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Gartenformen im Winter

Schnee über Heinzlgrün

on_Haus
Bärbel Steinberger
am Mittwoch, 05.01.2022 - 11:11

Im rauen Ulrichsgrüner Tal in der Oberpfalz, unweit der tschechischen Grenze, leben Sabine und Günther Mittelmaier ihren Traum vom Gärtnern. Im Winter umgibt ein besonderer Zauber ihren Garten – es treten Formen und Strukturen hervor.

on_Sabine-Günther-Mittelmaier

Frau Holle hat den weißen Teppich ausgelegt an diesem Tag. Der Mühlenbach, der Heinzlgrün umfließt, plätschert. Ein Schwarm Erlenzeisige lässt sich in den Kronen der dort stehenden Erlen nieder. Es scheint, als sei der Ort der Welt abhandengekommen. Magisch schön.

Genau das war es wohl, was Sabine und Günther Mittelmaier dazu bewogen hat, sich im Jahr 2008 nach langen stressigen Berufsjahren in Berlin und München genau hier niederzulassen. Damals suchten sie „viel Land für wenig Geld“ und wurden schließlich hier in der Nähe von Waldmünchen fündig. Was ursprünglich als Altersruhesitz des Ehepaares gedacht war, entwickelte sich nach und nach zu einem Selbstversorgerhof mit Gartenjuwel.

Natur und Freiraum genießen

Sie sind beide studierte Diplom-Agraringenieure und zunächst war es ihr Plan, auf den etwa 1 000 Quadratmetern nur einen ganz extensiven Garten anzulegen und die freie Zeit mit Reisen zu verbringen. Nachdem aber die ersten Beete angelegt waren, scharrten bald Hühner im Garten und kurz darauf grasten Schafe auf den Weiden. „So haben wir nun wieder viel Arbeit, sind aber selbstbestimmt und genießen Natur und Freiraum“, erklärt Sabine Mittelmaier ihren neuen Lebensabschnitt.

Zu richtigen Selbstversorgern seien sie hier geworden und ihr Konsumverhalten habe sich absolut verändert, erzählen die beiden abwechselnd und betonen dabei die unglaubliche Lebensqualität, die sie dadurch erfahren. In Heinzlgrün versuchen sie die Philosophie der Permakultur umzusetzen. Also eine nachhaltige Bewirtschaftung im Kreislaufsystem mit möglichst großer ökologischer Vielfalt.

on_Chinaschilf

Die sommerliche Blütenpracht ihres Gartens kann man jetzt nur erahnen. Was im Winter zählt, ist die Struktur – sowohl baulicher als auch pflanzlicher Art. Das muss sehr bewusst geplant werden. Und da sieht man, dass beide wirklich was von Gartengestaltung verstehen.

Schon die Zufahrt wird gesäumt von einer Hortensienhecke. Nicht ‘Annabelle’, die schon bei einem heftigen Regenschauer einknickt, sondern die Sorte ‘Limelight’ trotzt hier den ganzen Winter über dem Schnee und begleitet den Besucher bis zum Eingang. Schneebedeckte Chinaschilfwendel der Sorte ‘Adagio’ wechseln sich auf der anderen Seite mit Säulenhainbuchen ab und leiten den Blick zum Wohnhaus.

Umwerfend schön im Winterschlaf

Wie Skulpturen ragen Solitärbäume wie die Henrys-Linde (Tilia henryana) jetzt in die Höhe und sorgen mit ihren Grau- und Brauntönen für das vertikale Gerüst. Zahlreiche Buchskugeln und Eibenhecken setzen in allen Gartenräumen ihr tiefes Dunkelgrün dagegen. Hier und da formen sich zwei Säulenhainbuchen (Carpinus betulus) ‘Fastigiata’ zu Bögen und an der Hauswand stehen die Rosen am Spalier und schauen auch im Winterschlaf umwerfend aus. Einige ganz standfeste Staudensolitärs durften stehen bleiben. Sie haben jetzt mit Schneehauben gekrönt ihren großen Auftritt.

on_Segge

Starke Akzente setzen auch schneestabile Gräser. Die aufrechtwachsende, ockerfarbene Rutenhirse (Panicum virgatum) ‘Shenandoah’ und die duftige Rasen-Schmiele (Deschampsia caespitosa) ‘Goldtau’ stehen mit Schnee überzuckert der Schönheit der sommerlichen Blütenfülle kaum nach. Die überhängenden Blattschopfe der Goldrand-Segge (Carex morrowii) ‘Icedance’ betonen jetzt gekonnt die Beetkurve.

Doch nicht nur Pflanzen, auch einzelne architektonische Elemente geben beeindruckend Struktur. Natursteinmäuerchen, Treppen und Zäune gliedern die Gartenräume und kommen jetzt besonders schön zur Geltung, da keine opulente Blütenpracht ablenkt.

In der blütenlosen Zeit spielen alle strukturgebenden Elemente eine noch wichtigere Rolle als zur Blüte. Während sie da Ordnung in das vermeintliche Chaos bringen und die Bühne für den großen Auftritt der Stauden bereiten, ist der Garten im Winter auf die Struktur reduziert und die wird durch Frost und Schnee erst so richtig betont.

Keine wertvolle Gartenzeit verschenken

Fehlen strukturbildende Elemente, verliert sich der Blick im braunen Einerlei und man verschenkt wertvolle Gartenzeit. Wenn man nämlich zusammenzählt, für wie lange sich in unseren Breiten ein Garten in Winterruhe befindet, kommt man vom Laubfall Ende November bis zum Frühlingserwachen Anfangs April auf vier lange Monate. Angesichts dieser Zeitspanne lohnt es sich, dem winterlichen Garten Beachtung zu schenken.

on_Sonnenhut-Gras

Vom Frühjahr bis zum Herbst grünt und blüht es rund um den Hof. Sabines Liebe zu den Stauden ließ farblich harmonierende Beete entstehen. Hier aufeinander abgestimmte gelb-orange Töne mit viel Sonnenhut, dort mehr blauviolett mit tanzenden Verbenen. Doch was im rauen Klima der Oberpfalz nicht gut gedeiht, sich zu stark aussät oder farblich nicht passt, muss weichen. Da ist die Gärtnerin rigoros.

Für das Erscheinungsbild des Gartens sind sie beide zuständig, wie sie betonen. Auch wenn Sabine mehr die Staudenfrau und Günther eher der Obst -und Gemüsemann ist. Und während sie ihren Job als „Oberjäterin“ liebt, kümmert er sich vorzugsweise ums Grobe. Die Ideen für ihr Kleinod gehen ihnen sicherlich nie aus, zu gerne sind sie da in der Garten-Szene unterwegs.

Die Gärten Englands, der Niederlande aber auch des Elsass schätzen sie als wertvolle Impulsgeber. Momentan experimentieren sie mit trockenheitsverträglichen Stauden in Mulch aus Granitsplit: „Man muss schließlich für den Klimawandel gewappnet sein“, betonen die beiden.

Wie man das am besten macht, diskutiert das Paar auch gerne mit anderen Gartlern bei den Gartenführungen, die sie den Sommer über anbieten. Doch bis dahin genießen sie den Winter in ihrem ansonsten grünen Reich und studieren ausgiebig die Saatgutkataloge und planen schon den nächsten Gartensommer.