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Landfrauen

Organisationstalente: Was Landfrauen leisten

Organisationstalent: Familie, Betrieb und Ehrenamt unter einen Hut bringen, das schaffen die Landfrauen. Die hauswirtschaftliche Ausbildung ist eine gute Grundlage dafür.
Bettina Hanfstingel
am Dienstag, 10.01.2023 - 09:51

Um betrieblichen Erfolg zu beurteilen, werden oft Kennzahlen wie Erntemengen oder Umsatzhöhen betrachtet, die Produktionstechnik steht im Fokus. Doch damit das Leben auf einem landwirtschaftlichen Familienbetrieb gelingen kann, braucht es viel mehr.

Wäsche- und Hauspflege, Betreuung oder das tägliche Zubereiten von Mahlzeiten für alle Familienmitglieder sind nur einige dieser vielfältigen Tätigkeiten, die meist im Hintergrund geschehen, die aber zentral wichtig sind. Der Großteil dieses Aufgabenbereiches auf den Höfen wird nach wie vor von Frauen geschultert. Wie schaffen sie das, und finden dabei auch noch Zeit für Ausgleich oder Ehrenämter?

Man müsse organisieren können und vom Perfektionismus wegkommen, sagt Maria Hoßmann, die Bezirksbäuerin von Unterfranken. Sie ist seit über 25 Jahren im BBV in verschiedenen Gremien aktiv. Gemeinsam mit ihrem Mann bewirtschaftet sie einen Ackerbaubetrieb und ist außerdem Bezirksrätin in Unterfranken. Um ihren Alltag gut zu koordinieren, sei der Besuch der Teilzeitschule Hauswirtschaft und die BBV-Fortbildung „Agrarbürofachfrau“ für sie sehr wertvoll gewesen, blickt Hoßmann zurück.

Hauswirtschaft ist die Grundlage

Dr. Viktoria Lofner-Meir bestätigt die große Bedeutung der hauswirtschaftlichen Bildung. Man lerne, gut zu planen, zu organisieren und Abläufe ineinander zu schachteln, erklärt die vormalige Ministerialrätin im Landwirtschaftsministerium. Allgemein sei es jedoch ein Problem, dass die Hauswirtschaft als solches ein eher schlechtes Image habe. Daran müsse gearbeitet werden, sowohl in der Öffentlichkeit als auch auf den Betrieben. „Die männlichen Landwirtschaftsschüler mussten bei mir im Unterricht schon auch mal einen Knopf annähen oder eine Waschmaschine bestücken. Das hat keinem geschadet“, erzählt Dr. Lofner-Meir Sigried Boldajipour, die Präsidentin des Deutschen Hauswirtschaftsrats, bekräftigt das. Nachhaltiges Wirtschaften sei nur mit hauswirtschaftlichen Kenntnissen möglich.

Bezirks- und Kreisbäuerin Irene Waas stellte den virtuellen Landfrauentag auf die Beine, das Motto lautete dieses Mal „richtig gut leben“.

Gerade jetzt, wo durch aktuelle Krisen Schlagworte wie Vorratshaltung oder Energiesparen in den Fokus rücken, sei die Bedeutung der Hauswirtschaft nicht hoch genug einzuschätzen. Auch Irene Waas, Kreisrätin im Kreis Dingolfing-Landau und ehemalige Bezirksbäuerin von Niederbayern, betont, wie wichtig der Besuch der Hauswirtschaftsschule für sie war und ist.

Wenn man die täglichen Aufgaben gut überblicken und managen könne, bleibe mehr Zeit für andere Dinge, sagt die Hauswirtschaftsmeisterin. Es sei dann auch leichter, konkrete Bereiche mal auszulagern. Doch gerade das ist in der bäuerlichen Arbeitskultur oft nicht gern gesehen. Irene Waas und Maria Hoßmann raten dennoch entschieden dazu, sich im Bedarfsfall Hilfe von außen zu holen.

