Loslassen, Neues angehen oder Veränderungen vornehmen, fällt uns grundsätzlich nicht leicht. Wir Menschen sind Gewohnheitstiere. Das ist unter anderem bereits in unserem Gehirn begründet. Wir brauchen Gewohnheiten, denn ohne sie wäre unser Gehirn überfordert. Durch automatisierte Abläufe wie z. B. beim Zähneputzen oder Treppensteigen spart das Gehirn Energie, die es für Stresssituationen braucht – und für die eigentlich wichtigen Aufgaben des Lebens.
Unser Gehirn belohnt uns für Gewohnheiten
Infolgedessen belohnt es uns für Tätigkeiten, die wir sozusagen automatisch ausführen. Es schüttet körpereigene Glückshormone (Endorphine) aus und schafft damit Wohlbefinden. Deswegen fällt es uns auch so schwer, Gewohnheiten aufzugeben, wie im Beispiel von Karl Kirchdorfer im Wochenblatt-Artikel "Hofübergabe: Konflikte zwischen Vater und Sohn lösen". Der Austragler hing an seinem Betrieb. Er wollte, dass alles so weiterging wie bisher oder zumindest gut weiterging. Die Ideen des Sohnes machten ihm Angst, er fürchtete, dass dieser sich überfordern und dem Betrieb schaden könnte.
Doch selbst wenn wir erkennen, dass die Situation kippt, dass es so nicht mehr weitergehen kann, fällt der Schritt zur Veränderung nicht leicht. Dann mischen sich beklemmende Gefühle in den Gedanken, Gewohntes zu verabschieden und Neues zu beginnen. Ein anderes Beispiel:
In einem Beratungsgespräch hat ein Ehepaar vorgerechnet, dass beide Partner schon seit Jahren aus ihren außerlandwirtschaftlichen Berufen Geld in den Betrieb hineinschießen. Vergeblich, der Hof blieb in den roten Zahlen. Die Frau war mit ihren Kräften am Ende und verlangte eine Veränderung. Ihr Mann wollte oder konnte den Hof trotzdem nicht aufgeben. Selbst die Vorstellung, welche Erleichterungen das Leben ohne den Hof bringen würde, konnte daran nichts ändern.
Eigentlich ist das nicht verwunderlich, schließlich gibt es auch gute Gründe dafür, an einer schwierigen Beziehung, einer unliebsamen Gewohnheit, einem belastenden Arbeitsverhältnis oder – wie in unserem Beispiel – an einem unwirtschaftlichen Hof festzuhalten.
Veränderungen sind wie psychische Erdbeben
Eric Klinger, ein amerikanischer Psychologe, hat das so formuliert: „Abschied und Loslassen ist ohne innere Unruhe nicht zu haben! Das Loslassen von Wichtigem kommt einem psychischen Erdbeben gleich. Den großen Schatz, den es womöglich zutage fördert, können wir erst erkennen, wenn sich die dabei aufgewirbelte Staubwolke wieder gelegt hat.“
Jedoch erleben viele Menschen in der Landwirtschaft derzeit sehr deutlich, dass es ohne Veränderungen und Neuorientierungen nicht weitergeht. Wenn es jedoch gelingt, dass Alt und Jung im Gespräch bleiben, ist ein großer Schritt in die richtige Richtung getan.
Wichtig ist, dass die ältere Generation spürt, dass die jüngere das, was man in vielen Jahren harter Arbeit aufgebaut hat, wertschätzt. Wenn umgekehrt die jüngere Generation merkt, dass die Ideen und der Fleiß, die man in den elterlichen Betrieb einbringt, anerkannt und nicht als Selbstverständlichkeit abgetan werden, dann ist ein guter Boden für eine gemeinsame Zukunft bereitet.