Eigentlich ein hübscher Anblick: grün und kugelrund sitzen die Misteln in den Obstbäumen. Und manch ein Baum wirkt mit seinem Behang im Winter fast so grün wie im Sommer. Für einige Gegenden in Bayern sind Misteln inzwischen zu einem Problem geworden.
Hans Huhn, Streuobstbauer in Wiesenttal in Oberfranken erklärt: „Es wird immer schlimmer mit den Misteln. Die Misteln zerstören unsere Bäume, weil sie ihren Lebenssaft saugen.“
Mistelbefall: Genaue Daten fehlen
Flächendeckende Daten zur Ausbreitung fehlen bislang, aber in stark betroffenen Regionen wie Mittelfranken wurde in den vergangenen Jahren eine Zunahme von Laub- oder Kiefermisteln von bis zu 30% beobachtet. Die Daten der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlung Bayerns zeigen zudem, dass sich die insbesondere Obstbäume befallende Laubholz-Mistel in den vergangenen Jahrzehnten weiter in den Norden Bayerns ausbreitet.
Um einen besseren Überblick über das Vorkommen des Halbschmarotzers zu erhalten, bietet der Naturschutzbund Deutschland (NABU) ein Mistel-Monitoring an. Wer Misteln sichtet, kann diese online melden.
Obstbäume von Misteln befreien
Die Streuobstbäume von Obstbauer Hans Huhn sind mittlerweile mistelfrei: „Wir schneiden die Misteln raus, Baum für Baum.“ Die Pflege sei eine Menge Arbeit, sagt Huhn, „für uns ist das ein sehr arbeitsintensives Hobby – bei dem wir mit Herzblut dabei sind, die Streuobstwiese ökologisch zu bewirtschaften.“ Das Problem aber seien weniger die eigenen Bäume. „Etwa 50 Prozent aller Streuobstwiesen bei uns werden nicht gepflegt und verwildern. Weil das ein Verlustgeschäft ist“, ärgert sich der Obstbauer. Selbst der Mistelverkauf bringe heute, anders als früher, nichts mehr ein. Huhn fasst die Lage zusammen: „Es gibt also immer mehr offene Streuobstwiesen, oder aber die Bauern entfernen die Bäume gleich.“
Wer den Misteln an den Kragen will, der muss also erst einmal den Streuobstbauern helfen. Seit gut einem Jahr unterstützt deshalb die Bayerische Regierung mit dem Streuobstpakt die Erhaltung und den Ausbau der bayerischen Streuobstbestände. Die Maßnahmen reichen von der Sortenkartierung über Neupflanzungen und Förderung von Erhaltungsschnitten bis hin zu regionalen Vermarktungsstrategien.
Streuobstwiesen wertvoll für Artenvielfalt

Mittlerweile ist man sich der Bedeutung des Streuobstbaus nicht nur als prägende Kulturlandschaft, sondern auch als ökologisch wertvoller Lebensraum für tausende Tier- und Pflanzenarten bewusst. Seit März 2021 ist sind Streuobstwiesen Teil des Bundesweiten Verzeichnisses des immateriellen Kulturerbes der Unesco und damit ein Startsignal für mehr Engagment. Problematisch ist demnach nicht mehr, dass im 20. Jahrhundert noch viele Bestände gerodet wurden und die Streuobstwiese so zu verschwinden drohte, sondern, so die Unesco: „Heute gefährden...das schwindende Wissen, fehlende Fertigkeiten und Wertschätzung, der hohe Arbeits- und Zeitaufwand und die mangelnde Rentabilität den Bestand.“
Obstbaumpflege schützt Streuobstwiesen
Traditionelle Handwerkstechniken bei Pflege, Bewirtschaftung und Obstverarbeitung müssen für den Erhalt der Streuobstwiesen weitergegeben oder neu gelernt werden; die richtige Baumpflege gehört, nicht nur wegen des Mistelbefalls, zwingend dazu.
Stephan Grötsch, Baumwart aus Machtlfing, liegen schon von Hause aus Streuobstbäume am Herzen: Die hofeigene Mosterei verarbeitet regionale Früchte, allen voran den Apfel. „Ich war damals, also vor 15 Jahren, eher ein Exot als Baumwart“, erklärt Grötsch. „Die Kunden haben mich nach einem fachgerechten Obstbaumschnitt gefragt, weil er auch die Qualität der Früchte steigert. Da wurde aus dem Hobby dann mehr. Vor allem wurde jemand gesucht, der auch die heimischen Sorten richtig schneidet.“
Baumwart gibt Tipps: Worauf bei Mistelbefall achten?
Nach vielen Kursen und Zusatzausbildungen, unter anderem in Triesdorf, hat Grötsch mittlerweile ein gutes Auge für „seine“ Bäume: „Erst einmal schaue ich mir den Baum an: Hat er Krankheiten? Sitzt die Mistel drin? Wenn ja, wo? In den Zweigen oder Ästen wie zum Beispiel Leitästen oder Stammverlängerung? Wie alt ist der Baum? Und um welche Sorte handelt es sich?“
„An den Leitästen oder der Stammverlängerung können die Misteln ausgeschnitten werden. Das geht mit dem Messer“, erläutert der Baumwart. Gerade bei den Jungbäumen müsse man aber auch auf die Mistel-Keimlinge achten und diese entfernen. „Wenn die Mistel an einer Stelle ist, wo man es komplett abschneiden kann, dann etwa 30-50cm vor der befallenen Stelle.“
Immer alle Mistelbüsche entfernen
Wer die Mistel effektiv bekämpfen will, muss darauf achten, dass er alle Büsche entfernt. Die Devise lautet, so Grötsch: „Alles oder nichts! Geschnitten werden muss bis ins gesunde Holz.“ Bei starkem Mistelbefall fallen dann auch schon mal 40-50% des Kronenaufbaus weg. Dann müsse der Baum neu aufgebaut werden.
Kann die Mistel nur an der Ansatzstelle der Saugwurzeln abgeschnitten werden, treibt sie in der Regel wieder aus. Die Saugwurzeln selbst stecken weiterhin auf und im Baum. Durch diese Maßnahme ist der Baum zeitweise entlastet. Denn nach drei bis vier Jahren trägt der Halbschmarotzer wieder Früchte und kann sich vermehren. Jedes zweite Jahr sollten befallene Bäume geprüft und nachbehandelt werden.
Neben Sorgfalt sei in diesem Fall, so Grötsch, der Schnittzeitpunkt wichtig: „Zum Winterende oder im zeitigen Frühjahr sollte geschnitten werden. Dann kann der Baum seine Reserven nutzen und ausschlagen.“
Streuobstwiesen finden wieder Liebhaber
Stephan Grötsch ist zufrieden: In den letzten Jahren sei das Interesse an Streuobstwiesen gewachsen, denn „während der Corona-Pandemie haben viele Menschen ihre Obstbäume schätzen gelernt, sie wollen etwas bewahren, erhalten. Obstbaumpflege ist wieder gefragt.“ So hat die Mistel, zumindest bei „seinen“ Bäumen in der Andechser Region, keine Chance.