Die Rollen individuell verteilen

Niedermeier Margit

Wann dieser Punkt erreicht ist, und wer im Unternehmerhaushalt welche Aufgaben übernimmt, ist aber eine individuelle Sache. Davon ist Margit Niedermaier vom Landesverband der Unternehmerfrauen im Handwerk Bayern e.V. überzeugt. Im Handwerk führe man ebenso wie in der Landwirtschaft oft eine 24-Stunden-Partnerschaft, in der Arbeit und Familiäres untrennbar zusammengehören.

Niedermaier, die auch Vizepräsidentin des Bayerischen Landesfrauenrates ist, betont, dass über die Arbeitsaufteilung im Betrieb immer gemeinsam gesprochen und entschieden werden sollte.

Als Frau müsse man sich aber darüber klar werden, welche Rolle man im Betrieb übernehmen wolle: die der sichtbaren 50% -Chefin oder die der Zuarbeiterin im Hintergrund? „Wir Frauen stehen heute nicht mehr zwingend hinter unserem erfolgreichen Mann, sondern immer mehr gleichberechtigt daneben“, betont Niedermaier.

Was braucht es noch, um als Landfrau seinen eigenen guten Weg zu finden? „Man darf nicht auf das Gerede der Leute hören. Man muss seine Grenzen kennen und Hilfe annehmen können“ blickt Irene Waas auf ihre Erfahrungen zurück. Das könne schwierig sein, sei aber unverzichtbar. Gerade im Bereich der häuslichen Pflege könne man sich selbst schnell überfordern, da man diese anspruchsvollen Tätigkeiten in der Regel nicht professionell gelernt habe. Niemand solle ein schlechtes Gewissen haben müssen, wenn die Senioren der Familie in ein Heim umziehen, betont Waas, die selbst mehrere Angehörige zu Hause gepflegt hat. Vielmehr sei es wichtig, ein gutes Mittelmaß zwischen den Wünschen der Familie und den eigenen Bedürfnissen zu finden.

Es braucht persönlichen Ausgleich

Lofner_B

Um den Kopf freizubekommen, fährt Irene Waas gerne lange Strecken mit dem Fahrrad – und zwar daheim in Wallersdorf. „Da habe ich keinen Anfahrtsstress mit dem Auto und kann einfach abschalten, da ich die Umgebung ja schon kenne“, verrät sie ihr Erholungsrezept.

Maria Hoßmann legt Wert darauf, mit ihrem Mann mehrere Hobbies zu pflegen. Sie braucht jedoch auch Zeit für sich allein. „Deshalb arbeite ich zum Beispiel gern in unserer Rebfläche. Dort kann ich meinen Gedanken nachhängen, mit den Händen vor mich hin arbeiten und die Natur und das Vogelgezwitscher genießen“, erzählt sie.

Dr. Lofner-Meir unterstützt das: „Jeder Mensch braucht Freiraum – den muss man sich ab und zu auch erkämpfen, ohne schlechtes Gewissen.“

Maria Hoßmann, Kreisbäuerin im Landkreis Main-Spessart und Unterfränkische Bezirksbäuerin.

Für Maria Hoßmann sind ihre Ehrenämter außerdem nicht nur Aufgabe, sondern ebenfalls Ausgleich. „Man kommt mal raus vom Betrieb, zieht sich was Schöneres an und tauscht sich mit anderen aus. Das tut einfach gut“, erklärt sie.

Irene Waas sieht es ähnlich: Erfolge und positives Feedback im Ehrenamt geben ihr neue Energie. „Etwas bewegen für die Frauen am Land – das ist meine Motivation“, sagt sie. Die Treffen, die sie zu verschiedensten Themen organisiert, vermitteln aber nicht nur Wissen wie etwa zu neuen Vorschriften rund um den Mehrfachantrag, sondern haben einen weiteren Effekt: Frauen in ähnlichen Situationen begegnen sich, können ihre Gedanken austauschen, vielleicht auch einfach mal Dampf ablassen – und ein tragfähiges Netzwerk unter Gleichgesinnten knüpfen.

Und das ist sicher einer der wichtigsten Punkte, um als Landfrau inmitten der vielfältigen Anforderungen und Aufgaben ein gelingendes Leben führen zu können. Denn gemeinsam geht alles leichter.