriebswirtschaftlichen Seite.“ Und so kombinieren sie ihre jeweiligen Stärken bei den Grischberli. Eva hat zum Beispiel die Chipstüte komplett selbst gestaltet.
Die Mission: Wieder mehr Kontakt zum Verbraucher
„Wir streben eine Fruchtfolge mit verschiedenen Früchten an, die wir alle bis zum Ende verarbeiten“, verraten die Jungunternehmer. Heuer haben sich Jakob und Eva im Anbau von Erdnüssen probiert, weitere Ideen sind da. Außerdem gebe es zwischen Landwirt und Verbraucher zu viele Händler. „Der Verkauf ist völlig unpersönlich geworden und beide Parteien haben keinen Kontakt mehr miteinander“, bemängelt Eva und führt ihre gemeinsame Mission aus: „Wir stehen dafür, dass die Lebensmittel eine gute Qualität haben, das wollen wir zeigen und die Landwirtschaft wieder mehr in das Bewusstsein der Menschen rücken“.
Bereits jetzt träumen Jakob und Eva von ihrer eigenen Chips-Verarbeitung, doch dafür bräuchten sie einen eigenen Hof. Ein etwas kleineres Ziel haben sie auch. „Cool wären Automaten, wo sich Kunden rund um die Uhr Grischberli-Chips herauslassen können“, schwärmt Eva.